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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 3
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Haeseler, Rudolf: Die historische Entwicklung der im Seekriege gebräuchlichen Waffen bis 1870, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0091

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3- Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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fernungen schoss. Die erste Karronade war nicht
länger wie ein Vierpfünder, wog nicht mehr wie
ein Achtzehnpfünder und schoss eine achtundsech-
zigpfündige Vollkugel. Späterhin machte man die
Erfahrung, dass die Schiessresultate mit einer Hohl-
kugel besser waren als mit Vollkugeln, es wurden
also aus den Karronaden ungeladene Hohlkugeln
gefeuert.
Übrigens wurden Karronaden in allen Grössen,
von zwölf bis zu achtundsechzigpfündigem Kali-
ber angefertigt. Anfänglich werden sie überzählig
an Bord mitgegeben, so z. B. führte ein Hundert-
kanonenschiff 1780 hundert Kanonen und zehn Kar-
ronaden, ein Vierundsechzigkanonenschiff vierund-
sechzig Kanonen und acht Karronaden. Späterhin
wurden die leichteren Kanonen durch Karronaden
ersetzt. Ausnahmsweise wurden grössere und häu-
fig, sogar in der Regel kleinere S'chiffsarten nur
mit Karronaden armiert.
In dem Seekriege mit den Vereinigten Staaten
1812—1815 musste die englische Flotte die Er-
fahrung machen, dass wenn die Entscheidung auch
nur im Nahekampf zu suchen ist, es verhängnisvoll
werden kann, die Mittel des Fernkampfes zu ver-
nachlässigen. Die Amerikaner bauten Fregatten,
welche schneller und grösser als diejenigen ihrer
Gegner waren und bewaffneten diese mit schwe-
ren, weittragenden Geschützen. In ihren vielen Ein-
zelkämpfen mit den Engländern wurde die Wider-
standskraft des Feindes mit einem gut gezielten
Geschützfeuer aus der Ferne gebrochen und dann
im Nahekampf die Entscheidung herbeigeführt. Im
ganzen Kriege wurde nur eine einzige amerikanische
Fregatte, die Chesaspeake, von der englischen Fre-
gatte Shannon im Einzelkampfe genommen. In
diesem Falle hatte der englische Kommandant nicht
nur jahrelang seine Mannschaft im Schiessen ge-
übt, sondern auch die Kanonen mit Zielvorrichtun-
gen versehen lassen. Der Amerikaner dagegen
hatte eine ganz neue ungeübte Besatzung und liess
sich auch unvorsichtigerweise ohne weiteres auf
den Nahekampf ein. Er wurde schliesslich durch
Enterung genommen.
Die Entwickelung der Schiffe und der Schiffs-
artillerie ging, im neunzehnten Jahrhundert mit

raschen Sprüngen vorwärts. Zunächst erreichten
die Segelkriegsschiffe mit glatten Vorderladekano-
nen bis zum ersten Drittel des Jahrhunderts ihre
grösste Leistungsfähigkeit, um dann in weiteren
dreissig Jahren endgültig aus der Liste der kriegs-
brauchbaren Schiffe aller Länder zu verschwinden.
In der Seeschlacht bei Navarin 1827 kämpften zum
letzten Male Flotten, bestehend ausschliesslich aus
Segelschiffen mit glatten Kanonen miteinander.
Bei dieser Gelegenheit waren auf türkischer Seite
noch fünf Brander vorhanden.
Man fing ferner an, Linienschiffe mit Kanonen
einheitlichen Kalibers zu armieren, indem man die
unteren Batterien mit langen schweren, die oberen
mit kurzen leichten Rohren desselben Kalibers be-


Fig. 2. Schloss mit Perkussionsschlagrohr.
(Getreue Nachbildung im Besitz des Verfassers.)

setzte. Die unteren Batterien erhielten eine aus-
reichende Höhe über Wasser. Der Zweiunddreissig-
pfünder wurde als schwerstes Geschütz geführt.
Zum Abfeuern der Kanonen kamen Schlösser mit
Perkussionsschlagrohr in Gebrauch (Fig. 2). Fregatten
erhielten auf Grund der Erfahrungen des Krieges
von 1812 eine vermehrte Anzahl schwerer Ge-
schütze. Während bis dahin die Fregattenarmierung
in der Regel aus nicht mehr wie 36 Achtzehn-
pfündern bestand, hatten nunmehr derartige Schiffe
häufig eine Armierung von 44 bis 50 Vierund-
zwanzigpfündern. Kleinere Schiffe wurden auch
dementsprechend schwerer armiert-.
(Schluss folgt.)
 
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