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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 4
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Potier, Othmar: Die Rüstkammer der Stadt Emden, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0119

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4. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

103

Waffen, von denen später freiwillig, trotz hoher
Strafen, nur sehr wenig wieder abgeliefert wurden.
Nach einer im Oktober 1772 erfolgten Auf-
nahme, in welcher zwischen brauchbaren und alt-
modischen Stücken unterschieden wurde, enthielt
damals die Rüstkammer :
Gruppe A:
419, zun) Teil mit Bajonetten versehene Flinten, to Mus-
quetons, jo Drehbassen, 48 Bajonette, 35 Patronentaschen,
5 Kanonen.
Gruppe B:
146 kostbare, alte, mit Elfenbein eingelegte Musquetons :
mit deutschen Schlössern, 2 mit Silber eingelegte Musquetons,
11 überaus lange Musquetten mit deutschen Schlössern, 349 I
Musquetten mit Luntenschlössern, 35 Musquetten mit deut-
schen Schlössern, 469 . Musquettengabeln, 88 Pistolen mit
deutschen Schlössern,' 36 grosse Schlachtschwerter, 74 Säbel
und Degen, 14 Bajonette mit hölzernen Heften, 81 Hellebar-
den, 34 Piken, 17 Partisanen, Spontons, 6 völlige Harnische
mit Hauben, 49 ditto ohne Hauben, 114 Kürasse, 27 Ring-
kragen, 154 Sturmhauben, 10 Schilde, 13 Sturmflegel, 7 Mor-
gensterne, 1 Menschenfasser, 14 Enterbeile, 18 Gussformen
für Kugeln, 2 Pauken, 11 Trommeln, ferner eine grosse Par-
tie Lunten, eine Kiste mit Kugeln, endlich mehrere Blasinstru-
mente; Fahnen, Laternen u. dgl.

1. die oben auf dem Rathause befindliche Rüstkammer
ein privates Eigentum der Stadt ist und unter unmittelbarer
Aufsicht und Direction des Magistrates steht; 2. dass aber
diese Sammlung von Waffen grösstenteils aus unbrauchbaren
Antiquitäten besteht, welche man den Fremden als Rest vor-
iger Kriegs-Apparate und Instrumenten zu zeigen pflegt.
3. Unter diesem Vorrat befinden sich 384 Feuergewehre, wo-
von aber nur 100 Stück zum Gebrauch imstande sich befin-
den, die übrigen aber alt, sehr schwer und defekt sind, welche
von der Bürger-Kompagnie zur Zeit, wenn sic Wacht oder
sonsten in vorfallenden unruhigen Auftritten Dienste thun
müssen, gebraucht , werden. Da nun 4. die Bürgerschaft in
4 Regimenter, diese in 21 Kompagnien, jede mit Kapitän,
Leutnant und Fähnrich versehen, eingeteilt ist, welche, nach
einer bestehenden Wachtordnung in Eid und Pflicht ihren
4 Ivolonels untergeordnet, zu Wachtdiensten bei Tag und
Nacht verbunden sind, welche Einrichtung die jetzige Regie-
rung bestätigt hat, und welche wohl auch nicht ohne Besorg-
nis für Unruhen zu trennen sein wird, da man alsdann nie-
manden in vorkommenden unruhigen Auftritten und Feuers-
oder anderer Gefahr zur persönlichen Assistenz würde zwingen
und obligiert machen können, und dass ferner bei solchen
Gelegenheiten eine Partie Waffen unentbehrlich ist, die Ruhe
zu erhalten, die Bürgerschaft aber solche Waffenstücke in
ihren Wohnungen nicht selbst besitzt, wenn man äusserst
wenige Begüterte etwa ausnimmt, und es auch sehr gut ist,
dass der gemeine Mann nicht, wenn er will, zu den Waffen

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0.


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Eine 30 Jahre später angeordnete Inventari-
sierung ergab eine Verminderung der Radschloss1
büchsen um 26, der Drehbassen um 8 Stücke.
Als Emden unter holländische Herrschaft ge-
kommen war, erfloss unter dem 14. September 1809
ein Reskript des holländischen Kriegsministeriums,
worin der Wille des Königs ausgesprochen wurde,
an keinem Orte künftig städtische Arsenale dulden
zu wollen. Daraufhin forderte der Landdrost von
Ostfriesland einen Bericht vom Magistrate der Stadt
Emden über die Rüstkammer ein. Die Antwort des
Bürgermeisters Rösingh sei in ihrem Hauptinhalte
hier wiedergegeben, weil sie für den damaligen Cha-
rakter der Rüstkammer von Wert ist und die Fort-
dauer der Kriegsverfassung der Stadt offiziell be-
urkundet. Der Bürgermeister weist darauf hin,
dass

greifen kann, so werden die Anzahl brauchbarer Gewehre als-
dann ausgegeben und nach gehabtem Gebrauche wieder ein-
geliefert, und ist aus der Anzahl brauchbarer Flinten, die wir
zu höchstens 100 Stück angegeben haben, ebenfalls zu er-
sehen, dass wir selbst im Notfall nur 2 Bürger-Kompagnien,
im Durchschnitt zu 50 Mann gerechnet, wehrbar bewaffnen
könnten, welches unseres Bedenkens aber so gut als nichts
ist, wenn es zu ernsthaften Vorfällen kommen sollte, was Gott
verhüten möge. Aus diesem Berichte werden Euer Wohlge-
boren genugsam den wehrlosen Zustand des Stadt-Arsenals
ersehen u. s. w.
Dieses Schreiben scheint auch thatsächlich alle
Besorgnis der holländischen Machthaber bezüglich
der Gefährlichkeit der Rüstkammer zerstreut zu
.haben, denn es erfolgten keine weiteren Schritte
gegen dieselbe. Zum letzten Male wurden in Kriegs-
zeiten im Winter 1813/14 der Rüstkammer Waffen
entführt.
 
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