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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/​1914

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^8

Die Werkstatt der Runst.

XIII, heft 2.

kann. Ls müsse doch schließlich möglich sein, daß ein
Vater mit seinen Rindern durch die Straßen gehen kann,
ohne diesen die Augen verbinden zu müssen. Ls sei unter
allen Umständen ungehörig, ein nacktes weibliches Wesen
in dieser Form auszustellen; wer an einem solchen Schau-
fenster vorübergeht, wisse ja gar nicht, daß das Bild von
Feuerbach ist. Der ssjährige Lehrjunge sehe nur eine
nackte Frauensperson vor sich, deren Anblick seine Sinne
reizt.
Der Staatsanwalt beantragte so Mark Geldstrafe
oder zwei Tage Gefängnis. — Rechtsanwalt Lesser be-
antragte dagegen die Freisprechung und trat der Dar-
stellung des Staatsanwalts über Entstehung und Bedeutung
des tz entgegen. Der Paragraph bestehe seit so Jahren,
die Judikatur darüber erst seit zehn Jahren; zo Jahre
lang habe also die Staatsanwaltschaft, die diesen Para-
graphen zur Verfügung hatte, um die Moral des Volkes
zu konservieren, das Volk in dieser Beziehung verseuchen
lassen. Die Anzeige gehe von einem Mann mit offenbar
schmutziger Phantasie aus. Der Gesetzgeber habe keines-
wegs gesagt, daß alles, was nackt ist, unanständig ist; er
werde sich auch hüten, so etwas zu sagen. Als seinerzeit
der versuch nach dieser Richtung gemacht wurde, sei er
mit Spott und hohn zurückgewiesen worden. Der Gesetz-
geber habe damals mit Recht gesagt: es sei ja Unsinn,
daß alles Nackte, bloß weil es nackt sei, unzüchtig sei. Zu
dem Nackten müsse immer noch etwas hinzukommen. In
diesem Falle hier zeige das herrliche Bild die natürliche
Haltung eines schlafenden Körpers, losgelöst von allen
Begierden, es sei nicht das geringste vorhanden, was über
das Nackte hinausgehe.
Leute mit schmutziger Phantasie
seien nicht „das Volk". Das Volk selbst habe nicht solche
schmutzige Phantasie. Dieses Volk habe es fertiggebracht,
Millionen zufammenzutragen, um das größte Theater, das
dem Volk die Kunst zuführen foll, entstehen zu lassen. Ls
sei nicht wahr, daß das Volk so unanständig sei, daß es
sich seine Moral durch den Anblick eines solchen Bildes
verderben lasse. Aus objektiven und subjektiven Gründen
rechtfertige sich die Freisprechung. — Der Staatsanwalt
beantragte hierauf, als Gegengutachter Prof. Brunner
vom Polizeipräsidium zu laden, der die kinematographische
Zensur ausübe und darüber gutachtlich zu hören sei, ob
das große Straßenpublikum und die Jugend durch den
Anblick solcher Bilder sinnlich gereizt wird, und ob der
Angeklagte sich dessen bewußt gewesen sein muß. — Nach
längerer Beratung entsprach das Gericht diesem Anträge
und beschloß, zu dem nächsten Termin außer den heute
Geladenen noch Prof. Brunner zu laden.
Ueber das Goethe-enkmal für» Lhikago wird der
„Täglichen Rundschau" geschrieben:
Der Schwabenverein in Lhikago, dem die Stadt
auch ein Schillerdenkmal zu verdanken hat, ging vor
einigen Jahren daran, auch Goethe ein würdiges Denk-
mal zu errichten. Durch die Rührigkeit des Denkmal-
komitees und seines energischen Präsidenten Harry Rubens,
eines der bekanntesten und angesehensten Deutschamerikaner
in Lhikago, konnte an die Ausführung des Gedankens ge-
schritten werden. Das Denkmal ist aus einem beschränkten
Wettbewerb hervorgegangen, an dem sich neun der be-
kanntesten Künstler der alten und der neuen Welt beteiligten.
Durch einstimmigen Beschluß der Jury wurde der Ent-
wurf des Prof. Hahn in München mit dem ersten Preis
ausgezeichnet und von dem Denkmalkomitee in Lhikago
zur Ausführung angenommen.
Die Hauptfigur des Denkmals, die mit dem Sockel
etwa 9 m hoch wird, ist nunmehr vollendet und war
Gegenstand einer Besichtigung in der Königlichen Erz-
gießerei in München. Zu der Besichtigung hatten sich
der Prinzregent Ludwig und Prinz Alfons mit den
Staatsministern v. Knilling und v. Breunich, hervorragende
Vertreter von Kunst und Wissenschaft, der Direktor der
Kunstakademie Exzellenz v. Miller, Prof. v. Thiersch, Prof.

Franz v. Stuck und andere eingefunden. Das Kunstwerk
machte in der mit Grün stimmungsvoll ausgeschmückten Halle
einen überwältigenden Eindruck. Gemäß dem Ausschreiben
hatte der Künstler keine Porträtstatue, sondern ein dem
Genius und der Bedeutung Goethes entsprechendes Kunst-
werk geschaffen. Eine gewaltige, schöne Jünglingsfigur,
nur mit einem leichten Ueberwurf bekleidet, stützt den
rechten Fuß auf einen Felsblock. Auf dem Knie hat sich
ein Adler niedergelassen, der mit stolzer Ruhe in die Ferne
schaut, vor der Statue war ein Lorbeerkranz mit den
deutschen, bayerischen und amerikanischen Farben nieder-
gelegt.
Ueber Adolf Wilhelm Tieinr lesen wir in der
„Täglichen Rundschau":
Am 5. September d. I. schied zu München ein Mann
aus dem Leben, dessen Tätigkeit weit über die Grenzen
seiner Vaterstadt von großer, man kann ruhig sagen,
von kultureller Bedeutung war. Adolf Wilhelm Keim
hat seine ganze rastlose Tätigkeit in den Dienst einer Idee
gestellt, nämlich den Schöpfungen der Malerei, einerlei, ob
Kunst oder Kunsthandwerk, eine möglichst lange Lebens-
dauer zu sichern und damit auch noch kommenden Gene-
rationen den gleichen Genuß an den Schöpfungen unserer
Tage zu verschaffen, wie wir ihn an den Werken der
Alten haben.
Die Beobachtung, daß nicht nur die Freskomalereien
unserer Zeit, daß auch unsere Gelgemälde einem inneren
Zerstörungsprozeß unterliegen, trieb Keim an, den Ursachen
dieser Zersetzung nachzugehen; mancherlei Gründe sanden
sich. So die Verwendung von Farben, die an sich nicht
haltbar waren, wie sehr viele der Anilinfarben, deren
giftig leuchtende Schönheit oft schon nach Monaten zu ver-
blassen begann. Auch das Bestreben, möglichst billige
Farben auf den Markt zu werfen, zeitigte manche Sünden
hinsichtlich ihrer Haltbarkeit. Und noch eine wichtige Be-
obachtung konnte Keim machen: die Unkenntnis der Maler
betreffs der Zusammensetzung der Farben verleitete sie oft,
an sich gute und haltbare Farben neben- und unterein-
ander zu verwenden, deren chemische Bestandteile sich gegen-
seitig zerstören mußten, hier setzte Keim ein: er gründete
ein chemisch-technisches Laboratorium, das später vom Staate
übernommen und der technischen Hochschule angegliedert
wurde; auf seine Anregung trat eine Reihe von inter-
essierten Männern, unter denen sich viele Namen von
Klang in der Malerei befanden, zur „Deutschen Gesellschaft
zur Förderung rationeller Malverfahren" zusammen. Auf
Vorarbeiten von Keim beruht das „Deutsche Farbenbuch",
das demnächst die obengenannte Gesellschaft in Verbindung
mit dem „Deutschen Werkbunde" herausgeben wird.
Keims Tätigkeit ist damit noch nicht erschöpft; auch
der Freskomalerei wandte er seine Aufmerksamkeit zu.
hier sind die Gründe für eine geringere Haltbarkeit anders
geartet. Die vollständig andere Zusammensetzung unserer
Luft, der durch Bahnhöfe und Fabriken eine Menge Schwefel-
wasserstoff zugeführt wird, dem felbst der Stein nicht wider-
stehen kann (man denke an die Ergebnisse der Untersuchung
der Schmuckstücke des Kölner Doms), bewirkt hier ein
rasches Schwinden unserer Malereien ul tresco; hiergegen
erfand Keim die nach ihm benannten Mineralfarben, die
sich feit etwa zwanzig Jahren glänzend bewährt haben.
Ebenso sei hier die Tatsache erwähnt, daß er ein Verfahren
erfunden hat, das es ermöglicht, Fresken in dem Zustande,
in dem sie sich befinden, von der Mauer abzunehmen, ohne
die Mauer ganz oder teilweise mitabnehmen zu müssen;
ja, durch das Keimsche Verfahren ist es sogar möglich ge-
worden, solche Fresken auf andere wände übertragen zu
können. Ebenso hat er angegeben, wie schon der Zerstörung
anheimgefallene Fresken, d. h. solche, die bereits abzu-
bröckeln beginnen, wieder fixiert und dadurch vor weiterem
Verfall bewahrt werden können.
Im „Generalanzeiger für Frankfurt a. M."
lesen wir: Die „Aunftftadt" Frankfurt, seit einigen
 
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