Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 36.1925
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https://doi.org/10.11588/diglit.11737#0285
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Hölderlin, Friedrich: Der Genius der Kühnen: Worte
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INNEN-DEKORATION
entw.i ali lichtenstein-darmstadt tüllvorhang mit reicher stickerei
DER GENIUS
worte von fri]
Oft hör' ich deine Wehre rauschen, du Genius der
Kühnen! und die Lust, den Wundern deines Hel-
denvolks zu lauschen, sie stärkt mir oft die lebensmüde
Brust. Doch weilst du freundlicher um stille Laren, wo
eine Welt der Künstler still belebt, wo um die Majestät des
Unsichtbaren ein edler Geist der Dichtung Schleier webt.
*
Zu lang, zu lang, schon treten die Sterblichen sich
gern aufs Haupt und zanken um Herrschaft sich, den
Nachbar fürchtend, und es hat auf eignem Boden der
Mann nicht Segen. Und unstet weh'n und irren, dem
Chaos gleich, dem gärenden Geschlechte die Wünsche
noch umher, und wild ist und verzagt und kalt von Sorgen
das Leben der Armen immer . . Du aber wandelst
ruhig die sichere Bahn, o Mutter Erd' im Lichte!
Dein Frühling blüht. Melodischwechselnd gehn dir
ein die wachsenden Zeiten, du Lebensreiche!.....
*
Wirken soll der Mensch, der sinnende, soll entfaltend
das Leben um ihn fördern und heitern! Denn hoher Be-
deutung voll, voll schweigender Kraft umfängt den ahnen-
den: daß er bilde, die große Natur. Daß ihren Geist
hervor er rufe, trägt die Sorg' im Busen und die Hoff-
nung der Mensch. Tiefwurzelnd strebt das gewaltige
DER KÜHNEN
drich hölderlin
Sehnen in ihm auf. Und viel vermag er; und herrlich ist
sein Wort; er wandelt die Welt . . O Seele! Seele!
Schönheit der Welt! Du unzerstörbare . . Wie sollten
wir den Trieb, unendlich fortzuschreiten, uns zu
läutern, uns zu veredeln, zu befreien, verläugnen?
*
Die Klagen lehrt die Not verachten. Beschämt und
ruhmlos läßt sie nicht die Kraft der Jünglinge verschmach-
ten, gibt Mut der Brust, dem Geiste Licht. Der Greise
Faust verjüngt sich wieder. Sie kommt, wie Gottes Blitz,
heran und trümmert Felsenberge nieder und wallt auf
Riesen ihre Bahn. Mit ihrem heil'gen Wetterschlage,
mit Unerbittlichkeit vollbringt die Not an Einem
großen Tage, was kaum Jahrhunderten gelingt. .
*
Nimm nun ein Roß und hämische Dich und nimm /
Den leichten Speer, o Knabe! Die Wahrsagung /
Zerreißt nicht und umsonst nicht wartet / Bis
sie erscheint, Herakles' Rückkehr.........
Vor Alters deuteten / Die Dichter, von selbst, wie
sie / Die Kraft der Götter hinweggenommen. / Wir
aber zwingen/ Dem Unglück ab und hängen die
Fahnen / Dem Siegsgott, dem befreienden auf. . f. h.
entw.i ali lichtenstein-darmstadt tüllvorhang mit reicher stickerei
DER GENIUS
worte von fri]
Oft hör' ich deine Wehre rauschen, du Genius der
Kühnen! und die Lust, den Wundern deines Hel-
denvolks zu lauschen, sie stärkt mir oft die lebensmüde
Brust. Doch weilst du freundlicher um stille Laren, wo
eine Welt der Künstler still belebt, wo um die Majestät des
Unsichtbaren ein edler Geist der Dichtung Schleier webt.
*
Zu lang, zu lang, schon treten die Sterblichen sich
gern aufs Haupt und zanken um Herrschaft sich, den
Nachbar fürchtend, und es hat auf eignem Boden der
Mann nicht Segen. Und unstet weh'n und irren, dem
Chaos gleich, dem gärenden Geschlechte die Wünsche
noch umher, und wild ist und verzagt und kalt von Sorgen
das Leben der Armen immer . . Du aber wandelst
ruhig die sichere Bahn, o Mutter Erd' im Lichte!
Dein Frühling blüht. Melodischwechselnd gehn dir
ein die wachsenden Zeiten, du Lebensreiche!.....
*
Wirken soll der Mensch, der sinnende, soll entfaltend
das Leben um ihn fördern und heitern! Denn hoher Be-
deutung voll, voll schweigender Kraft umfängt den ahnen-
den: daß er bilde, die große Natur. Daß ihren Geist
hervor er rufe, trägt die Sorg' im Busen und die Hoff-
nung der Mensch. Tiefwurzelnd strebt das gewaltige
DER KÜHNEN
drich hölderlin
Sehnen in ihm auf. Und viel vermag er; und herrlich ist
sein Wort; er wandelt die Welt . . O Seele! Seele!
Schönheit der Welt! Du unzerstörbare . . Wie sollten
wir den Trieb, unendlich fortzuschreiten, uns zu
läutern, uns zu veredeln, zu befreien, verläugnen?
*
Die Klagen lehrt die Not verachten. Beschämt und
ruhmlos läßt sie nicht die Kraft der Jünglinge verschmach-
ten, gibt Mut der Brust, dem Geiste Licht. Der Greise
Faust verjüngt sich wieder. Sie kommt, wie Gottes Blitz,
heran und trümmert Felsenberge nieder und wallt auf
Riesen ihre Bahn. Mit ihrem heil'gen Wetterschlage,
mit Unerbittlichkeit vollbringt die Not an Einem
großen Tage, was kaum Jahrhunderten gelingt. .
*
Nimm nun ein Roß und hämische Dich und nimm /
Den leichten Speer, o Knabe! Die Wahrsagung /
Zerreißt nicht und umsonst nicht wartet / Bis
sie erscheint, Herakles' Rückkehr.........
Vor Alters deuteten / Die Dichter, von selbst, wie
sie / Die Kraft der Götter hinweggenommen. / Wir
aber zwingen/ Dem Unglück ab und hängen die
Fahnen / Dem Siegsgott, dem befreienden auf. . f. h.