Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

DOI Heft:
Heft 1 und 2
DOI Artikel:
Das neue Format
DOI Artikel:
Scheffler, Karl: Altamerikanische Kunst
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0042

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
schon mit Bezug auf die ägyptische Kultur korrigiert worden ist. Was
die falsche Einstellung in jedem Fall beseitigt hat, war vor allem die Be-
schäftigung mit der Kunst, die Frage: Was ist Kunst? wo fängt Form-
gestaltung an künstlerisch zu sein? Auf diese Fragen sind in den letzten
Jahrzehnten sehr bestimmte Antworten gegeben worden, Antworten, die
um so freier und vorurteilsloser klangen, je ofFener das Weltmaterial der
Kunst vor unsern Augen ausgebreitet wurde. WTo aber ein Künstlerisches
festgestellt worden ist, da muß auch ein geschichtlicher Ablauf gewesen
sein. Denn Kunst kann sich nur in der Hand begabter Persönlichkeiten
und verbunden mit einem Stilwillen dort entfalten, wo ein geschichts-
bildender Wille ist. Ein Volk erzeugt Künstler in dem Maße, wie es Staats-
männer, Gesetzgeber und Eroberer hervorbringt.

Gegenstände des ethnologischen Interesses gehen die Erkenntnis an;
Werke der Kunst dagegen sind, über Raum und Zeit hinweg, ewig aktuell
und sind alle irgendwie miteinander verwandt. Das Kunstwerk, mag es
gestern entstanden sein oder vor dreitausend Jahren, wendet sich unmittelbar
und immer von neuem an das Lebensgefühl. In der Völkerkunde spricht
man von Gegenständen, in der Kunst von Werken.

*

Zu Gedanken dieser Art — die viel weiter ausgesponnen werden könn-
ten —, regte aufs lebendigste die Ausstellung an, die von den Staatlichen
Museen im Verein mit dem Ibero- Amerikanischen Institut veranstaltet,
in der Akademie der Künste gezeigt wurde und deren Hauptleiter Pro-
fessor Walter Lehmann war. Eine unerwartete Freiheit sprach sich schon
in dem Titel der Ausstellung „Altamerikanische Kunst" aus. Die gezeigten
Werke, die im wesentlichen dem Berliner Museum für Völkerkunde ent-
nommen sind, wurden von vornherein als Kunstwerke gewertet und vor-
geführt, wenn die Auswahl nach diesem Prinzip auch noch schärfer hätte
vorgenommen werden können. Das wäre vor nicht langer Zeit noch un-
möglich gewesen. Sie verdienen so gewertet zu werden, denn es sind zum Teil
prachtvolle Arbeiten der Plastik, der Töpferkunst, der angewandten Malerei, der
Weberei, der Goldschmiedekunst usw., unter diesen Kulturerzeugnisse aus
Mexiko und Peru, Arbeiten, die hier und dort an die einfältig große
ägyptische Form heranreichen. Wenn aber das Künstlerische zugegeben wird,
so muß, nach dem oben Gesagten, den alten Völkern Mittelamerikas auch
eine Geschichte zugestanden werden, obwohl von dieser Geschichte noch
wenig bekannt ist und vielleicht nie viel bekannt sein wird. Der aufmerk-
same Betrachter glaubte denn auch diese Geschichte hier und dort von den
Formen ablesen zu können, er ahnte wenigstens eine Entwicklungslinie,

28
 
Annotationen