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Volkszeitung: Tageszeitung für die werktätige Bevölkerung des ganzen badischen Unterlandes (Bezirke Heidelberg bis Wertheim) (5) — 1923 (Januar - April)

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Nr. 31 - Nr. 40 (6. Februar - 16. Februar)
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ö. Jahrgang

Heidelberg, Dienstag, den 6. Februar 1923

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Nr. 31

Dtjugrpreis: Monatlich einschlleßl.
?ragerlot,n Mk. l» >>.—. Anzeigen»
'"«se: Die einspaltige Petit,eil«
Uer deren Raum (36 mm breit)
»tk.M.—. Rellamcanzcigen (74 mm
^reif) Mk.E.—. Bei Wiedcrbolun»
«en Nachlaß n. Taris. Tetzetmmittel»
""leigen finden keine Ausnahme.

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«eschästrstundenS-SUhr. Sprech«
WM MM WW WM Mk. FU HM HW» HW MA stunden der Red-Mon: II-« Uhr.
UM MA MA MM ss-M KM WM MW MI PostschcMontoKarlrruheNr.2iS77.
MM MW WWI 1^8 Tel.'SIdr.:BolkrzeitungHeidelberg.
«8Z1 «KAM. Druci u. Verlag der Untcrdadischen
WAU Tt^MW M-.-M /^WhMDU WMdLMW Lerlag-anstal« s. m. b. H., Heidcl«
MM PML F MM «W MzWtzE berg. tSelchastsstellc: Schröders».»»
WD" U "W- HDe tzLS Test:EipcditionW73uch?edak.SS78.
I«ttr-Se!tm löt die MMige NeMemg der MMezirle Seldeliem. MM, ölMeim. NMei, KerdO. MiÄM. IMen, AdWelia, SM»i. !MeMIAAew». Mrltzew


Der Ruhrkampf und
die Gewerkschaften.

Unter diesem Titel veröffentlicht Ge-
nosse Theodor Thomas-Frankfurt
im Karlsruher „Volkssreund" folgenden
Aussatz:

Die Absichten Poincares sind zweierlei Art. Ein-
mal will er sich die Pfänder holen für die 50 Milliar-
den Reparationen, von denen ja allein 26 Milliarden
aus Frankreich fallen, und zum andern braucht die
französische Industrie den deutschen Koks. Das sind
Vvei ganz reale, nüchterne Dinge. Alles, was da-
rum herumgeschmutzt wird, ist Unsinn. Daß die fran-
-söstjche Industrie unsere Kohle braucht, das konnten
Mir in deutschen Kriegszielbüchern schon vor 6—7
Fahren lesen. Damals pfiffen es die Spatzen von
den Dächern, datz die französischen Erze und die deut-
schen Kohlen zusammengehören. Beide sind auch wirt-
schaftlich aufeinander angewiesen, daran ist nicht zu
zweifeln. Das sind die beiden Ziele Poincarös. Des-
halb ist es lächerlich, auf die Uneinigkeit der Entente
tu warten, um dann aus dem Reparationsnetz ent-
schlüpfen zu können. Daran ka>m kein Gewerkschaf-
ter denken. -
Auch die zweite Frage der Kohleulieferuugen
iaun nicht dadurch gelöst werden, einfach zu erklären,
wir verhandeln nicht eher, bis alles an der Ruhr ge-
räumt ist. Deshalb müssen m. E. jetzt die Gewerk-
schaften die Entscheidung in die Hand nehmen, ehe
es zu spät ist. Jeder Tag kann an der Ruhr ungeahn-
te Komplikationen bringen. Ein verpatzter Tag, eine
verpatzte Gelegenheit kann uns einer Katastrophe ent-
gegentreiben. Die Gewerkschaften haben Mer die
Aufgabe, ihren Volksgenossen zu Hilfe zu eilen. Slber
sie dürfen sich nicht aus gemeinsame Aufrufe, sich mit
der Industrie und der Regierung ernstlich zusammen-
setzen und beraten, was nun.
Die Lage Deutschlands ist fetzt gegenwärtig ge-
üau so, wir nach der verlorenen Marneschlacht. Ein-
sichtige Führer hätten damals schon sagen sollen,
die Partie stehl remis, jetzt macht einen vernünfti-
gen Vorschlag. Nein, da mutzten erst 10 Millionen
Menschen verbluten, Milliarden verpulvert werden.
Air stehen heute auf dem gleichen Punkt: Unsere
barne Wird mit jedem Tag ungünstiger. Auch letzt
worden wieder Millionen Opfer gefordert. Aller-
dings nicht nur Männer, sondern auch Frauen und
Kinder in erster Linie, Denn die deutschen Leiden
«US der Besetzung stehen erst bevor. Die Arbeits-
wsenziffern müssen gewaltig anfteigen. Was dann
bei einem Dollarstand von vielleicht 50 OVO? Wer
will dtp.Verantwortung übernehmen, wenn keine
Kohle Mehr für die deutsche Industrie kommt?
Vielleicht sehen das manche als Miesmacherei
>n. Genau wie im Kriege, wo auch jeder, der Deutsch-
lands Misserfolg prophezeite, augepöbelt wurde.
Aber wir sollten vernünftiger geworden sein.
Deutschland ist jetzt noch in der Lage, mit ungebro-
chenen Flügeln (wirtschaftlich) die Verhandlungen
M führen Die Gewerkschaften haben jetzt die Pflicht,
d-en Stein ins Rollen zn bringen. Ich kann mich nicht
kür einen Etntrit in die Regierung in diesen kriti-
schen Tagen erwärmen, ich kann aber auch nicht in
die Posaune blasen: Laht jetzt die, die nns das ein-
gebrockt haben, die Suvpe auslöffeln.
Sind wir uns über den Ernst der Lage klar:
Siegt der Franzose, dann wehe der deutschen Arbet-
ierschaft. Deshalb findet uns jetzt das Ausland in
Aner Kampffront mit der übrigen Gesellschaft. Mer:
-- siegt der deutsche Kapitalismus, dann wehe auch
der Arbeiterschaft, denn dann ist der Nationalsozia-
lismus und anderes, was wir zn fürchten haben,
oben auf. Wir werden also die Augen offen zu hal-
len haben. Etwa jetzt in der gemeinsamen Front zu
kämpfen, um uns dann den Futz auf den Nacken
letzen zu lassen, dazu kann sich kein Gewerkschafter
b ergeben.

Deshalb richte ich den Appell an dte, die es an-
gebt, die Initiative zu ergreifen. Wir Ntüsseu von der
gewerkschaftlichen Seite aus dte Regierung zwingen,
wit den Franzosen in Verbindung zu treten. Die
deutschen Gewerkschaften zählen mit Frauen und
Zinder etwa 35 bis 38 Millionen des deutschen Vol-
kes. Das legitimiert uns, zu fordern, was im Jn-
keresse aller liegt. Vorläufig ist es noch eine wirt-
ichastlicbe Frage, wie lange noch, ist ungewiss. Mor-
gen, übermorgen schon kann es eine militärische auch
ghf unserer Seite sein, wenn es nach dem Willen ge-
wisser Leute geht, die gar den Arbeitern jetzt wieder
Anreden möchten, datz sie durchzubalten haben. Ge-
witz — akwr mit einem vernünftigen Ziele im Ange.
28as wir jetzt tun, ist die Haltung eines Fieberkran-
ken, der daraus hofft, datz auch der andere über 42
gwad Fieber bekommt.

Auch die Hoffnung auf einen Generalstreik mutz
lch leider zerstören. Die anderen Länder machen nicht
Wit und ein Generalstreik nur in Deutschland würde
M lediglich gegen die deutsche Wirtschaft richten, al-
lo sinn- und Zwecklos sein. Ganz abgesehen davon,
oatz es die Herrschaften auf der anderen Seite immer
?wch ein paar Tage länger aushalten können, wie
Wir. Die Hoffnung auf Amerika, England usw.?
das; unsere lieben Deutschen so gutgläubig sind,
^eu Engländern wird es erst sehr spät einsallen,
.Ws „zu Helsen", nämlich dann, wenn es ihnen an
w" Klag^ geht. Aber dann werden sie dabei ihre
Schäfte machen und wir werden nicht besser ab-
»Meiden, als wenn wir heute die Verhandlungen
wlcin führen. Von Amerika will ich gar nicht reden.!

Oder cs gibt eine Situation, die zu schildern


Wenn wir nicht riskieren, datz die französische Be-
setzung Jahre dauert, wenn wir nicht riskieren wol-
len, datz die schöne Energie, die sich jetzt zeigt, nutz-
los verpufft, wen» wir nicht riskieren wollen, noch
einige Millionen Deutsche zu verlieren, wenn wir
nicht riskieren wollen, auch noch die paar Freunde im
Ausland zu verlieren und uns doch zum Schluß ei-
nem Diktat fügen müssen, dann ist es j etzl Zeit, datz
die Gewerkschaften die Verantwortlichen hüben und

Die Wilsons sind noch nicht ausgestorben und
Deutschland liegt zu weit ab von Washington. Die
paar Vernünftigen wollen doch gar nichts sagen.
Die deutsche Presse erweckt da nur immer unerfüll-
bare Hoffnungen.
Es bleibt in der Tai nur die Hilfe der Deut-
schen selbst, da wir aber wissen, wie die anderen da-
rüber denken, müssen wir zur Aktion übergehen und
den Herrschaften um Stinnes und Thyssen erklären,
wie weit wtr mttgehen und was das Ziel unserer .drüben zu Verhandlungen zwinge«.
Politik ist. ! t" . " -
Wir kölmen die Lage betrachten wie Wir wollen: > etnem angst und bange wird .. .
AS

M MM SW«.

Die Forderungen der Gewerkschaften
genehmigt.
Offenburg, 5. Febr. Die Vertreter der nach-
stehenden Organisationen, nämlich des AUg. Deut-
schen Gewerkschaftsbundes, des Deutschen Gewerk-
schastsbundks, des Deutschen Beamtenbundes, des
Allg. Deutscheit Beamtenbundes, dcs Afabundes, des
Betriebsrates der Bahnbetriebe mit den Betriebs-
räten der Werkstätten, des Beamtenausschusses der
Post- und Telegraphenbmmten, unterbreiteten den
französischen Besatzungsbebörden folgende Forde-
rungen:
1. Sämtliche öffentlichen Betriebe, also
diejenigen des Reiches, des Landes und der Ge-.
nreinden sind von militärischer Besetzung und Ucber-
wachuug fr e i z u l a s s e n. 2. Die Brstimmungen
des Befehls, „Der Verkehr auf den Stratzen und
Wegen ist von 9 Uhr abends bis 6 Uhr morgens
verboteni" ist sofort aufzuheben. 3. Die
Bestimmungen des Befehls: „Der telephonische
Verkehr wird von sämtlichen Zivilbehörden und
Privatleuten unterbrochen. Die französische
Behörde behält sich vor, Sondergenehmigungen zu
erteilen." und weiter: „Sämtliche Telcgranmie müs-
'"en mit dem B isum der französischen Besatzungs-
behörde versehen sein" werden sofort aufgeho-
ben. 4. Um Unruhen zu verhindern, sind sämtliche
Btvürfn'.sse der Truppen aus eigenen, von. i:e"
Besatz ungsbehörde zu beschaffenden Vor-
räten zu decken, die die hier vorhandenen Vorräbe
nictu einmal für dte dringendsten Bedürfnisse der
StadLcvölkerung ausreichm.
Falls die Annahme dreier Forderungen nicht
binnen 24 Stunden erfolgt, wird die S t i l l e gu n g
der Betriebe erfolgen.
Nach langen Verhandlungen wurden dte ge-
werkschaftlichen Forderungen von der
französischen Besatzung wie folgt angenommen:
Der Str ntzen verkehr wurde fretgegeven,
ebenso der Telephonverkehr. Hinsichtlich des
Eisenbahnverkehrs schweben noch Ver-
handlungen ebenso hinsichtlich der LebenS-
miitelversorg » ng. Im allgemeinen sind die
Verhandlungen zur Zufriedenheit verlausen.
Die Franzosen behielten sich dte Telephonleitung
nach Kehl vor.
Die Vorgänge in Offenburg
Offenburg, 5. Febr. Die Besetzung von
Offenburg und Umgebung ist von den Franzosen
bisher nicht Wetter ausgedehnt worden
und es sind augenblicklich auch ke i n e Anz eich en
dafür vorhanden, datz dte Besetzung auf weitere
Teile des badischen Landes ausgedehnt wird. Die
Zahl der Truppen ivird mit 1500 Mann In-
fanterie angegeben. Dte Kavallerie ist ab-
gerückt. In dem Dorfe Vüh l nahe Offenburg
sind zwei Batterien Artillerie uniergrbracht.
Aus Ortenburg sind die Truppen ebenfalls zu-
rückgezogen. Nutzer Offenburg und Ap-
penweier ist nur der Ort Windschläg vefetzt.
Was man aber in Offenburg hört, deutet aus eine
w e i t ere A u s d eh n ung der Operation hin. I«
Offenburg ist das Unionhotel zum Haupt-
quartier erwählt, vor dem ein Soldat mit auf-
gepflanztem Bajonett stebt. Irgend welche Zwi-
schenfälle haben sich bisher nicht ereigiret.
Bei Abfassung dieses Berichtes ist die Frage noch
nicht ganz gcklärt, welchen U m fang die Sperrung
der Etfcnb ah «strecke Appenweier—Offenburg anneh-
men wird, ob sich diese Sperre nur auf den Per-
sonenverkehr oder auch auf den Güterzug-
verkehr erstreckt, ob dte Züge künftig in die Bahn-
höfe Appenweier und Offenburg htnetngclasse» wer-
den usw. Soviel scheint festzustehen, daß die in-
ternationalen Züge durch dte Sperre ge-
leite: werden.
Jnr Rathaus fanden den ganzen Tag über Ver-
handlungen zwischen den Führern der Ver-
bände der Eisenbabnbeamten, der Angestellten, der
städtischen und Industriearbeiter statt. In erster
Linie handelt es M um die Frage des Weiter-
betriebsderEisenbähn zwischen Offenburg
und Appenweier. Die Franzosen verlangen die an-
gekündigte Kontrolle und Beaufsichti-
gung, wogegen sich das Bahnpersonal energisch

an und falls keine Einigung erzielt wird, rechnet
mmr mit der E i n st e l l u n g des Eisenbahnbetriebs
zwischen Offenburg und Appenweier. Ferner han-
delt es sich bei den Beratungen um Ablehnung an-
derer Bestimmungen, die tatsächlich dem Belage-
rungszustand nahekommen. Tie deutsche ssio-
ls;ei und Gendarmerie will nicht den
Franzosen unterstellt sein.
Eine weitere französische
Begründung.
Berlin, 5. Febr. Nutzer der Note der Inter-
alliierten Rheinlandkommisston ist der Reichsregie-
rnng durch Vermittlung des deutsche« Geschäfts-
trägers in Paris folgende Note dcs französischen
Außenministeriums über die Besetzung von Appen-
weier und Offenburg zugegangen:
Die deutsche Regierung Hal die internationalen
Züge Paris—Bukirrest und Paris—München—Prag
ab 30. Januar eingestellt und nicht die notwendigen
Anordnungen getroffen, um den Durchgang der an
diese internationalen Züge angchängten alliierten
Wagen durch das deutsche Gebiet zu sichern. Diese
Tatsache stellt eine Verletzung des Artikels 367 dcs
Vertrages von Versailles dar. Uebrigens ist die
französische Regierung verpflichtet, jeden Tag eine
neue Verfehlung Deutschlands und eine neue Ver-
letzung des Fkiedensvertrags festzustellen. So wurde
der Präsident der ürtsvalliierte» Schiffahrtskowmis-
ston durch den Reichskmnmissar offiziell davon in
Kenntnis gesetzt, datz alle Lieferungen für Frankreick)
und Belgien eingestellt sind, einschlietzlich derer, die
zur Ausführung des Protokolls von Scapa Flow
gehören. Dieser Akt stellt eine formelle Verletzung
des von Deutschland am 10. Januar 1920 gezeichneten
Protokolls dar. Die französische Regierung prote-
stiert gegen diese Verletzungen und Versäumnisse,
voit denen sie für alle Fälle Kenntnis nimmt, und
beschloß, die Grenze des Brückenkopfes Kehl als
Sanktion bis zu den Bahnhöfen Appenwuier und
Offenburg auszudehueu.
Karlsruhe, 5. Febr. Die „T.-U." bringt
folgend« Mitteilung: Als Grund der Neubeset-
zung eines Teils badischen Gebietes haben die Fran-
zosen bekanntlich die Einstellung der internationalen
Züge und zwar des Oricniexpreßzuges und des
Prager Expretzzuges angegeben. Die Einstellung
dir Schnellzüge betrifft aber nicht allein die von
Paris herkommendeu, sondern auch andere, wodurch
allein schon hervorgeht, datz di« vor» den Franzosen
angegebene Begründung hinfällig ist. Die Einstel-
lung dieser Luxuszüge war einzig und Mein in dem
Kohlemnangel begründet, der sich seit der Ruhrbeset-
zung durch die Franzosen bei der Eisenbahn von
Tag zu Tag immer fühlbarer macht.
Ein französisches Ultimatum.
Karlsruhe, 5. Febr. Der Kommandeur des
Brückenkopfes Kehl, General M ichel, hat folgendes
Ultimatum an die Eisenbahnbehörde gerichtet:
Wenn die internationalen Züge nicht bis heute.
Momag abend 6.24 Uhr wieder laufen, wird der
gesamte Eisenbahnverkehr nördlich Ap-
penweier abgeschnürl.
Die deutsche Antwort.
Karlsruhe, 5. Febr. Dem Kommandanten
des Brückenkopfes Kehl, General Michel wurde die
Antwort der Reichsregicrung übergeben, die be-
sagt, daß es unmöglich sei, die ststiericn Luxus-
züge zu fahren. ES droht daher die S t i llcg un »
des Eisenbahnverkehrs zwischen Appenweier und
Offenburg.
Die französischen Pläne.
Berlin, 5. Febr. Die gut unterrichtete „Ras-
sische Zeitung" siebt die treibende Kraft bet
der ganzen Aktion in Baden in den exirein mili-
taristischen Kreisen, zu deren Werkzeug sich
Herr Poiucare machen ließ. Sie schreibt: „Seit lan-
gem weiscn diese Kreise darauf bin, das; nach mili-
tärischen Begriffen das
Vorfeld der Festung Straßburg unzureichend
sei. Welche Rolle daneben der Wunsch, den inter-
nationalen Schnellzugsverkehr am Rhein zu kon-
trollieren und zu stören, gespielt hat, kann dahin-
gestellt bleiben."
Achnlicher Auffassung ist die volksparteiftche

verwahrt, das den Dienst nur ohne Eingriffe „Z: i t", die erklärt, „Tie Franzosen haben die Hand
der französischen Soldaten weiter verrichten will, ans eine Wichtige Verkehrsader gelegt, die
Nach 6 Uhr abends dauerten die Verhandlungen noch Mord- und S ü d d e u i s ch l a n d verbindet, und

sie rechnen wahrscheinlich damit, datz sie einen Keil
zwischen Nord- und Süddeutschland
treiben können. Der Vormarsch beweist, datz fran-
zösische Pläne dieser Art nicht reine Hirngespinste
sind."
Ter „Vorwärts" meint, „Diese Schlafwagen-
geschichte mir militärischem Ausgang ist auch nach
der politischen Sei e hin interessant. An ihr sind
nebcnFrankreich auch die Tschechoslowa-
k e t und Polen interessiert, die gegen Deutschland
aufzuputschen offenbar in der französischen Absicht
ltegi Mit demselben „N e ch t", mit dem Frankreich
gestern Offenburg besetzte, können die Tschechen
morgen Dresden, d'c Pole» Breslau be-
setzen. Was ist das für ein Recht und was ist das
für ein Frieden, der solche Möglichkeiten eröffnet!?"
Die Lebensnrittelverforxurrg.
Karlsruhe, 5. Febr. Di« Reichsbahndirer-
tion Karlsruhe hat im Benehmen mit der Rcichs-
eisenbahndirektion Stuttgart veranlaß!, datz die Zu-
fuhr von Lebensmitteln (vor allem Milch) aus dem
badischen Oberland über Immendingen, Calw,
Pforzheim geschehen solle. Durch diese Umleitung
wird vielleicht eine geringe Verzögerung in der Be-
lieferung eiulreten, doch wird diese Tatsache, im Hin-
blick auf eine Sicherstellung der oberländischen Le-
bensmittclzufuhr gern in Kauf genommen werden.
Dte Einstellung des Zugverkehrs zwischen Appen-
weier und Offenburg war für Montag ab abends 18
Uhr vorgesehen.

Die Ruhrbesetzung.
Erweiterts Absperrung des Ruhr-
gebiets.
Essen, 5. Febr. Die französische Absper-
rung des Ruhrgebiets greift jetzt auch auf
das Wuppertal in der Richrung auf Elberfeld-
Barmen weiter und durch Besetzung der Bahnhöfe
von Vohwinkel und H engster ist der Verkehr
der letzten direkten Verbindung Köln-Berlin
unterbroche m Diese Bahnlinie war bisher der
einzige Weg, um die englische besetzte Zone ohne
Berühr-»-«« der französischen zu erreichen. Im Nor-
den ist durch die Besetzung von Dorsten der Verkehr
mir Holland abgesperrt, so das; weder Kohle
nach Holland noch Lebensmittelzüge von dort ins
Ruhrgcbiei hinein können. Die jüngste Ausdehnung
der Besetzung wird verständlich durch die franzö-
sische Ankündigung, wonach in allernächster
Zeit eine »vettere Sperrung der Ausfuhr aus
dem Ruhrgebiet erfolgen soll.
Ein Kind erschossen.
Düsseldorf, 5. Febr. Gestern schotz ein
französischer Korporal in der Vorballe des Bahn-
hofs Bilk ohne einen erkennbaren Anlatz in eine
Anzahl Kinder hinein, wobei ein Kind
schwer verletzt, ein anderes leichter verwundet
wurde. Das schwerverletzte Kind ist kurz darauf
gestorben. Der Kommandeur der Besatzungs-
1rups>e» teilte mit, der Korporal lverde vor ein
Kriegsgericht gestellt werden und bot den El-
tern des erschossenen Kindes eine Entschädigung von
100000 Papiermark (das sind ungefähr 45 Franken!)
an. Der Regierungsprästdent hat die Besatzungs-
behörde darauf hingewiesen, datz das Angebot einer
solchen Entschädigungssmnme ungehörig sei.
Lloyd George über die Ruhrbesetzrmg
London, 5. Febr. Lloyd George, der
von seinem Erholungsaufenthalt t» Spanien in
England wieder eingetroffen ist, berührte in einer
Unterredung kurz die Besetzung dcs Ruhrgebiets und
erklärte sie für einen Akt grober Sinnlosigkeit und
für den sicheren Weg, zu keinen Reparationen zu ge-
langen und der ganzen Welt eine große Unruhe
aufzuerlegen.
Zur Lage.
Düsseldorf, 5. Febr. (Gig. Drahtb.) Regie-
rungspräsident Genosse Grützner machte unserem
Spezialberichterstafter folgende Mitteilungen: Im-
mer wieder werden Requisitionen von den
Truppen vorgenommen, was natürlich tm Ruhr-
gebiet von den schwersten Folgen für die Ernährung
sein kann. Heute erst baben französische Truppen in
Vohwinkel gewaltsam requiriert. M ehl, das nur
in rationierter Form abgegeben wird, wurde von
den Truppen, als der Verkauf verweigert worden
ist, einfach iveggenomrn.cn. Die Lebensmittelversor-
gung wird aber auch durch die Verkehrslage neuer-
dings erschwert. In dieser Beziehung sehen wir
der Zukunft mit Sorge entgegen. Der Fett-
mangel macht sich besonders in Duisburg, Düssel-
dorf-Stadt und -Landkreis nnd in Essen bemerkbar.
Die Versorgung mit Milch z. B. in Düsseldorf ist
katastrophal. Der dortige Landrat meldet, daß
für Säuglinge überhaupt keine Milch zu
bekommen ist. Fletsch ist nur ein Lnxusarii -
k e l und kommt als Nahrungsmittel überhaupt nicht
mehr in Frage. Die Versorgung des Viebs, insbe-
sondere der Pferde, ist ebenfalls schwierig. Die
Arbeitslosenunterstützung soll wesentlich
erhöh! werden. Die Bürgermeister sind angewiesen,
zur Linderung dec Not Notstandsarvcften in gro-
ßem llnrsangc vorzunebmon. Der W > ' c, die gegen-
wärtigen Schwierigkeiten zu überwinden, ist in der
 
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