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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 36.1925

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Heft 1
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Michel, Wilhelm: "Bewohnbarkeit der Erde": der Mensch als Mittelpunkt des Weltbildes
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https://doi.org/10.11588/diglit.11737#0035

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INNEN-DEKORATION

17

TROFKS-iOK I Ht. G E FA SS IN

R. OBSIEGSR I HE ' ^fl BLAUGRÜN

WISNKKBI-KG. I GLAMERTKR

VVBRKSTÄTTB I iHHtai^H KERAMIK

»BEWOHNBARKEIT DER ERDE«

der mensch als mittelpunkt des weltbildes

[n ^Unst> in Handwerk, ebenso wie in der Philosophie turalismus«, die den Menschen als ein bloßes Natur-

X auft das moderne Streben darauf hinaus, die Dinge geschöpf im Panischen ganz untersinken und fast ertrin-

ratuger als bisher auf den Menschen zu beziehen, ken läßt, gibt dieser Zeit den treffendsten Ausdruck.

ie Erde soll für den Menschen durchgängig bewohn- Von Neuem erwacht aber nun der Sinn dafür, daß dem

^ar gemacht werden: das ist das geheime Stichwort der Menschen das Schöpfungswort »Nehmt hin die Erde

61 j ^er Mensch soll von neuem zum »Maß aller Dinge« und macht sie Euch Untertan« nicht umsonst gesagt ist.

erden. Freilich nicht im Sinn einer herrischen, gewalt- Es ist das Recht, aber auch die Pflicht des Menschen,

f^^nJ^necfatung der Dinge unter menschliche Enge und der Erde sein Gesicht aufzuprägen und alles Stoffliche

1 Kur, wohl aber in dem Sinne, daß das menschliche mit gewaltiger Faust zum näheren oder ferneren Abdruck

wall in allen We rtsetzungen zur Geltung kommen soll, der Menschengestalt zu machen. Während östliche Fröm-

Wir müssen uns, um dies zu verstehen, daran er- migkeit das Leben und die Materie als Ursache alles

jnnern, daß fast im ganzen 19 Jahrhundert das Streben Übels flieht, heißt das Gebot für uns: Ihr sollt die Erde

,e.rrscnte> den Menschen aus dem Mittelpunkt des Welt- heiligen, nicht zertreten! Und diese »Heiligung« ge-

. f* herauszurücken. Auf allen Gebieten jagte man schieht überall da, wo der Mensch im Irdischen seinen

nu^ ^erten nacn, die in keiner Weise, oder doch Geist zum Siege bringt. Die Erde soll das wahre,

DpDenner auf den Menschen, auf seine Fähigkeiten hohe, festliche Haus des Menschen werden. Wir

Bedürfnisse, bezogen waren. Man suchte in den sollen auf ihr daheim sein, wir sollen nichts Fremdes, das

u 18senschaften eine Wahrheit, die dem tatsächlichen, uns stört oder gar bekriegt, auf ihr dulden, sondern es in

anglichen Wesen der Menschen keine Rechnung trug, unseren Dienst nehmen, daß es uns leben und wohnen hilft.

, ern sich einseitig an den Verstand wendete. Man Es kommt also eine Tendenz wieder auf, die das

fl m ^er ^unst eine Wirkung, die vom Seelischen Wissen um die hohe Würde des Menschen zurück-
issentlich absah und nur dem bloßen Augen-Erlebnis gewonnen hat und den Anspruch erhebt, daß alles dem
wrec~; wurde. Man gestaltete Innenräume, in denen Menschen zu dienen und sein Wesen auszusprechen habe,
tions C ^rage ^er Zweckmäßigkeit oder der Konstruk- In solchen Zeiten entstehen Gebilde, die nicht erregt oder
lje ,s"V,erechtigkeit oder gar der historischen Richtigkeit sehnsüchtig sind, sondern eine rund ausgeschwungene und
Me kWar' nicht aber die Frage, wie der wirkliche zum Gleichgewicht gelangte Bewegung in sich tragen. .
(jen.8 ^ dieser Zeit mit all seinen Schwächen und Tugen- Heute ist, wie gesagt, in der Wissenschaft, in der
Ebe sen turnen würde leben und gedeihen können. Kunst, im Handwerk der »Mensch« wieder zur Geltung
bauk 0 stand es mit der Architektur, mit der Städte- gelangt. Wenigstens ist das Wissen um seinen großen
Rest a'leS' was Menschen geistig oder stofflich Künstler- und Herren-Beruf kraftvoll im Vordringen; das
gel tr V°™ Menschen zeugen muß, daß es sein Sie- Streben nach der Ruhelage, in der sich alle Wahr-
hund 3^en! Se'n Wort sein muß, das wurde im 19. Jahr- heiten, alle Werte, alle Stoffe fügsam und sinnvoll nach
sagend 'ß0^ Gegriffen. Man kann ohne Übertreibung dem Gesetz des Menschen ordnen, wirkt sich immer deut-
und n' k ^'v''isation dieser Zeit ent-menscht war, licher und klarer aus. Es beginnt in unserem Weltbild
vom M umsonst wurde ihr Herrscher und Symbol die allmählich eine neue, eine »menschliche Perspektive«
heure j^" emanzipierte »Maschine«. Eine unge- Platz zu greifen, eine Perspektive mit richtigen Vorder-
Alles h tf"0 gre^ende Entseelung des Lebens trat ein. gründen und sinnvollen Verjüngungen, die alle auf
als die K& gegen ^en Menschen recht. Der Mensch, unser Auge und unseren Leib bezogen sind. Können
Würde und°D^ ^c^°PIunK nahm sich selbst seine wir auch noch nicht sagen, daß die Ergebnisse dieser
ßen Naturzus*1180^16 a'S etwas Anonymes in den gro- Tendenz von letzter Bedeutung und von Dauer sein
viel oder «?1 Sammenhang, in dem alles Einzelne gleich- werden: als Tendenz müssen wir sie bejahen und ihr
e weni8 gilt. Die Weltauffassung des »Na- durch unsere Arbeit ständig dienen . . Wilhelm michel.

1936. L. 2.
 
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