Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 36.1925
Cite this page
Please cite this page by using the following URL/DOI:
https://doi.org/10.11588/diglit.11737#0122
DOI article:
Ritter, Heinrich: Mensch und Umwelt: östliches und westliches Wohnen
DOI Page / Citation link: https://doi.org/10.11588/diglit.11737#0122
104
INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT G. A. HUFSCHMID IN GENF WOHNZIMMER. HAUS W. R.-WINTERTHUR
MENSCH UND UMWELT
ÖSTLICHES UND WESTLICHES WOHNEN
Ostliches und westliches Wohnen: dort Teppiche, »Drum in der Gegenwart der Himmlischen würdig zu
Leichtigkeit, verschiebbare Dinge, Polster, Matten, stehen, / Richten in herrlichen Ordnungen Völker sich
kaum Wände, kaum feste Häuser; hier objektivierte auf / Untereinander und bauen die schönen Tempel und
Formen und Behälter, gewissermaßen feste Gefäße, eine Städte, /Fest und edel, sie gehn über Gestaden empor«,
wahre Welt von Dingen, in denen der Mensch mehr Gast Der östliche Mensch drückt in seiner privaten Wohnung
als Herr ist. Aber das Wesentliche des Unterschieds: den Gedanken aus, daß der Mensch vergeht, daß Gott
in der östlichen Wohnweise überläßt sich der Mensch allein das Wirkliche ist. Der westliche Mensch aber er-
dem großen Zusammenhang der Natur, — in der west- baut seine formenreiche Kultur und kämpft mit allen Erden-
lichen baut er sich eine eigene, objektive Ordnung auf. kräften, um das Göttliche im Gebilde darzustellen! .
Darin liegt auch die Verschiedenheit der entsprechenden *
Zivilisationen; die eine sucht die Realisierung des inneren Die Natur bekämpft das Ich des Menschen, d. h. sie
Menschen, die zweite erbaut die objektive Form und sucht ihn, wo er sich ihr überläßt, zu überreden, daß er
Gestalt . . Ein Orientale äußerte: »Ich halte es für un- sein Ich-Bewußtsein aufzugeben und in das Meer der
schicklich, daß der Mensch sich ein Haus errichte, wel- Geschöpfe unterzutauchen habe . . In der Menschenwelt
ches eine Dauer über viele Zeiten hinaus anstrebt. Der aber, im städtischen Leben, wird ständig an der Schär-
Mensch soll nicht Ewiges machen wollen; es ist das Rieh- fung, Durchmodellierung und Bestärkung des Ich-Ge-
tige, daß sich ein Haus zugleich mit ihm verbraucht; damit fühles gearbeitet . . Es ist verkehrt, diesen Gegensatz
ist ihm Genüge geschehen.« Man halte solche Äußerung als ein »Entweder-Oder« zu behandeln und etwa die
östlicher Denkweise gegen die westliche Baugesinnung; Stadt zu fliehen, weil sie jene Auflösung des Ich-Ge-
man vertiefe sich in den Unterschied und man hat fühls nicht geben kann, — oder die Natur zu fliehen,
etwas für den Weg der Menschheit Wesentliches be- weil sie der Individualisierung entgegenwirkt. Der
griffen! Unsere Bau- und Wohngesinnung ist letzten Mensch bedarf vielmehr der beiden Einwirkungen, und
Endes immer noch von den Griechen bestimmt. Sie ist es ist Sache des höheren Lebens-Wissens, sich ihnen auf
keineswegs unfromm, sondern gerade aus Frömmigkeit geordnete und sinnvolle Weise abwechselnd auszusetzen,
sucht sie das Dauernde, das aus sich lebende Gebilde: Wer normaler Weise in der Stadt lebt, wird das voll-
INNEN-DEKORATION
ARCHITEKT G. A. HUFSCHMID IN GENF WOHNZIMMER. HAUS W. R.-WINTERTHUR
MENSCH UND UMWELT
ÖSTLICHES UND WESTLICHES WOHNEN
Ostliches und westliches Wohnen: dort Teppiche, »Drum in der Gegenwart der Himmlischen würdig zu
Leichtigkeit, verschiebbare Dinge, Polster, Matten, stehen, / Richten in herrlichen Ordnungen Völker sich
kaum Wände, kaum feste Häuser; hier objektivierte auf / Untereinander und bauen die schönen Tempel und
Formen und Behälter, gewissermaßen feste Gefäße, eine Städte, /Fest und edel, sie gehn über Gestaden empor«,
wahre Welt von Dingen, in denen der Mensch mehr Gast Der östliche Mensch drückt in seiner privaten Wohnung
als Herr ist. Aber das Wesentliche des Unterschieds: den Gedanken aus, daß der Mensch vergeht, daß Gott
in der östlichen Wohnweise überläßt sich der Mensch allein das Wirkliche ist. Der westliche Mensch aber er-
dem großen Zusammenhang der Natur, — in der west- baut seine formenreiche Kultur und kämpft mit allen Erden-
lichen baut er sich eine eigene, objektive Ordnung auf. kräften, um das Göttliche im Gebilde darzustellen! .
Darin liegt auch die Verschiedenheit der entsprechenden *
Zivilisationen; die eine sucht die Realisierung des inneren Die Natur bekämpft das Ich des Menschen, d. h. sie
Menschen, die zweite erbaut die objektive Form und sucht ihn, wo er sich ihr überläßt, zu überreden, daß er
Gestalt . . Ein Orientale äußerte: »Ich halte es für un- sein Ich-Bewußtsein aufzugeben und in das Meer der
schicklich, daß der Mensch sich ein Haus errichte, wel- Geschöpfe unterzutauchen habe . . In der Menschenwelt
ches eine Dauer über viele Zeiten hinaus anstrebt. Der aber, im städtischen Leben, wird ständig an der Schär-
Mensch soll nicht Ewiges machen wollen; es ist das Rieh- fung, Durchmodellierung und Bestärkung des Ich-Ge-
tige, daß sich ein Haus zugleich mit ihm verbraucht; damit fühles gearbeitet . . Es ist verkehrt, diesen Gegensatz
ist ihm Genüge geschehen.« Man halte solche Äußerung als ein »Entweder-Oder« zu behandeln und etwa die
östlicher Denkweise gegen die westliche Baugesinnung; Stadt zu fliehen, weil sie jene Auflösung des Ich-Ge-
man vertiefe sich in den Unterschied und man hat fühls nicht geben kann, — oder die Natur zu fliehen,
etwas für den Weg der Menschheit Wesentliches be- weil sie der Individualisierung entgegenwirkt. Der
griffen! Unsere Bau- und Wohngesinnung ist letzten Mensch bedarf vielmehr der beiden Einwirkungen, und
Endes immer noch von den Griechen bestimmt. Sie ist es ist Sache des höheren Lebens-Wissens, sich ihnen auf
keineswegs unfromm, sondern gerade aus Frömmigkeit geordnete und sinnvolle Weise abwechselnd auszusetzen,
sucht sie das Dauernde, das aus sich lebende Gebilde: Wer normaler Weise in der Stadt lebt, wird das voll-