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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 13.1913/​1914

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Rheinstrom: Steuern und Kunst
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XIII, Heft 13.

Die Werkstatt der Kunst.

über, wie sie ihr in dieser Schwere, seit das Reich
steht, nach den Worten ihres Leiters, des Schatz-
sekretärs Rühn, nie gestellt worden ist. „Auch die
umfangreichste der Heeresvorlagen der letzten HOZahre
erforderte bei den fortlaufenden Ausgaben nur
einen Bruchteil von dem jetzigen Betrage; und wenn
man die einmaligen Ausgaben sämtlicher Vor-
lagen aus dieser Zeit zusammenrechnet, so reichen
sie noch lange nicht an eine Milliarde heran . .
Die Aufgabe ist heute gelöst. An der Art ihrer
Lösung ist vom finanzpolitischen Standpunkt gesehen
das erfreulichste Moment, daß die Rosten durch
direkte Reichssteuern vom Besitz aufgebracht werden.
Der „einmalige außerordentliche" Wehrbeitrag soll
rund eine Milliarde bringen, zu welcher die Besitzer
von Vermögen über M. WOOO — 880 Millionen,
die Bezieher von Einkommen über M. 5000 —
80 Millionen und die Aktiengesellschaften HO Mil-
lionen beisteuern sollen. Für die laufenden Aus-
gaben soll das „Besitzsteuergesetz" Deckung bringen
durch eine Abgabe vom Vermögenszuwachs.
Treffen veranlagungstechnisch beide Steuerformen
auch nur Rreise, die ein bestimmtes Minimalmaß
von Leistungsfähigkeit besitzen, so ist doch nicht
weniger wahr ein Wort, das der Schatzsekretär
kurz vor Abschluß des Gesetzgebungswerkes im
Reichstag sprach:
„Die Last, die die deutsche Nation jetzt auf sich
nehmen will, ist eine ungeheure, und sie wird
von jedem ihrer Glieder gefühlt werden,
gleichviel, ob der einzelne zu einer Steuer
direkt herangezogen wird oder nicht."
Zu den Gliedern der deutschen Nation, die nicht
nur die unmittelbaren Wirkungen dieser Steuer,
sondern vor allem auch die allgemeinen wirtschaft-
lichen Folgeerscheinungen der starken Belastung des
deutschen Volksvermögens mit am meisten fühlen
werden, gehören die Rünstler.
Nur wenige Rünstler werden mit erheblichen
Beträgen selbst zum Wehrbeitrag von Vermögen
herangezogen werden; die größten in ihrem Eigen-
tum stehenden Werte erschöpfen sich vielfach im
Arbeitsmaterial, das jedoch durch K 7 des Wehr-
beitragsgesetzes frei belassen wurde. Nur einigen
Auserwählten gelingt es heute noch, Reichtümer zu
sammeln; im allgemeinen ist die wirtschaftliche Lage
der Rünstler alles eher denn gesichert. Und damit
ist es in den letzten Zähren noch schlimmer ge-
worden: Die Ungunst der Zeiten, die Teuerung
— alles das trifft den Rünstler nicht nur dadurch,
daß seine Schaffenskraft und -Lust gemindert wird.
Gerade der gebildete Mittelstand, dem ein großer
Teil der Räufer auf dem Runstmarkt angehört,
muß sich unter dem Druck der Verhältnisse Zurück-
haltung auferlegen. Nahrung, Rleidung und Woh-
nung können nicht unter eine bestimmte Minimal-
grenze gedrückt werden, da spart man eben notge-
drungen an den Ausgaben für das Behagen des
Lebens. Zeder Buchhändler wird bestätigen, daß

das Weihnachtsgeschäft, diese Hauptzeit des Bücher-
marktes, in den letzten Zähren immer schlechter ge-
worden ist. Und so geht es all den Erwerbszweigen,
die angewiesen sind auf den Umsatz von nicht ge-
radezu unentbehrlichen Gegenständen und Waren.
War also bisher durch die allgemeine Ungunst
schon der Mittelstand in seiner Raufkraft ge-
schwächt worden, so werden auch die wohlhaben-
den Rreise der Nation bei den starken, in der
Volkswirtschaft bisher nicht erhörten steuerlichen
Belastungen der kommenden Zahre zweifellos be-
müht sein, da neue oder erhöhte Einnahmen
nur sehr schwer zu schaffen sind, das Ausgabe-
budget zu entlasten. Bei dieser Entlastung wird
naturgemäß mit den Richtest zu vermeidenden Aus-
gaben begonnen, und so wird es wahrscheinlich da-
hin kommen, daß das Zahr 19 sH für den Runst-
markt schwere Erschütterungen mit sich bringt. Diese
Erschütterungen treffen neben dem Runsthandel und
dem Runstgewerbe vor allem die bildenden Rünstler
selbst.
Und da ist vielleicht angesichts des Uebereifers
mancher Veranlagungsorgane ein Warnungsruf am
Hlatz, wenn die deutsche Rrlnst nicht Schaden leiden
soll. Man wird es verständlich finden, wenn dieser
Warnungsruf aus dem Rönigreich kommt, das
gleichzeitig die besten künstlerischen Traditionen und
das wenigst eingelebte Steuersystem besitzt, aus
Bayern.
Bayern hat, wie den Lesern dieser Zeitung be-
kannt ist, eine Steuerreform erst wenige Zahre
hinter sich, die an Stelle eines Teiles der alten
Bruttoertragssteuern die allgemeine progressive Ein-
kommensteuer als Hauptsteuer setzte. Der Ersatz
des Restes der Lrtragssteuern durch die in den
meisten andern Staaten schon bestehende Vermögens-
oder Lrgänzungssteuer steht uns in den nächsten
Zähren bevor. Die Durchführung dieses letzten
Teiles der Reform wird durch die Veranlagung
zum Wehrbeitrag wesentlich erleichtert werden.
Unter dem früheren Steuerrecht wurde der
Rünstler wie alle andern freien Berufe nur zu der
Spezialeinkommensteuer herangezogen, die das Er-
trägnis seiner Tätigkeit mit sehr mäßigen Sätzen
belastete.
Die Reform brachte wie für die übrigen bisher
nur spezialeinkommensteuerpflichtigen Rreise auch für
den Rünstler eine wesentliche Erhöhung. „Reformen"
gehen in Deutschland nie ohne Erhöhungen ab.
Znhalt und Vollzug der neuen bayerischen Steuer-
gesetze haben manche Anfechtung erfahren müssen;
in den Tagen, da ich diese Zeilen niederschreibe,
durchtobt wieder eine „Steuerinterpellation" den
Halbmondsaal der Hrannerstraße.
Gegen einen ordnungsmäßigen und das Znte-
resse des Staates wahrenden Vollzug wird verstän-
digerweise niemand etwas einzuwenden haben; aber
es haben sich doch — was bei einem neuen Rechte
ja ganz natürlich ist — auch erhebliche Mißstände
 
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