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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 10
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Jähnig, Karl Wilhelm: Eine Unbekannte Elbtallandschaft von C. D. Friedrich
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0380

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Eine unbekannte Elbtallandschaft von C. D. Friedrich

von K. W. JAHN IG

Der Dresdner Galerie ist vor kurzem von dem Dresdner Museumsverein
eine Mittelgebirgslandschaft von C. D. Friedrich geschenkt worden. Nach
der Vernichtung einiger der schönsten Bilder Friedrichs durch den Glas-
palastbrand ist die Auffindung dieses bedeutenden, bisher unbekannten und,
soweit ich sehe, auch in der älteren zeitgenössischen Literatur nicht er-
wähnten Werkes ein besonders erfreulicher Gewinn. Überdies offenbart
das neue Werk mit seiner Wirklichkeitsnähe und seiner unbeschwerten,
ja heiteren Stimmung eines Sommermorgens eine Seite Friedrichschen We-
sens, die uns dieser große melancholische Einsame nur selten zukehrt.
Die Anregung zu dem Bilde mag dem Maler die böhmische Elbtalland-
schaft gegeben haben, derselbe freundlich sanfte Landstrich, den wir schon
auf seinem ersten größeren Olbilde antreffen, der 1808 entstandenen
„Sommerlandschaft mit dem Liebespaar" (jetzt in der Neuen Pinakothek in
München).

Den Vordergrund des Bildes nimmt der Gipfel eines Berges mit hoch in
die freie Luft aufragender Fichtengruppe ein; kräftig steht sein Braunrot-
Grün gegen die hellen Töne der dunstigen Tallandschaft und des hohen
Himmels. Auf diesem Vordergrund ist eine reiche Fülle von Details aus-
gebreitet, die die ganze Meisterschaft Friedrichs in der eindringlichen
Schilderung des Individuellen und Charakteristischen der Naturwesen und
ihrer Lebensbedingungen zeigt. Ein steiniger, von Felsblöcken bedeckter
Boden, mit dürftigem Gras überwachsen, bietet einigen Sträuchern und
einer Gruppe von Fichten karge Nahrung. Die Struktur des hartkantigen
Gesteins, des schwankenden Laubwerkes und des strengen Wuchses der
Fichten und ihre durch Alter und Standort bedingte Sonderform ist mit
Nachdruck klargelegt. Mit der Schärfe der Beobachtung verbindet sich
die Friedrich eigentümliche Beseelung der Geschöpfe, seine Einfühlung in
ihr Wesen, die alles Individuelle zu anschaulichen Symbolen ewigen Wer-
dens verdichtet. Hinter dem Gipfel liegt in der Tiefe das Flußtal, einge-
bettet in lange Höhenzüge. Leider vermag die auf die Verdeutlichung
des Vordergrundes eingestellte Photographie nichts von der Schönheit dieser
im Glanz des frühen Tages schimmernden Landschaft wiederzugeben: nicht
das Ebene, Gebreitete des hellgrünen Tales mit dem blinkenden Flußlauf,
nicht das sanfte Ansteigen und Sichwölben der niedrigen Anhöhen und
das weite Sichdehnen der dunstigen, fernen blauen Höhenzüge, nicht die
strahlende Klarheit und Helligkeit des von zartestem Gelb zu Hellblau
aufsteigenden Morgenhimmels mit den leichten bläulichen Wolkenstreifen,

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