Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

DOI issue:
Heft 3
DOI article:
Haeseler, Rudolf: Die historische Entwicklung der im Seekriege gebräuchlichen Waffen bis 1870, [3]
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0090

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
74

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band

entscheidende Wirkung erzielte. Es war dies in
dem Gefecht, in welchem die „Serapis“ genommen
wurde, 1779. Eine Handgranate des Feindes fiel
auf einen Haufen Munition und verursachte eine
Explosion, welche die Gefechtsfähigkeit des Schif-
fes beeinträchtigte. In der französischen Marine
scheinen Handgranaten noch bis in das neunzehnte
Jahrhundert hinein gebraucht worden zu sein. Die
bis vor kurzem noch vorkommende Bezeichnung
gewisser Deute als gabiers2), grenadiers deutet
darauf hin.
Vor Erfindung der Sprenggeschosse werden
glühende Kugeln in der Seckriegsgeschichte
wiederholt erwähnt. Das Glühen der Kugeln er-
forderte Zeit und einen Glühofen, welcher schwer
an Bord unterzubringen war. Es ist zwar in ver-
einzelten Fällen vorgekommen, dass von einem
Schiffe aus mit glühenden Kugeln geschossen wor-
den ist, sonst aber wurden diese Geschosse in der
Regel nur vom Lande aus gegen Schiffe benutzt.
Im Gefecht bei Eckernförde schossen sie das Linien-
schiff Christian VIII. in Brand. —
Im achtzehnten Jahrhundert wurde eine Reihe
von Verbesserungen der Schiffsarmierung durch-
geführt. Die unteren Batterien der Linienschiffe


Big- 1. Schiffsgcsehützrohr aus dem Anfang des 18. Jahrh.
(Nach: Clowes, the royal navy.)

wurden höher gelegt. Die schwersten Kanonen
konnten demnach bei Wind und Seegang länger
gebraucht werden als früher. Der Zweiundvierzig-
pfiinder wurde nur noch auf Schiffen erster Klasse
gefahren. Die anderen Linienschiffe führten als
schwerstes Geschütz den Zweiunddreissigpfünder.
Die Geschütze der übrigen Batterien waren Acht-
zehn- und Zwölfpfünder. Fregatten hatten in der
Batterie durchgängig Achtzehnpfünder, kleinere I
Fregatten auch Neun- oder Zwölfpfünder. Die Ge-
schütze waren innerhalb der einzelnen Batterien :
gleich, hatten also auch gleiche Pulverladungen.
Nach Einschränkung des Spielraumes der Ge-
schosse wurde weiter und genauer geschossen als
bisher.
Gegen Ende des Jahrhunderts bediente man
sich der Steinschlösser zum Abfeuern der Kano-
nen. Die Lunte wurde jedoch als Reservezünder
nebenbei bereit gehalten.
Das Manöverieren mit der Schlachtlinie wurde
zur höchsten Vollkommenheit, gebracht, welches
aber viel Zeit vor Eröffnung einer Seeschlacht
dieser Periode wegnahm. Die Kommendanten ver-
2) g. heisst Takler und damit ist ein Matrose gemeint,
der seine Gefechtsstation in der Takelage hat.

loren dabei viel von ihrer bisherigen Selbständigkeit
und Initiative. Das Verlassen der Schlachtlinie wurde
ein Verbrechen, welches in manchen Fällen härter
bestraft worden ist, als der Verlust einer Schlacht.
So wurde nach der Schlacht bei Toulon 1744 der
dort kommandierende Admiral Mattheus kassiert,
weil er seine eigene Schlachtlinie verlassen hatte,
um näher an den Feind zu gehen, nachdem der
Befehl zum Nahekampf von der Mehrzahl seiner
Untergebenen nicht befolgt worden war. In der
Schlacht hatte er gesiegt, d. h. der Feind war
zurückgegangen, wenn auch nur mit Verlust eines
Schiffes. Der Wunsch, die Schlachtlinie intakt zu
halten, die Übersicht der Admirale über die ihnen
unterstellten Flotten nicht zu beeinträchtigen, sowie
auch die grösser gewordenen Schussweiten der Ge-
schütze führte dazu, vielfach auf grössere Entfer-
nungen als bisher zu kämpfen. Viele Seeschlach-
ten blieben aber nun zwecklos, weil der geschlagene
Feind sich zurückziehen konnte, ohne erhebliche
Verluste an Schiffen erlitten zu haben.
Erst später wurde anerkannt, dass die Ent-
scheidung nur im allernächsten Nahekampf her-
beigeführt werden kann. Im Gegensatz zu den
Schlachten bei Toulon und Barfleur, bei welchen
die Sieger keine Schiffe nahmen, wurde in den
späteren im Nahekampf geschlagenen Schlachten
bei Abukir und Trafalgar die französische Flotte
vollkommen vernichtet. Von den wenigen fran-
zösischen Schiffen, welche aus der Schlacht ent-
kamen, erreichte in beiden Fällen nicht ein
einziges einen heimatlichen Hafen wieder. Die
grossen Erfolge, welche die Engländer im Nahe-
kampf um die Mitte des Jahrhunderts gehabt hatten,
führte dazu, dass bei Armierung der Schiffe die
Mittel des Fernkampfes vernachlässigt wurden.
Man beachtete nicht, dass der Nahekampf gegen
den Willen des Gegners nur herbeigeführt werden
kann, wenn man über grössere Schnelligkeit ver-
fügt. Geschütze wurden auf Kosten ihrer Schuss-
weite erleichtert und verkürzt. Sie erhielten immer
noch keine Zielvorrichtung. Die Ausbildung der
Mannschaft im Schiessen wurde vernachlässigt und
nur noch auf sehr schnelles Laden und Abfeuern
gehalten. Man nahm an, dass man im Gefecht,
bei welchem sich die grossen gegnerischen Schiffe
häufig berührten, nicht leicht vorbeischiessen
könne, während die Erfahrung gezeigt hatte, dass
man durch überwältigendes Feuer die feindliche
Mannschaft aus ihren Batterien vertreiben konnte.
Das Feuer wurde in der Regel nur auf Pistolen-
schussweite eröffnet. Das besiegte Schiff wurde
dann meist genommen, da ein Rückzug aus un-
mittelbarer Nähe des Feindes sehr schwer war.
Eine für das Nahegefecht besonders kon-
struierte Waffe war die Kar r o na d e, welche zu-
erst 1779 auftrat. Es war dieses ein sehr leichtes,
kurzes Geschütz, von grossem Kaliber, welches mit
kleiner Ladung ein grosses Geschoss auf kurze Ent-
 
Annotationen