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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 8.1892-1893

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Muther, Richard: Alte und neue Kunstgeschichte, [1]
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"Märchen und Sage": ein Fest der Münchener Akademiker
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https://doi.org/10.11588/diglit.11054#0250

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Alte und neue Kunstgeschichte. Von A. öutter. — Märchen und §age.

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den Sieger in den heldenmütigen Freiheitskriegen. In keiner Zeit ist die Porträtmalerei in solchem Umfang
geübt worden: das sind keine aristokratischen Höflinge, sondern stolze Bürger eines freien Gemeinwesens, die
Männer ernst, streng, selbstbewußt, die Frauen bieder, gediegen, ehrbar. Dem entspricht die Mache: einfach,
solid, bürgerlich. Nachdem den Holländern so erdenwohl geworden, kam die Verherrlichung dessen, was man
nach den voransgegangenen Kämpfen umsomehr zu schätzen wußte: der still behaglichen Freuden am heimischen
Herde. Und wie das Volksleben, so wurde die Natur des Landes, der dem Feinde abgerungene heimatliche
Boden zum vollgiltigen Gegenstand der Kunst. Während des Befreiungskrieges hatten die Holländer ihr
Vaterland lieben gelernt und waren nun als Künstler die ersten, denen die Poesie der Landschaft völlig zu
eigen ward. Jetzt strahlt die Kunst nicht mehr aus Mariens Auge nur und der Heiligen Schar, sie senkt
sich auf den dürren Landhügel herab, schaukelt sich auf den Meereswellen, ist in der Bauernhütte, im Waldes-
dunkel heimisch, wandelt auf Straßen und Stegen, macht jeden Markt zum Tempel. Doch auch die religiösen
Gefühle, die das protestantische Holland bewegten, mußten ihren ergreifenden Ausdruck finden, der Lebensgehalt
biblischer Stoffe mußte vom engeren kirchlichen Boden losgelöst, mit der ganzen Tiefe germanischer Innerlichkeit
neu ausgesprochen werden. Diese Bestrebungen faßt Rembrandt in sich zusammen, vielleicht von allen Meistern
der christlichen Aera der größte Verkündiger des großen Pan, für den die kosmischen Gewalten von Licht und
Luft das Göttliche bedeuteten, das Michelangelo in der schönen menschlichen Gestalt gemalt hatte.

(Der Schluß im nächsten Hefte.)

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W

Plakat der maskierten Herrenkneipe

Märchen und Sage".

Ein Fest der Münchener Akademiker.

eun mau München das Kompliment macht, es sei
die Stadt der Feste par excellence, so dürfen
dies wohl die Münchener Künstler ausschließlich auf sich
beziehen, denn die Ureingeborenen der Jsarstadt sind
wahrhaftig nicht leichtblütiger und nicht lebenskünstlerischer
angelegt, als die Pfahlbürger andrer Städte. Aber die
Dekorationskunst unsrer jungen Künstlerwelt hat einen
alten Ruf, der nachgerade zu einer historischen Tradition,
zu einem Stil geworden ist und das Völkchen, dem
jeder Tag ein Fest ist, weiß auch ganz Besonderes zu
bieten, wenn es zu besonderen Festen ladet. Davon weiß
Jeder zu erzählen, der etwa das berühmte Waldfest von
Schwaneck, den Festzug zur Zentenarfeier für Ludwig I.
und die lange Reihe jener köstlichen Herrenkneipen mit-
erlebt hat, in denen Kunst und Humor sich so fröhlich
die Hand reichten. Eine Lücke in die Reihe dieser Letz-
teren brachte uns jene traurig berühmte „Kolosseums-
kneipe"; damals ging der Tod in seiner schrecklichsten
Form durch die Reihen der Tafelnden und den Leuten
verging auf lange hinaus der Humor zu solchen Festen.
Erst nach Jahren nahmen sie wieder ihren Anfang. Ein
japanisches Fest, wohl veranlaßt durch des „Mikado"
Triumphzug durch Europa, wurde abgehalten, dann die
Herrenkneipe mit dem phantastisch-kühnen Programm
„Auf dem Meeresgründe" und in diesem Jahre endlich,
am 8. Februar eine andre, deren Devise lautet: „Märchen
und Sage".

Wochenlang vorher war in den Ateliers der Akademie
mit wahrem Bienenfleiß an Dekorations- und Kostüm-
stücken gearbeitet worden und die Leitung der Schule
hatte diese Unterbrechung der normalen Schularbeit gerne
geduldet, denn es konnten die jungen Künstler doch auch
hieran genug lernen für ihr künftig Handwerk. Dann,
ein paar Tage vor dem Fest gings mit den fertigen und
halbfertigen Dekorationsstücken hinaus nach dem Riesen-
saal der Brauerei zum Münchner Kindl — es mag
einer der allergrößten Säle Deutschlands sein. Da wurde
nun die letzte Hand ans Werk gelegt und bald war der
 
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