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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 5
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Scheffler, Karl: Berliner Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0201

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Berliner Chronik

von KARL SCHEFFLER

Flaxman als Erzieher

Bedurfte es wirklich einer Umwertung aller Werte, um die dreißig radierten Illustra-
tionen zu den „Metamorphosen" des Ovid von Picasso entstehen zu lassen, die uns
in der Galerie Flechtheim gezeigt wurden: Der Berg hat eine Maus geboren. Picasso
führt den Betrachter sanft zuiück zu den Zeiten eines dünnblütigen Klassizismus, der
höchste Reinheit der Kunst in einem abstrakten Umrißlinienstil sah. Ungerufen taucht
die Erinnerung an John Flaxman auf, den mäßig akademischen englischen Bildhauer,
der zeitweise Weltruhm gewann mit seinen Umrißstichen zu philhellenisch nachempfun-
denen altgriechischen Dichtungen. Wie Picasso überhaupt immer eine Neigung zur eng-
lischen Girl-Ideologie, zum Präraffaelitischen gehabt hat. Man braucht sich nur seiner
„blauen Periode" zu erinnern. Der Spanier war als Illustrator des Ovid allerdings klug
genug, seine Gliederspiele und Aktphantasien durch Maillols tierchenhafte Fleischlich-
keit determinieren zu lassen. An die Morristradition läßt dann aber wieder der eklekti-
zistisch akademische Geschmack denken, womit Illustrationen und Antiqua-Textseiten
stilistisch sicher zusammengebracht sind. Der überzarte Enkel von Ingres übt in diesen
Radierungen virtuos die Fähigkeit, wegzulassen und in Andeutungen zu sprechen; nur
merkt man zu deutlich die Absicht und wird leise verstimmt. Bei uns hat schon Genelli
vor hundert Jahren ähnliches gemacht. Allerdings weniger dezent, renommistischer,
schwülstiger und etwas peinlich michelangelesk. Im Grunde aber nicht unbegabter.
Was vor diesen kultivierten, wenn auch dünnen Illustrationen Picassos wieder auffällt,
ist ein versteckter Zug von Kunstgewerblichkeit. Er ist in allem, was der Künstler
macht. Flaxman zog seinerzeit die Konsequenzen und arbeitete für die Wedgwood-
Manufaktur. Gehörte die Porzellankunst nicht schon der Vergangenheit an, so könnte
Picasso es einmal mit Süvres versuchen. Jedenfalls haben wir ein Beispiel mehr vor Augen,
wie sich in unserer Zeit die Grenzen von Kunst und Kunstgewerbe verwischen.
Neben diesen Illustrationen — die wieder eine Nuance jenem Lebenswerk hinzufügen, das
man die „Metamorphosen des Picasso" nennen könnte —, waren einige Bilder anderer
Spanier ausgestellt: geschmackvolle Stillebendekorationen von de la Serna und eine geist-
voll manieristisch akzentuierte Aktmalerei (ein Mädchen, das sich die Haare kämmt) von
de lagores. Dieser ganze gefällige spanische Zauber hat etwas Einheitliches. Spanisch-
französisch mutet die Lust an, mit Essenzen zu operieren, die aus einer sinnlicheren und
ursprünglicheren Kunst klug gewonnen sind.

Die Berliner Kunsthochschule

Auf einer kilometerlangen Wanderung von Atelier zu Atelier und durch die endlosen Korri-
dore des Ilochschulgebäudes in der Hardenbergstraße lernte man Unterrichtsergebnisse dieser
Anstalt kennen. Es scheint, daß diese Ausstellung etwas wie eine Antwort auf die in
diesen Heften begonnene und in der Presse fortgeführte Untersuchung über Zweck und
Wert des künstlerischen Hochschulunterrichts sein sollte. Eine würdige Antwort. Dennoch
keine sachlich überzeugende. Daß in dieser Hochschule fleißig und nach Möglichkeit
gründlich gearbeitet wird, ist außer Zweifel; daß die Arbeit aber zu einem guten Ziele
kommt, kann nicht bewiesen werden.

'e wichtigste organisatorische Maßnahme dieser Schule war die nach der Revolution
Lr 0 ste Verschmelzung der alten „Akademie" mit der Kunstgewerbeschule. Dieses Ex-

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