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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 4
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Scheffler, Karl: Berliner Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0160

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Berliner

von KARL

Chronik

SCHEFFLER

Max Beckmann

Da, nach einer Formulierung Schopenhauers, der Charakter konstant bleibt, findet sieb
auch in den neuesten, in der Galerie A. Flechtheim ausgestellten Bildern von Max Beck-
mann jenes heroisierende Element wieder, das bereits vor mehr als zwanzig Jahren all-
jährlich in der Berliner Secession vor Beckmanns Arbeiten festzustellen war. Beckmann
hat immer das Ungewöhnliche, Sensationelle und heldenhaft Betonte geliebt, wenn er
eine Amazonenschlacht, eine zornige Gewitterlandschaft, oder den Untergang der „Titanic"
malte, wenn er Dostojewski illustrierte, auf den Spuren Hieronymus Bosch' Träume
malerisch zu realisieren suchte oder wenn er jetzt den Formen seiner Frauengestalten
Mächtigkeit zu verleihen bestrebt ist. Von je war in ihm etwas von einem Deutsch-
Römer, ein romantischer Feuerbachzug. Da die Zeit einen gläubigen Heroismus nun
aber nicht gestattet, so versucht Beckmann es mit einem Heroismus, der im Tiefsten
pessimistisch ist. Und das ist ein Widerspruch in sich selbst. Es kommt ein Stil heraus,
den man tragisch-dekorativ nennen könnte. Es ergeben sich Bilder, die schöne Stellen
aufweisen, die aber alle insofern nicht fertig sind, als die ihnen zugrunde liegende Vor-
stellung gar nicht realisiert werden kann, weil zu viel Unvorstellbares darin ist. Am
weitesten getrieben sind die hier reproduzierten Bilder. In der „Ilonka" — Beckmanns
„Nanna", wie es scheint — triumphiert das starke, akademisch leicht determinierte
Talent am stärksten. Auch „Marseille" ist ein eindrucksvolles Bild. Andere Bilder
schwanken zwischen frei malerischer und streng stilisierender Haltung; zuweilen sind
beide Malweisen auf derselben Bildtafel nachweisbar. Unter den Lebenden bleibt Beck-
mann, das zeigte auch diese Ausstellung wieder, einer der in einem höheren Sinne ehr-
geizigsten Maler. Was ihm im Wege steht, ist ein Zeitschicksal. Wie er damit ringt,
das ist ebenfalls in seiner Art heroisch.

Nationalgalerie und Kronprinzenpalais

Endlich hat Ludwig Justi getan, was in diesen Blättern seit einem Jahrzehnt immer wieder
gefordert worden ist: er hat den Bilderbestand zwischen Nationalgalerie und Kronprinzen-
palais richtig aufgeteilt. Die Franzosen und Liebermann sind endlich in die Nationalgalerie
gekommen, wohin sie gehören. Die Nationalgalerie sieht jetzt folgendermaßen aus: Im
Erdgeschoß sind die Deutsch-Römer versammelt — Feuerbach, Böcklin, Marees, Klinger,
Thoma, Dreber, Schirmer, Lugo, Boehle usw. Haußmann wirkt dazwischen etwas depla-
ciert, aber das ist nur eine Nuance. In den fünf Kabinetten der Apsis schließt sich
Menzel unorganisch an. Im ersten Stock beginnt es links mit Courbet, Delacroix, Daumier
und Millet und führt dann über Constable und Daubigny in den Impressionistensaal, der
genau unter dem Raum des zweiten Stockwerks liegt, wo Tschudi dieselben Bilder einst
aufgestellt hatte. Die StofFtapete ist nicht sehr günstig, das Licht etwas grell und die
Art, immer die Bilder der Meister in Gruppen zusammenzuhängen — Manet, Renoir, Ce-
zanne und Monet —, ist mehr lehrhaft als künstlerisch. Dennoch ist die Aufstellung an
diesem Platz ein großer Gewinn. Es schließen sich die Apsiskabinette an. Sie ent-
halten die deutschen „Malerischen": Burnitz und Lier, Diez, A. v. Keller und den matt
wirkenden Lenbach; Spitzweg, Eysen, Th. Alt, Victor Müller und Sperl, Schuch
und seinen zu stark hervorgehobenen Freund Hagemeister. Dann folgt, das Ge-
genstück des Impressionistensaals, ein gtoßer Liebermannsaal. Das Rot der Tapete ist
ungünstig; aber selbst für einen neuen Anstrich ist heute ja leider Geld kaum aufzu-

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