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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 4
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Röder, Ernst: Aus der Waffensammlung des Germanischen Nationalmuseums
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0117

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4. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

IOI

konischen Form der Seele demselben Zweck,
den Oberst Thierbach am Schluss der vorhin
citierten Stelle angiebt. Von 75,25 mm vor der Mün-
dung erweitert sich die Seele trichterförmig bis zum
Mundfries und in diesem noch einmal. Ferner ragt
die Seele nicht bis zum oberen Ende der Schafthülse
herab, sondern bleibt noch ein gutes Stück davon
ab. Dagegen ragt die Bohrung dieser Hülse noch
etwas in den stärksten Teil der Büchse hinein.
Was das Äussere betrifft, so möchte ich zu-
nächst konstatieren, dass der mittlere, starke Teil
absolut parallel laufende Wände hat und
nicht sich gegeneinander neigende. Ferner ist die
Schafthülse um ein Beträchtliches kürzer als die
anderen Abbildungen zeigen. Das Zündloch be-
schreibt Thierbach richtig. Kleinere andere Ab-
weichungen sind unwichtig und übergehe ich daher.
Um nun die Bedeutung dieser Verschieden-
heiten würdigen zu können, ist es notwendig, die
Angriffsgründe gegen die Tannenberger Büchse
kennen zu lernen. In dem schon öfter erwähnten
Aufsatze des Generals Köhler22) sagt dieser:
„Wenn ich daher der Dresdner Büchse des Mu-
seums eine hohe Bedeutung beimesse und ihr den
Vorrang vor den aus dem 14. Jahrhundert über-
kommenen Büchsen zuweise, so muss ich dagegen
das Alter der Tannenberger Büchse des Museums
bedeutend herabsetzen, weil sie sich nach der Mün-
dung hin verjüngt und ein ungewöhnlich starkes
Bodenstück mit Kammer hat.“ Er weist sodann
nach, dass alle Büchsen des 14. Jahrhunderts so-
wie die beiden Zittauer Büchsen23) keine Kammern
haben. Auch auf einer Darstellung des cod. 141
der k. k. Ambraser Sammlung, jetzt cod. 34 der
kunsthistorischen Sammlungen des österreichischen
Kaiserhauses, der dem Jahre 1410 zugeschrieben
wird, verjünge sich eine dargestellte Büchse nicht
gegen die Mündung zu. Dann fährt Köhler fort:
,,Alle diese Büchsen haben keine Kammern, wie die
Tannenberger Büchse des Germanischen Museums
sie hat, verjüngen sich auch nicht nach vorn. Da-
zu kommt, dass diese im übrigen intakte Büchse
auch nicht mit den Fragmenten von Büchsen in
Übereinstimmung zu bringen ist, die sich im Schutt
der Burg gefunden haben, so dass es scheint, als
ob fragliche Büchse, welche in der Cisterne ge-
funden ist, zu einer späteren Zeit in dieselbe gefallen
ist. Die Kommission bei Ausgrabung der Burg
erklärte das hintere Ende einer messingen- Büchse,
das sich fand, als Teil einer ähnlichen Büchse wie
die intakte („Die Burg Tannenberg und ihre Aus-
grabungen.“ Frankfurt a. M. 1850S.89). Aber ob-
gleich von geringerem äusserem Durchmesser als
der entsprechende Teil der letzteren, hat es eine
weitere Seele (Anm. ca. 20 mm) als diese, hat also
gar nichts mit ihr gemein, da sie sich nach vorne
verjüngt.“
22) Mitteilungen 1887. S. 49.
23) Im städtischen Museum zu Zittau.

So lauten die Gründe gegen das Alter der
Tannenberger Büchse.
Wenn wir nun diese Angriffspunkte mit der
richtigen Gestalt der Büchse Zusammenhalten, so
ergiebt sich Folgendes:
Der Hauptgrund, dass eine Kammer vor-
handen sei, zerfällt in sich selbst, weil
überhaupt keine solche vorhanden ist. Ich möchte
aber dagegen in Figur 5 die Darstellung der von
General Köhler anerkannten Dresdner Büchse in
einem Längendurchschnitt bringen. Beim Vergleich
der Seelen der beiden Büchsen zeigt sich, dass
beide eine kurz vor der Mündung beginnende trich-
terförmige Erweiterung gegen diese hin haben. Von,
da nach abwärts verengen sich beide langsam bis
zum Verengerungsring, der natürlich bei der Tan-
nenberger Büchse, die ja aus Bronze ist und gegen
die ältere Dresdner einen Fortschritt bedeutet,
schon etwas ausgeprägter hervortritt, was wohl
auch ein Beweis mit für meine Ansicht ist, dass
dieser Verengerungsring der Vorläufer der Kammer
sei. Hinter der Verengerung setzt sich dann bei
beiden Büchsen die langsam enger werdende Seele
bis zum Stossboden fort.


Längendurchschnitt der Dresdner Büchse.

Wir finden also bei beiden dasselbe
Prinzip in der Konstruktion der Seele,
unddiesesdürftedochweitmassgeben-
der sein als die äussere Form.
Was diese anbetrifft, führt General Köhler
jene Abbildung des cod. 34 der kunsthistorischen
Sammlungen des A. H. Kaiserhauses und die Ähn-
lichkeit der bronzenen Zittauer Büchse mit dieser Ab-
bildung ins Treffen. Was ich von den Abbildungen
der Bilderhandschriften dieser Zeit halte, habe ich
schon vorn mitgeteilt, und ich würde mir nicht
getrauen, aus dieser Abbildung zu unterscheiden,
ob jene der Zittauer oder der Tannenberger Büchse
ähnlicher sei. Wären mehrere Handschriften mit
der gleichen Darstellung der Büchse vorhanden und
alle aus der gleichen Zeit, dann liesse sich mög-
licherweise das als historischer Beweis ansehen. Bei
den wenigen auf uns überkommenen Feuerwaffen,
grossen wie kleinen, und den wenigen Plandschrif-
fen aus dieser Zeit müssen wir doch bedenken,
was für ein verschwindend kleiner Bruchteil des
einst Gewesenen das ist. Und darum lässt sich
bei Feuerwaffen, meiner Ansicht nach, vorläufig
noch nicht behaupten, vor dem und dem Jahre gab
es eine sich verjüngende Form noch nicht, wir
können höchstens sagen, wir haben vor dem und
 
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