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Heidelberger Volksblatt (5) — 1872

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Nr. 53 - Nr. 61 (3. Juli - 31. Juli)
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Samſtag, den 13. Juli 1872.

5. Jahrg.

cheint Mittwoch und Sanrſcag. Preis monatlich 12 kr. Einzelne Nummer à 2 kr. Man abonnirt in der Druckerei, Schin ga ſſe 4

und ber den Trägern.

Auswärts bei den Landboten und Poſtanſtalten.

Johannes Guttenberg und Peter Schöffer.
Hiſtoriſche Novelle.
(Fortſetzung.)

Ein alter Diener des Hauſes befragte den Schreiber,

nachdem dieſer die hohe Wendeltreppe hinaufgeſtiegen war,,

nach ſeinem Begehren, und führte ihn dann in ein ge-
räumiges, mit vielen ſchönen Gemälden verziertes, aber

auch etwas finſteres Gemach, das der gewöhnliche Auf-

enthalt Herrn Johann Fuſtens war.
Er traf dieſen in einem eifrigen, und, wie es ſchien,
nicht eben angenehmen Geſpräche mit einem Manne von
mittleren Jahren an, der neben dem Armſeſſel ſtand, in
dem der Herr des Hauſes vor einem großen eichenen Tiſche
ſaß. Der Fremde ſchien Fuſten etwas vorzudemonſtriren,
denn er hatte, als der Schreiber eintrat, die Hand auf
einige Pergamentblätter gelegt und zeigte mit dem Finger
auf eine Stelle; als er aber den Fremden eintreten ſah,
raffte er ſchnell die Blätter und eine Holztafel, die neben
dieſen auf dem Tiſche lag, zuſammen, und nahm beides
unter den Arm, als wolle er es vor den Blicken des Ein-
tretenden verbergen. ö
Auf Fuſtens ſonſt ſo bleichen Wangen zeigte ſich ein
ſtarker Anflug von Röthe und ſeine dunkeln Augen leuch-
teten ungewöhnlich. Auch der zweite Anweſende erſchien
dem Schreiber als ſehr aufgeregt, und ein unverkennba-
rer Zug von Verachtung umſpielte den ſchön geformten

Mund, um den ſich ein leiſes Zucken wahrnehmen ließ.

Die Geſtalt dieſes Mannes war hoch, edel und durchaus
ſchön und ſein Geſicht eins von jenen, die gleich lebhaft
intereſſiren, obgleich es nicht mehr ganz jugendlich war.
Die ſchönſten blauen Augen belebten es und aus ihnen
ſprach zugleich Klugheit und Güte. Stirn, Naſe und Wan-
gen waren dollkommen ſchön zu nennen; dichtes, krauſes,
dunkles Haar umſpielte das Haupt und ein gleicher Bart
das Kinn.
„Hier kommt unſer Mann, Herr Junker,“ ſagte Je-
hann Fuſt, ſobald er den eintretenden Schreiber erblickte.
„Ich hoffe, er hat uns einige von ſeinen ſchönen Arbeiten
mitgebracht, und Ihr werdet jetzt ſelbſt beurtheilen kön-
nen, ob ich Euch zuviel davon geſagt.“
Der Angeredete wandte ſich jetzt mit einer raſchen Be-
wegung nach der Thür um, neben der Peter Schöffer et-
was ſchüchtern und verlegen ſtand und zwei Männer ſchau-
ten ſich jetzt zuerſt von Angeſicht zu Angeſicht, deren Zu-

ſammenleben und Zuſammerwirken für die Welt ſo be-
deutungsvoll, ja, ſegensreich werden ſollte; Beide fühlten

ſich durch jene unbegreifliche, aber nimmermehr abzuleug-

nende Macht der Sympathie augenblicklich zu einander hin-
ezogen.
Hedoder Junker Gutten berg — den dieſer war es,
den Peter Schöffer vor ſich ſah — betrachtete den Schrei-
ber mit prüfenden Auge; ſeine Blicke glitten ſchnell über
die ganze Geſtalt des jungen Mannes hin, der lebhaft er-
röthete und die Augen nicht aufzuſchlagen wagte, obgleich
er ſich auf eine faſt wunderbare Weiſe zu Dem hingezo-
gen fühlte, der ihn in dieſe Verlegenheit verſetzte.
„Tretet näher, Herr Schreiber,“ nahm jetzt Johann
Fuſt, der Beide aufmerkſam beobachtet hatte, das Wort,
und Peter Schöffer gehorchte dem an ihn ergangenen Be-
fehle, indem er ſich mit dem Anſtande eines Weltmannes
gegen Beide verneigte. ö
„Nicht wahr, fuhr Johann Fuſt fort, „Ihr habt uns
Proben von Eurer Arbeit mitgebracht, Herr Schreiber?
Ich redete bereits von Euch und Eurer Kunſt zu dem ed-
len Junker, Johann von Guttenberg, den Ihr hier vor
Euch ſehet und er iſt begierig, ſich durch den Augenſchein
von Euren Leiſtungen zu überzeugen. Man muß es den
Franzoſen laſſen, daß ſie es in der Schrift ſchon weit
gebracht haben; ſo ſeid Ihr in Paris in der beſten Schule
geweſen und habt tüchtig darin profitirt.“
„Dort wird von Oben herab die Kunſt unterſtützt“,
verſetzte der Schreiber; „König Karl VII., der erlaͤuchte
Beherrſcher Frankreichs, hat ſein Herz den Künſten und
Wiſſenſchaften von jeher mit Liebe zugewandt und ſeit das
Land von den Feinden befreit, und er zum ruhigen Be-
ſitze ſeiner Krone gelangt iſt, viel für beide gethan. Er
liebt weit mehr die Künſte des Friedens, als die des blu-
tigen Krieges und an ſeinem Hofe darf Alles auf Schutz

und Beifall rechnen, was ſich durch Kunſtfertigkeit und

Geiſtesgaben auszeichnet.“
Er breitete bei dieſen Worten die mitgebrachten Per-⸗
gamentblätter vor den Beiden auf dem Tiſche aus und
trat dann beſcheiden wieder etwas in den Hintergrund des
Gemaches zurück. Der Junker betrachtete die Blätter mit
der größten Aufmerkſamkeit und, wie es ſchien, mit Ken-

neraugen, indem er, ſich mit beiden Händen auf den Rand

des Tiſches ſtützend, ſich über dieſen mit dem halben Leibe
hinbog, um das ihm Vorgelegte genauer beſchauen zu
können. Dem Schreiber ſchlug das Herz faſt hörbar in
der Bruſt, während die Stille, die jetzt auf einige Au-

genblicke eintrat, und nur dann und wann durch ein lei-

ſes „Hm!“ Herrn Johann Fuſtens, wodurch dieſer die
 
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