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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 12
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von Schubert, Soldern, Fortunat: Celt und Framea: eine Revision der Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0358

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342

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

III. Band.

stere lag bei dem sehr minderwertigen Eisenmaterial
der germanischen und gallischen Frühzeit, letztere
bei dem spröden Bronzematerial ungemein nahe.
Wie sehr man sich aber selbst bei den Griechen
der klassischen Zeit der Gefahr des Unbrauchbar-
werdens der Speerspitze und der dadurch bedingten
Wehrlosigkeit des Kriegers bewusst war, das geht
aus einer Stelle des Herakles des Euripides,
V. 190—198, hervor, die ich hier in der Über-
setzung von Willamowitz-Möllendorf wiedergebe.
Der Lanzenkämpfer ist der Waffe Sklave,
Wenn ihm die Spitze bricht, so ist er wehrlos,
Denn eine Waffe nur verteidigt ihn.

Dagegen, wessen Hand den Bogen führt,
Der hat den Vorzug und das ist der grösste,
Auch wenn er tausend Schüsse schon getan,
So fehlt ihm nicht die Waffe, sich zu wehren.
Eine spitze Klinge also war für die Framea,
die nicht bloss als Wurf-, sondern auch als Hand-
waffe dienen sollte, unpraktisch; die Meisseiklinge
war zuverlässiger und garantierte eine längere Ver-
wendbarkeit. Aber selbst abgesehen hiervon, scheint
mir die Ansicht Lindenschmits den thatsächlichen
Verhältnissen in keiner Weise Rechnung zu tragen,
denn einerseits ist die gerade Schäftung der Celt-
klingen durch Gräberfunde ausser jeden Zweifel
gesetzt, andererseits liegt es in der Natur der
Sache, dass für die Germanen, solange sie nur
untereinander oder mit Gegnern zu kämpfen hatten,
deren Bewaffung der ihrigen nicht wesentlich über-
legen war (ausgleichend musste hier ja auch ihre
überlegene Körperkraft wirken), kein Grund vorlag,
zu einer Veränderung ihrer Bewaffnung zu schreiten.
Nur die Furcht vor Schaden, nur die Konkurrenz
führt zum Fortschritt, das ist ein Grundsatz, der,
wie auf allen Kulturgebieten, so ganz besonders im
Waffenwesen gilt. In der That können wir auch
wahrnehmen, dass die Germanen in ihrem Kampfe
mit den Römern allmählich ihre ursprüngliche Be-
waffnung aufgeben, sich die Vorteile der römischen
aneignen, um schliesslich Meister ihrer früheren Be-
sieger zu werden. Ein Prozess, der erst in der
karolingischen Ära zum Abschluss gelangt.
Der Umstand schliesslich, den Sophus Müller
ins Treffen führt, dass die in den Halleiner Salz-
werken gefundenen, ins Knie gebogenen Celtschäfte
darauf hindeuten, dass der Celt im allgemeinen
hackenförmig geschäftet gewesen sei, beweist gar
nichts, denn hier handelt es sich ohne Zweifel um
Werkzeuge und nicht um Waffen. Dass der Celt
auch hacken- oder beilförmig geschäftet wurde, das
soll ja hier nicht bestritten werden; in einem solchen
Falle aber handelte es sich dann jedenfalls nicht
um eine Framea, denn diese war, wie Tacitus aus-
drücklich sagt, eine Hasta.
Was also spricht für eine Rekonstruktion der

Framea, wie sie hauptsächlich Klemm, Jähns und
Lisch vorschlagen?34)
Die citierte Stelle des Tacitus würde, rein phi-
lologisch interpretiert, ebenso dafür als dagegen
sprechen, denn Ausdrücke, wie brevis angustus acer,
lassen verschiedenartige Deutungen zu. Dem Sinne
nach interpretiert würde sie jedoch einen ent-
schiedenen Wahrscheinlichkeitsbeweis für Klemms
Ansicht liefern, denn Tacitus wollte in seiner Be-
schreibung unzweifelhaft die die Framenklinge von
den anderen üblichen Speerklingen unterscheidenden
Merkmale hervorheben, und diese bestanden eben
in ihrer Schmalheit, Kürze und Schärfe. Die Framen-
klinge war also nach Tacitus eine kurze schmale
Schneideklinge, was dem Celt im Gegensatz zum
Pilum und zur blattförmigen Speerklinge vollkommen
entsprechen würde. Als weiterer Beweis können
die IMmdumstände der Celtklingen gelten, die wie
schon erwähnt, als typische Form, in allen Männer-
gräbern der Bronzezeit wiederkehren. Und dass sie
Waffenklingen waren, das beweist ihr Zusammen-
vorkommen mit anderen Waffenstücken. Spitzspeere
treten diesen gegenüber in der Bronzezeit entschie-
den zurück. Sie werden vielmehr meist bei Feld-
und Moorfunden zu Tage gefördert, ein Umstand,
aus dem mit Wahrscheinlichkeit hervorgeht, dass
wir es im letzteren Falle mit Jagdwaffen zu tun
haben, etwa einen verworfenen Jagdspiess oder mit
den Überresten eines im Moor versunkenen Jägers,
während die Celtklinge dem Verstorbenen als
Kriegerabzeichen mitgegeben wurde. Einen weiteren
Beweis für die Verwendung der Celts als Speer-
klingen liefern ihre Formen. Die Celtklinge steht,
wie schon erwähnt nicht rechtwinklig zum Schafte,
wie etwa die Axt oder Beilklinge, sondern ist ihm
gleichgerichtet, bildet gleichsam seine Fortsetzung.
Sollte sie also als Hacke oder Axt gebraucht wer-
den, musste der Schaft ins Knie gebogen sein.
Betrachtet man nun die mannigfaltigen Formen der
Celtklinge, so kommt man zum Schluss, dass nur
die gedrungenen sich als Streitäxte gebrauchen
Hessen, während die schlanken für einen solchen
Zweck geradezu unbrauchbar waren. Denn bei
einer Axt mit einer einseitig so weit ausladenden
Klinge, musste das Schwergewicht naturgemäss in
der Nähe der Schneide liegen, und dies musste
wieder zur Folge haben, dass sich die Waffe be-
sonders wenn sie mit einer Hand geführt wurde,
beim Ausholen zum Hieb in der Faust drehte, so
dass, die Schneide beim Niedersausen nicht mehr in
der Hiebrichtung stand. Flachhiebe mussten also
bei einer derartig gestalteten Waffe die Regel bilden.
Ausserdem aber zeigt das von Schreiber35) in sehr
übersichtlicher Weise angeordnete Abbildungs-
material , wie die Celtklinge ihre ursprüngliche
Meisseiform allmählich verliert und Gestaltungen

34) Sophus Müller, a. a. O.
35) Heinrich Schreiber, a. a. O.
 
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