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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 9
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Grosz, George: Briefe aus Amerika, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0331

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Briefe aus Amerika. II

von GEORGE GROSZ

Heute Montag früh von Applebrook zurück. Sitze nun hier in meinem
Hotelzimmer mit einer Pipe „King cole" und schreibe. Sandte Dir, ebenso
Cläre und Victor aus Applebrook längere Briefe. Es regnete gestern dort
draußen. Louis war, typisch, Bridge spielen, so hatte ich Zeit und Muße
zum Schreiben, sonst kommt man kaum dazu... wie ich schon schrieb,
nur so in Pausen, wenn man gerade irgendwo wartet. Heute erhielt ich
einen Brief von „New Yorker", soll ihnen Zeichnungen senden. Eindrücke
von hier. Anfang. Beim Abschied heute schenkte mir Louis noch ein Paar
pikfeine Hosenträger... meine machten mich reichlich nervös, rutschten
immer an den Schultern. Er hatte ein halbes Dutzend neue extra für sich
bei Saks machen lassen, Leinen zum waschen, sehr nett. Vorgestern abend
waren wir im Applebrook ein paar Gäste. Ein Bankier mit seiner Frau.
Stinkreiche Leute. Die Frau Bankier lachte ständig, amerikanisch die Zähne

bleckend (echt). Gegenüber saß eine Frau, F......genannt (hier heißt

jeder beim Vornamen), die war eine große Modekünstlerin und später die
Freundin eines Tabakkönigs. In ihrem Salon hatte sie ständig sehr hübsche
junge Damen, die sie insgeheim (sagt Louis) an ihre Kundschaft ver-
kuppelte. Die Mädchen mußten dann nachher, wenn sie die große Karriere
gemacht, mit ihrem Millionärfreund bei ihr einkaufen. Gelungen, nicht,
obwohl nicht neu. Mode und so gehören ja ein wenig zusammen. Un-
gefähr 48 Jahre alt, natürlich von Geburt russische Jüdin, war sie, neben
ihrem horrenden Einkommen aus dem Modesalon, eine der gewagtesten
Frauenspekulantinnen an der Börse in New York. Sie erzählt unter anderem,
daß sie eines Tages in einer halben Stunde zwei Millionen Dollar verdiente
in der guten sagenhaften Zeit, vor vier, fünf Jahren, als hier, wird immer
wieder erzählt, das Geld nur so von den Bäumen fiel. Man brauchte nur
zu schütteln. Römisch. Alt-Rom denke ich oft... Nicht nur, wenn ich
solche Geschichten höre. Davon später. Francis kam in Hosentracht, schwarzer
samtartiger Stoff. Kleines Jäckchen. Hätte sie für Irländerin gehalten. Heute
hat sie genug „zum Leben" ... was man so hier in diesen Kreisen darunter
versteht. Hat viel verloren. Aber immerhin reichts für Villa in Palm-Beach,
einigen guten Wagen usw. Sie erzählte, um die Krise anzudeuten und
daß man sparen müsse, daß sie diesmal leider nur für einige hundert
Dollar auf irgendeinem sale Sachen für ihren Mann hätte kaufen können.
Das geht gleich dutzendweise, vier Dutzend Kravatten, mehrere Kamel-
mäntel und so. Dies nur, um Dir mal so ein Bild zu geben, was man hier
„Krise" in manchen Kreisen nennt und die Auffassung davon. Rom. Die

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