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Heidelberger Zeitung — 1866 (Juli bis Dezember)

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Nr. 178-204 August
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https://doi.org/10.11588/diglit.2833#0137

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Neidelbrrgkr Zkitmig.


Mittwoch, 8 Auglist


Nl- 18«.

^ Die Thronrede.

Die Thronrede, mit welcher König Wilhelm
den Landtag der Monarchie eröffnet, hat, wie
vorauszusehen war, hinsichtlich öer bcvorstehcn-
den Vergrößerung des preußischen Staats und
der künftigen Gestaltung Dcutichlands noch
keine nähcren Audeutungen gebracht. Dagegen
enthält dieselbe über die Fcststellung des Staats-
hauöhaltö-Etats einc Stclle, die alle Bcrück-
sichtigung verdient, da in ihr deutlich ausge-
sprochen ist, wie der König dcn Art. 99 der
Verfassung bisher aufgefaßt hat und in Zukunft
aufgefaßt wisscn will.

Der König erkennt wicderbolt an, daß
die in dcn lctzten Jahreu geleisteten Staats-
auSgaben der gesetzlichen Grundlage env
behren. Jn der That kann ein Gesetz nach
dem unzweideutigcn Wortlaul dcr Verfasinng
nur durch Uebereinstimmung der drei gefctz-
gebenden Factoren (dcr königl. Regierung, des
Herrenhauses undAbgeordnetenhauses) zu Stande
kommen, und ist deßhalb auch bisher von keiner
Seite behauptet worden, daß den ohne Zu-
stimmnng des Abgeordnetenhauses gemachlen
Ausgaben cine gesetzliche Grundlage zukommt.

Der König motivirt die budgetlose Negierung
damit, „daß dic Fortführung einer geregelten
Verwaltung, die Erfüllung der gesetzlichen Ver-
pfiichtungen u. s. w. Existenzfragen des Staa-
teS waren^ und daß dahcr jeneS Ver-
fahren eine der unabwcisbaren Noth-
wendigkeiten wurde, denen sich eine
Regierung im Jnteresse des Landes
nicht entzichen kann und darf." Auch
in diescn Worten wiederholt der König die bis-
her giltig gewcsene Anslegung der Verfasiung.
Bewilligt dcrLandtag nicht, so steht es künflighin
wie bisher der Ncgicrung frei, ihre Forderung
zurückzuziehen oder, falls sie es sür eine un-
abweisbare Nothwcndigkeit hält, die von ihr
aufgestellten Staatsausgaben ohne Bewilligung
des Landtags zu lcistcn.

Schlicßlich wird um Jndemnität für die ohne
Staatshaushaltgcsetz geführte Verwaltung nach-
gefucht. Dies entspricht ebenfalls dem bisheri-
gen Gebraucbe und dem unzweideutigen Wort-
laut der Verfasiung. Doch hatte bis dahin der
Landtag die Jndemnilät verweigcrt. Ertheilt er
sie jctzt, wie nicht unwahrscheinlich ist, so wird
es hauptsächlich von einer ctwaigen Nachgicbig-
keit des Königs in der Frage der Hccreöreor-
ganisation abhängen, ob dcr geradj fchwcbcnde
Conflict damit definitiv gelöSt ist oder nicht.
Jn der Thronrede ist hierüber keine Andeutung
enthaltcn, sondern nur die Hoffnung auöge-

sprochcn, daß der bisherigc Conflict für alle
Zeit um so sicherer zum Abschluß gebracht
werde, „als erwartet werden darf, daß die poli-
tische Lage des Vaterlandes eine Erweiterung
der Grenzcn des Staates und die Einrichtung
eincs einheitlichen BundesheereS unter Preu-
ßenS Führung gestatten werde, dcsien Lasten
von allcn Genosien des Bundes gleichmäßig
werden getragen werden." Man muß abwar-
ten, ob die hier angedeutete Erleichterung ein
Nachgcben der Negicrung in der Organisations-
frage ankündigt, odcr ob darunter bloß die«
jenige Erleichterung verstanden ist, die durch
die Ausdehnung der gemeinsamen KriegSver-
waltung auf ein größeres Einwohncrgebiet sich
von selbst einstellen wird.

* Politifche Umschau.

Heidelberg, 7. August.

*Die preußische Thronrede istdas
Ereigniß des Tages. Sie wird vielleicht man-
chcrlei Beurtheilungen unterlicgen; doch sind
so ziemlich Alle darin einverstandcn, daß die-
selbe cben so vorsichtig alö würdig und mäßig
gchalten ist., Daß der Köuig die großen Er-
folge scineS Heeres scharf betonen würde, war
leicht vorauszusehcn; indcsicn war er anderscits
auch bcmüht, jedes Wort zu vcrmeidcn, was
nach irgend ciner Seite hin vcrlctzen oder an
eine Selbstübcrhcbung anstreifen möchte. Alle
Hoffnungen und allc Erwartungen konnte die
Thronrede natürlich jetzt nicht crfüllcn. Dies
gilt z. B. von den Friedensaussichten. Daß
in dieser Bcziehung ein diplomatisches Schwci-
gcn herrschte, ist leicht begreiflich, da die betref-
fenden Unterhanvlungen noch nicht als voll-
endete Thatsachen, ohne Anstoß und Gefährde
mitgetheilt wcrden können, wie dieö in der di-
plomatischen Welt Brauch ist. Dasielbe gilt
von der nationalen Znkunft Deutschlands, was
eben so leicht bcgrciflich ist, da unsere öffent-
lichen Zustän'de dermalen noch halbfertig, uu-
gcordnet und chaotisch sind. Dagegen sprach
der König von einer uationalen Entwicklung
Dcutschlands, von einer Erwciterung der Gren-
zen des Staates, sowie von der Errichtung
eines einheitlichen Bundcsheeres untcr Preu-
ßcnS Führung» Auch sprach er von eincm ein-
trächtigen Zusammenwirken zwischen Negierung
und Volkövertretung. Wenn er hierbci die Er-
wartung aussprach, daß der Landtag für die
mehrjährige budgctlose StaatShauShaltung eine
Jndemnität 'ertheilcn, d. h. dieselbe nachträglich
guthcißen wcrde, so wird er sich nicht gctäuscht
haben. Denn auch dic Fortschrittsmänner in
Preußen geben zu, daß die von langer Hand

18««

gcschchene Vorbereitung der großcn Ereignisie
der jüngsten Vergangenheit nur dann gelingen
konnte, wenn sie in das ticsste Gehcimniß ge-
hüllt wurde. Bci diesem Anlasie wäre nur
überhaupt zu wünschen, daß der König seinem
Volktd die Hand zu vollftäudigcr Versöhnung
rcichcn, und eine AlleS umfasicnde politische ^
Amncstie, sowie eine aufrichtige Entwicklung
der constitutionellcn Freihcit in Prcußcn ein-
treten lasie, damit dieier Staal, welcher gerade
jctzt so sehr des politischen Vertrauens in Dculsch-
land bedarf, um seine großc Aufgabe zu lösen,
hiefür in Nord- und Süddeutschland gleich-
mäßig Proselytcn mache.

Die Nordb. A. Ztg. bringt in ihrer Nummer
vom 2. August folgende Abtheilungen: Nord-
deutscher Bundesstaat (hierunter werden aufge-
führt zunächst Berlin, Hamburg, Hannover,
Braunschweig, Leipzig, Dresden, Gera, Hanau,
Frankfurt, Wiesbadcn); Süddeutscher Staaten-
bund (hieruntcr werden aufgeführt: Stuttgart,
KarlSruhe).

Die Ernennung deS Grafcn v. Bismarck zum
„Fürsten von Bismarck" soll bevorsteh»nd sein.

Die amtliche Verlustliste der k. würtember-
gischen Felddivision in dem G»fecht bei Tauber-
bischofsheim zählt auf: 61 Todte, 419 Ver-
wundete, 159 Vermißte, zusammen 639 Mann.

Nachrichten aus Constantinopcl vom 25. v.
M. melden von einer Explosion des Cartou-
chendepotö, bei welcher 400 Mcnschen daS Leben
verloren habcn.

Deutschland.

Karlsruhe, 4. Aug. Meine sämmtlichcn
Truppen werden wicder einem ArmeccorpS-
Commando untcrstellt, und Jch übcrtrage Mei-
nem Herrn Bruder, dem» Prinzen und Mark-
grafen Wilhelm, Großh. Hoheit'und Liebden,
Generallieutenant und Commandanten Mciner
Felddivision, wicder das Commando Meines
Armeccorps. (gez.) Friedrich. (gez.)Lndwig.

Durch Allcrhöchsten Bcfchl vom 4. d. Mts.
wird der zum Gouvernementsstab dcr Fcstung
Nastatt befehligte Oberstlicutenänt Dürr vom
3. Jnfanterieregiment zum Geniedircclor er-
uannt, und der Hauptmann Hilpcrt vom Iten
Ersatzbataillon zur Geniedircclion dieser Festung
bcfehligt.

Karlsruhe, 6. Aug. Heute Nachmittag
gegen 1 Uhr ist — eingeholt von Sr. Königl.
Hoheit dcm Großhcrzog und in Anwesenhcit
Jhrcr Königl. Hoheit der Großherzogin und
Jhrer Kaiserl. Hoheit dcr Prinzessin Wilhclrn,
sowie des Erbgroßhcrzogs — Se. Großh. Hoheit
der Prinz Wilhelm, Commandirender der großh.

Mißlungene Denuneiation.

Einem aus Prag in Wien eingelangten Privat-
briefe entnimmt die „Presse" die folgkndc Eptsode:
„Bei Herrn T., dem Chef rineS der bedeutendsten
Großhandlungshauser zu Prag, war nebst einiger
Mannschaft auch ein preußischer Officter einquar-
liert. Einen Tag vor seinem Weitermarsche gab
er dem Dienstmädchen deS Hauses eincn Thaler.
Das Mäbchen crvot fich, ihm für einen zweiten
Thaler wtchtige Mittheilungen zu machen. Der
Officier zeigte fich bereit, und der weibliche De-
nunciant eröffnete ihm, daß die Herrschaft thre
Gold- und Silbervorräthe, Schmuck, Perlen und
Uhren theilweise in einer Mauernische, die durch
den Spiegel verdeckt wird, und theilweise tn einer
Höhlung des Fußbodens verborgen habe. Der Of-
ficier dankte dem Mädchen freundlich und nahm
am nächsten Tage, als er mtt dem Hrrrn des
HauseS nach Tische in ruhigem Gespräcke saß, Ge-
legenheit, auf drn Gegenstand zurückzükommen.
„Bei dem Wohlstande, der aus der ganzen Ein-
rtchtung JhreS HauseS unverkennbar hervorleuchtet,
und den man vielletcht schon als Reichthum tariren

dürste, ist ber Mangcl aller Gold- und Silbergegen-
stände, die im Hause der Reichen wohl selten zu
fehlen pfiegen, sehr auffallend." — „WaS vermissen
Ste denn in mciner Einrichtung, Herr Haupt-
mann?" fragte etwas verlegen der Großhändler.
„Nichts von Bedeutung und doch MancheS von
Werth; mit etnem Worte, all dte kleinen Kostbar-
kciten, wie Uhren, Leuchter, Sckmuck und Perlen,
die zu jedem lururiösen HauShalte gehören." —
«Ia, ich habe wohl. manche Sachen von Werth,
doch habe ich fie, ehe sich noch der Krieg hierher
gezogkn, nach Wien geschafft." — „Ich interessire
mich fonst um derlei Dinge nicht viel," engegnete
der Officirr unb firirte dabei setnen Wirth mit
scharfen Augen, „aber ich habe grhört, daß emige
Prager es bet unserer Annäherung für nothwendig
erachtkt haben, thre Kostbarkeiten tn Nifchen hinter
den Sptegeln und tn Höhlungen deS FußbodenS
zu verbergen und da.. -— Drr aüfs Aeußerste
geängstigte Kaufmann konnte hier seiüe Verlegen-
hett nicht bemeistern und unterbrach den Officter
mit drm Ausrufe: „Ueben Sie Barmherzigkeit;
Ste wtssen, wo meine Schätze find! Nun gut!
Nehmen Sie, wie viel Ihnen beliebt, nur ver-

nahms-Preuße" bezeichnet — entgegnete: „O, nicht
um Ihre Schätze ist'S mir zu thun; ich wollte Ihnen
nur zeigen, daß eS überfiüssige Mühe war, Ihre
Kostbarkeitrn zu verbergen; wenn Sie es ein'an-
veresmal doch thun, so rathe ich Jhnen, gleich-
zeitig Ihre Dienstmagd in den Vrrsteck mitzuver-
maucrn — fie "plaudert dann nicht so letcht auS."
— Auch sonst sollen übrigens mehrfache Denuncia-
tionen vorgekommen sein, und der preußische Eom-
mandant in Prag soll sogar dcm Bürgermetster
versprochen haben, ihm seinerzeit die Liste der
Denuncianten einzuhändigen, damit er „seine

Aus dem Tagebuch eines preußischen MilitärS
thetlt die ,Köln. Ztg." folgende auf den Kampf
Mit den Hcssen Darmstädtern bei Laufach bezügliche
Stelle mtt: „O Hessen! hättet Ibr Euch der viel-
sttmmigen BundrSarmee nicht angrschlossen, so hättet
Ihr jene bet Frohnhofen und Laufach gefallrnen
1000 braven Männer nicht etngebüßt! Andertbald
Stunden Gefecht haben Euchan 1500 Mann gekostet.
Das aber wird den hesfischen Soldaten von den preuß.
zugerufen: „Wtr haben Männer tn Euch erkannt.!"
 
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