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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 5
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Wehlte, Kurt: Röntgenuntersuchungen im Wacker-Prozeß
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0189

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Röntgenuntersuchungen im Wacker-Prozeß

von KURT WEHLTE

Der ungewöhnliche Prozeß gegen Otto Wacker war ein Prüfstein für die
Sachverständigen und zeigte die Zuverlässigkeitsgrenzen der verschieden-
artigen Gutachten in problematischer Weise. In vereinzelten Fällen, wo
Meinungsverschiedenheiten bestanden, erhoffte der richterliche Beurteiler
objektive Ergebnisse von den technischen Bilduntersuchungen. Nach einer
maltechnischen Beurteilung — denn diese ist in jedem Falle Voraussetzung
für das Folgende — nahm ich an zehn Objekten röntgenographische Unter-
suchungen vor. Bei richtig gewählter Strahlenqualität und Dosierung zeigt
der Röntgenfilm alle schwer durchdringbaren Materialien als weiße Strahlen-
schatten. Die weniger absorbierenden Stoffe lassen entsprechende Grauwerte
in feinsten Abstufungen entstehen. Dabei tritt die Pinselhandschrift des
Malers in verstärktem Maße hervor. Uberlagerungen verschiedener Farb-
schichten werden deutlicher erkennbar und erlauben dem Erfahrenen weit-
gehende Einblicke in die Arbeitsweise des Künstlers und in die von ihm
verwendeten Werkstoffe vom Malgrund bis zur obersten Bildschicht. Firnis-
überzüge und Schmutzschichten, die den optischen Eindruck beim Be-
trachten eines Gemäldes bisweilen stark beeinträchtigen, werden röntgeno-
graphisch nicht erfaßt und bleiben daher ohne störenden Einfluß. Die
Rentoilierungsleinwand erscheint im Röntgenbild ebenfalls nicht und läßt
den Weg zur Beurteilung von Gewebe und Malgrund des Originals un-
gehindert offen. Die naheliegende Möglichkeit, Fälschungen auch auf fran-
zösischen und belgischen Malleinen auszuführen, erlaubte in der kurzen Zeit,
die mir für die Untersuchungen zur Verfügung stand, noch keine klaren
Schlüsse. Materialaufnahmen von Geweben mit Messungen sollen noch
nachgeholt werden. Bei den hier abgebildeten Beispielen handelt es sich
um je zwei Gegenüberstellungen von zweifelsfrei echten Gemälden und
von entsprechenden Reprisen der Kunsthandlung Wacker.
Der Mäher im Kornfeld der Nationalgalerie Berlin zeigt eine folgerichtige
Steigerung der Farbschichtstärke in ähnlicher Weise, wie ich sie bei zahl-
reichen Untersuchungen an Rembrandt-Gemälden gefunden habe. Die Sonne
ist in flüssiger sicherer Malweise in den Himmel geschrieben. Ein anderes
Bild bietet die durch Wacker in den Handel gebrachte Fassung des gleichen
Motivs. Statt der großen Wellenbewegung in Steigerung und Abklingen
der Farbsubstanz im Original zeigt sich hier ein schwächliches Gekräusel.
Van Goghs markante Pinselstriche der obersten Malschicht wurden bei der
Wackerschen Reprise Selbstzweck und blieben leere Manier schon von
Grund auf. Zufallsstriche im Himmel rechts über den Bergkonturen, im

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