Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 14.1922

DOI issue:
Heft 1
DOI article:
Die Zeit und der Markt
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.33342#0071

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Ausheilungen

weit urfprünglicßere Frifcße und größere Un-
mittelbarkeit der künftlerifcßen tüirkung zuzu-
gefteßen.
Kleinplaftik gibt es in größerer Menge. Fjier
ragt das Apoftelrelief des Augsburger Fjans
Schwarz, brillant in der Cecßnik, ftark in Aus-
druck und Empfindung, unbedingt hervor. Kunft-
hiftorifch intereffant ift eine feßr reizvoll gefaßte
plaftifcße Umfegung der Cranacßfcßen Madonna
in der Jakobskird)e zu Innsbruck von 1530 und
eine elegante plaßifcbe Nachbildung der fd)önen
Maria von Regensburg aus dem 18. Jahrhundert.
Gute Alabafterporträts von Konrad und Franz
Eberhardt muffen auch genannt werden. 3wei
kleine Elfenbeinfiguren aus der italienifdjen Ko-
mödie könnten an Lothringen denken laffen;
Mitte des 18. Jahrhunderts.
Von Bronzen erfcheint ein beluftigender Stier,
wie ein Vorläufer der Arbeiten 5- Gerhards,
dürfte eine bewegte Brunnenfigur in den Kreis
Berninis, wenn auch vielleicht von einem Deut-
fchen, zu fetten fein. Unter den Porzellanen ift
wohl der „Cßinefe zu Pferd, von einem Panther
angegriffen“, noch von Buftelli in Nymphenburg
gearbeitet, durch Modellierung und Dekor neben
einem graziöfen öüeihwafferbecken Buftellis be-
fonders wertvoll. Unter den Fayencen und dem
Steinzeug find einige außerordentlich fchöne
Stücke. Bildniffe Edlingers und ein Skizzenbuch
F. Cuvillies d. J. runden diefe prächtige Schau
erfreulich ab. Nur das öüicßtigfte konnte hier
genannt werden. Naffe.
Ausheilungen
Münchner Husftellungen
3ur Freude der Monarchien, aber auch aller
Kunftliebbaber ftellt üßannßaufer Max Sle-
vogts Prinzregentenbilder aus den Jahren
1908—1910 zur Schau. Eine hößfche Angelegen-
heit, was Urfprung und Chema betrifft, doch
gleichzeitig auch eine künftlerifcße Angelegenheit,
die — entwicklungsgefchichtlich betrachtet —für
den deutfchen Impreffionismus eine ähnliche Be-
deutung zukommt wie dem Medicizyklus des
Rubens für das flämifche Barock. Es fteht in
den landläufigen Kunftdarftellungen zu lefen, daß
Friß v. Uhde der Fjauptvertreier des füddeutfcßen
Impreffionismus fei. ttler Slevogts Prinzregenten-
bilder gefehen hat, wird den Namen Uhdes durch
den Slevogts fubftituieren. Damit aber gewinnt
der füddeutfche Impreffionismus gewaltig an An-
fehen, denn in Slevogt kann er dem Nord-
deutfchen Liebermann einen vollwertigen Ulider-
part entgegenftellen. Das Unterfcßeidende und
Originale diefes durch Slevogt vertretenen füd-
deutfchen Impreffionismus beruht in der barocken
Vitalität feiner malerifchen Darftellnng. Dem
Vorbild Menzel ift freilich auch Slevogt ver-
pflichtet, aber die malerifche (Xieiterentwicklung

vollzieht fich nicht im Sinne der Baager Schule,
fondern im Geifte einer Kunft, für die etwa ein
A. Magnasco repräfentativ ift. ln diefem im-
preffioniftifch erneuerten Barock Slevogt haben
wir eine bayrifch-autochthone Kunft, deren Gültig-
keit allgemein und nicht etwa wie die der „Scholle“
nur lokal ift.
Carpari zeigt im Untergefchoß Gemälde und
Radierungen von Xüilly Geiger. Letzte Ernte
feines Schaffens, das etwas — durch vereinzelte
Proben, die einer überwürzten Ulendung ins
Expreffioniftifche verdächtig waren, — in Miß-
kredit geraten war. Man hat dem Künftler Un-
recht getan. Geiger bekennt fid) zwar in diefer
Äusftellung freimütig zum Exprefßonismus, in
dem er keineswegs aufgewachfen war, aber fein
Konvertitentum erfcheint durchaus nicht konjunk-
turhaft, fondern zwangsläufig. In Stilleben,
Landfchaft und Porträt (in diefem befonders)
gelingen Geiger überzeugende Leitungen, deren
malerifche Nobleffe, zeichnerifche Sicherheit und
kompofitionelle Ausgeglichenheit von einerreichen
Begabung 3eu9nis ablegen. — Im oberen Stock-
werk des FJaufes ift dem baltifcßen Seidener
Rolf v. IJoerfchelmann eine ttland einge-
räumt. Seinen Arbeiten gegenüber hängen einige
3eichnungen von Kubin. Übereinftimmungen
technifcher und gefühlsmäßiger Art zwifchen den
beiden Künftlern find augenfällig, und Rolf v.
Fjoerfchelmann wird nicht der letzte fein, der in
Abrede ftellt, daß er feinen Freund und Meifter
Kubin fehr viel zu verdanken hat. Aber feine
Eigenart hat fich Fjoerfchelmann troß alledem
bewahrt. Im Grunde iß er eine ganz andere
Natur als Kubin. Das pathologifche Element,
das Kubins Kunft fo intereffant und oft dämo-
nifd) macht, fehlt Fjoerfchelmann. Er ift ein
deutfeher Cräumer vom Schlage Storms und
Altdorfers, der in Fjdde und CUald Craum und
Poefie findet, und wenn ihm auch Gefpenfter
und Kobolde begegnen, fo find es keine Aus-
geburten feiner modern-morbiden Phantafie,
keine „Fjorlas“, fondern Geftalten, die einer Er-
innerung an alte Volksmärchen ihre Entfteßung
verdanken.
Es fei zum Schluß noch auf die Cätigkeit der
Leitung der Münchner grapßifcßen Samm-
lung hingewiefen, die es fid) feßon feit langem
angelegen fein läßt, durch wecbfelnde, immer
auf ein in pcß gefcßloffenes Gebiet eingeftellte
Ausheilungen das Intereffe des Publikums für
Graphik anzuregen und dieBeftände der Samm-
lung weiteren Kreifen aufzufchließen. Derzeit
hat ßie der Gebrauchsgraphik-SammlungR. Braun-
garts einen Saal eingeräumt. Große Namen, voll-
gültige Leiftungen findet man kaum unter den
ausgeftellten Blättern, aber viele anfpreeßende,
gefällige Dinge, die lehrreich dartun, wie man
feftlicßen Anläffen des bürgerlichen Lebens eine
künftlerifcße tüeiße geben kann. Und wenn der
eine oder andere Befucßer durch die Äusftellung

49
 
Annotationen