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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 178-204 August
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Ukidelbrrger Zeilung.


Mittwoch, I August


M.- 178

Auf die „Heidelberger
Zeitung" kann man sich
noch für die MonaLe
Äugust und September mit 42 Kreuzern abon-
niren bei allen Postanstalten, den Boten und
Zeitungsträgern, sowie der Expedition Untere
Neckarstratze Nr. 13 v.

«5 Ein Wort zur Verständigung.

Auf Mittwoch„ den 1. August, AbendS 8
Uhr, habcn eine kleine Anzahl hiestger Be-
wohner ihre „Mitbürger" zu einer allge-
meinen Versammlung im großen Saale der
Harmonie berufeu. Mil Necht heben sie her-
vor, wie man jetzt über bisherige Gegen-
sätze wegsehen müsse, um dic beprohte Einheit
(wir würden leider zufügen müsscn: und die
noch mehr bedrohte Freiheit) durch gemeinsame
Anstrengungen zu rctten. Es gibt Niemanden,
dem die Mainlinie entietzlicher wäre, wie nns:
wo abxr wnrzelt die Gefahr, daß sie komme?
wohin mutz also die Axt eiucr gemaltigen Agi-
tation treffen?

Es ist möglich, daß Graf Bismarck uns
nicht will. Sollen wir dann bettclnd und Vcr-
zeihung wimmernd den Saum seines Gewandcs
küssen und flchcn, daß er uns mitnehme? Wer
die Schmach liebt, der mag so handclnl Oder
sollen wir schmollend abseits bleiben und uns
selbst in Form der Zsolirung dcn Dolch, in die
Brust drücken? Das hieße, nach Sympathien,
aber nicht nach politischen Erwägungen han-
deln! Wenn Graf BiSmarck uns nicht wollen
sollte, so werden wir dem Norden sagen, daß
wir ein Nccht haben, mit ihm vereint zu blei-
ben, daß er vie Pflicht habe, zu uns zu halten:
und das Volk im Norden und die Rcgierungcn
im Norden werden uns vcrstehen!

Es ist fcrner möglich, daß Graf Bismarck
sehr geru dic sämmtlichen deutschen Staaten,
anßer Oesterreich, untcr preußlscher Aegide ge-
einigt sehen möchte, daß er aber thun muß,
als wolle cr uns nicht, wcil es der Pakt mit
Napoleou so erheischt. Nun dcr Kaiscr der
Franzosen ist der Urhcber des modernen suf-
frsKk universel: nnd Graf Bismarck wird um
so mchr erfreut sein, je mehr die allgemeine
Slimme in Süddeutschland die Pflicht der
Einigung des NordenS und des Südens urgi-
ren wird!

Es ist endlich möglich, daß mancher Stamm
und manche Ncgierung in Süddeutschland um
jedeu Preis völlige Unabhängigkeit vom Norden
zu erkaufen gesonnen ist. Der erklärlichen Lei-
dcnschaft der Bevölkerung trete dann gleichfalls
die Verwcisung auf die nationale Verpflichtung,

trcu zusammen zu stehen, und auf die politische
Vernunft entgegeu: die Abneigung dcr Negie--
rungen aber breche sich an dem energischen
Willen der Bevölkerungen!

An diesen drei Punkten also konnte die Gefahr
liegen, noch wiffen wir nicht, wo sie wirklich
liegt, und das genügt uns, die Agitation als
eine vorzeitige erscheinen zu laffen. Nicht da-
mit eine Partei immcr im Vordergrunde ge-
sehen, sondern damit ein Gedanke Vieler eine
Thatsache werde, bedarf es der Agitation. Will
eine Partei sich damit nationale Lorbeeren er-
ringen, so wird ihrc Hast nur zu leicht die
erste Voraussctzung wirkjamen Handelns ver-
kennen: Agitationen müffen gerade in dem Mo-
mente auf ihrem Höhenpunkte stchen, wo das,
deffen Entstehcn oder Vergehen sie bezwecken,
auch wirklich entstehen oder vergehen soll.

Will man aber doch schon jetzt gegen die
Mainlinie anftreten, so muß man nach jenen
3 Sciten hin Front machen: es gilt, inciner
die Würde der süddeutschen Bevölke-
rung hochhaltcnden Weise klar aus-
zujprechen, was man will und wie
man es will.

Die „Erklärung", welche der Volksver-
sammlung zur Annahme und Unterzeichnung
vorgelegl werden soll, ist wcder vollstän-
dig, noch klar, noch wahrt sie auch
nur mit einem Worte unsre Ehre.

Die Bürger Heidelbergs sollen auSjprechen:
„Die Sonderstellung Süddeutschlands, gegen-
über dem Norden, kann unsre Zustimmung
nicht erhalten." Heißt das: wir verdammen
die definitive Theilung DeutschlandS in zwei
Theile, oder wir würden es verdammen, wenn
Süddeutschland befder Neugestaltung sich sepa-
riren wollte gegenüber dem Norden, wo dann
daS Urtheil übcr eine Separirung dcs NordenS
gegenüber dem Süden suspendirt bleiben sollte;
over heißt cs vielleicht gar: Süddeutschland be-
stndet sich dem Norden gcgcnüber jctzt schon in
einer Sonderstellung und wir mißbilligen deß-
halb die seitherige badische Politik nachträglich?
Man paffe doch ja auf, was man AlleS bci
der Unklarheit dieses Datzes unterzeichnen
könnte!

„Wir begchren vielmehr den sofortigen An-
schluß des Südens ... an den Bundesstaat
unter Preußens Führung." Jch begehre den
sofortigcn Eheschluß zwischen zwei noch unge-
borenen Kindern — jedenfalls ein seltsames
Begehren! „Der" BundeSstaat unter Preußeus
Führung ist ja noch gar nicht da: wie wollen
die Herren den „sofortigen" Auschluß daran zu
Wege bringen? Wenu wir überhaupt begeh-

S8K«.

ren, so wollen wir doch begehren, diesen Bun-
desstaat wo möglich mitzubauen, und uns nicht
erst hintennach darin einzumiethen!

„Wir erwarten im alsbald zu berufenden
deutschen Parlament die Sicherung der weiteren
Entwickung unsereS Vaterlandeö in Einheit und
Freiheit." Gut, daß das „alsbald zu berufend"
dasteht, sonst müßten ja nicht nur die Ein-
ladenden, sondern auch alle Unterzeichner als
ihrer Stelle sichcre Parlamentscandidaten auf-
gefaßt werden. Abcr auch so hat daS erste
„in" was äußerst mystisches. Soll der Satz
den Sinn haben: „wir erwarten vom alsbald
zu berufenden Parlament die nöthige Sicherung
unferer ferneren Entwicklung, so ist daS ein
frommer Wunsch, .deffen Erfüllung um so we-
niger gesichert erscheiut, als bie Badenser ja
nach ihrer eigencn Unterschrift erst dem gegrün-
detcn BundeSstaate (?) beitreten wollen.

Oder sollte der Sinn der sein: „wir crblickcn
in dcm Parlamcnte das gcnügende Mittcl der
Sicherung der wcitcren Entwicklung Dentsch-
landS?" Dann fehlt ja aber, daß das Pgrla-
ment ein mächtiges scin muß: eine machtlose
Ja - Versammlung wäre lediglich ein wegzu-
sprengendcr Stein auf dem We'gc unserer na-
tionalen Fortentwicklung!

Wer also eine gegründete Abneigung gegen
das Unklare, sclbst wenn in diescm Dnnkel
eine Versöhnung Statt finden solltc, nicht ver-
läugncn will, dem können wir zur Unterzeich-
nung dieser „Erklärung" wahrlick nicht zu-
rcden.

Wohl aber dürfte jeder deutsche Patriot eine
Erklärung, etwa wie die folgende, untcrzeichnen
können:

Wir verurtheilen jeden Verfuch
einer -auern-en politifchen Trennung
Süd-eutfchlan-S von Norddeutfch-
land!

Bci der bevorstehenden Neugestaltung unseres
Vaterlandes ist es heilige Pflicht dcS NordenS
und vor Allen Prenßcns,. die bundesstaatliche
Einigung mit dem Süden als Ziel unverrückt
im Auge zu halten, — des Südens, insbcson-
dere Badenö, mit allen Kräften diesen Be-
mühüngen entgegenzukommen. Wir fordern
die Theilnahme an dem alsbald zu berufenden
dcutschen Parlamente, damit unsere Vertreter
mitwirken zur Feststellung einer die Freiheit
nicht weniger als die Einheit sichernden Ge-
sammtverfaffung.

Seeschlacht bei Liffa.

Wir entnehmen einem Ptivatbriefe eines öster-
reicbischen Seeofficiers, welcher »n Bord einer kai-
serlichcn Panzerfregatte die Seeschlacht bei Lissa.
mitkämpfte, folgenve interessante Details über die-
sen denkwürdigen Tag. Dcr Bricf ist am 22. in
Sce an Bord einer der österr Panzerfregatten ge-
schriebeii, nm 25. früh in Wien angekommen und
lanter, wie folgt:

„Der heiß erfthnte Moment ist endlick eingetrof-
fen. Vorgestern, am 20. Iuli um II Uhr, liefer-
ten wir der italienischen Flotte eine fiegreiche See-
schlackt. Nun will ich versuchen, Jhnen eine bün-
dige Besckreibung dieseS unseres sckönsten Tages zu
geben. Am 18. erfuhren wir, daß ber italieuische
Abmiral Persano die Insel Ltssa bombardire, am
19., daß er Verstärkung und Ausschiffungstruppcn
erbalten habe. Am 19., um balb zwölf Udr Vor-
mittags, verließ unsere Flotte in drei Divisionen
die Rhede von Fasana (bei Pola). 1- Divifion
die Panzerfregatten „Erzherzog Ferdinand Mar",
mit Coiitre-Admiral Tegettboff an Bord, „Habs-
burg", „Kaiser Mar", „Don Iuan", „d'Austria",
„Prinz Eugen", „Salamander", „Drache". 2. Di-
vision: 7 Schiffe, und zwar das Linienschiff „Kai-
ser", die Fregatten „Novara" und „Sckwarzenberg",
„Adria", „Donau", „Radktzky", Eorvette „Kriedrich".
3. Divifion: 9 Sckiffe, und zwar die 7 Kanonen-
boote „Hum", „Damat", „Reka", „Streiter", „See-

hund" „Velebich", „Wall" und 4 Avisodampfcr,
„Kaiserin Elisabeth", „Greif", „Andreas Hofcr"
und „Stadtum", im Ganzen 27 Sckiffe, mit etwa
500 Kanonen. Um 1 Uhr 30 Miuuten Nachmit-
tags waren die Tckiffe i» Scklacktordnung formirt
unv wir sctzten ven LurS gegen Liffa.

Am 20. Morgens war Lissa in dichte Wolken ge-
hüllt, das Wetter durchaus stürmisck und wir der
Verzweiflung nahe; benn die aus Süd-Ost hock-
gehende See hätte feden Kampf unmöglick gemackt.
Zu unscrem Glücke brach eine befttge Böe aus
Nord-West theilweise die See und klärte den Ge-
fichtskreis auf. Wir erblickten um 10 Uhr Vormit-
tagS die Jnsel Liffa und vor ihr im Halbkrcise die
italienische Flotte, aus 12 Panzer-, 8 Schrauben-
Fregatten und 4 Avisobampfern bestehend, im Gan-
zen 24 Sckiffe mit gegen 800 Kanonen. Der Ad-
miral ließ langsam fahrrn, damit die 2. und 3.
Dtvision fich dtckt anschließen könne. Die feind-
licken Panzerschiffe näherten sich sehr langsam. Um
10 Uhr 30 Mtnuten waren wir dickt beisammen,
der Admiral lirß ganze Kraft etnsktzen, zugleick
Signal gebrn, den Feind anzulaufen, um ihn zum
Sinken zu bringen. 5 Minuten vor 11 Uhr fiel
der erste Sckuß auf feindlicher Seite. Unser tapferer
heldenmüthiger Admiral eröffnete die Schlackt mit
der glänzenbsten Waffenthat zur See, er rannte
mit ganzer Kraft betm Buckanker dte italtenische
Panzerfregatte „Re d'Italia" an, dte feindliche
Fregatte wankte einige Minuten und verschwand

- dann mit 36 Kanonen und 600 Mann Bemannung

j in der Tiefe bes Meeres. Der Feind hatte seine
größte Panzerfregatte verloren. Einige bundert
Menschen, welcke sich an die letzten Holztrümmer
der in den Grund gebohrten Fregatte anklammer-
ten, passirten, uns bändertngend um Hilfe an-
flehend. Doch wer konnte in einem Augenblicke,
wo unser Aller Leben auf dem Spiele stand, an
dte Nettung dieser Unglücklichen denkkn? So Viel
mir bckannt, retteten sich bloß 15 Mann, indem
sie schwimmend Lissa erreichten. Die Schlackt ent-
wickelte sich nun auf allen Seiten. ein panischer
Schreck.n sckicn sich des Feindes bcmächtigt zu ha-
ben, als sie ibre schönste Fregatte von der Ober-
fläcke der See verschwinden sahen.

Während der Admiral mittcn in dte feindlichen
Panzer eindrang, umgingen 4 feindliche Panzer-
fregatten und das Widderschiff „Affandatore" un-
sere erste Division, um sich auf unser Liniknschiff
„Kaiser" zu werfen. Um der Gefahr, in Grund
gerannt zu werden, zu entgehcn, rannte „Kaiser"
selbst ein Panzerschjff an, mußte jedoch die Breit-
seiten dleser 5 Scktffe auShalten, welcke ihm den
Fockmast und Bugspriet wcgschoffcn, zwet Geschütze
demolirten und 77 Mann theils tödteten, thetlS
sckwer^verwundeten. Leiver fiel der s^ckmast auf

1 Stunde fort, bis fich der Feind gegrn 1 Uhr 3Ü
 
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