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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 1 und 2
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Heft 3
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Ott, Konrad: Erinnerungen an die Erwerbung des Mannheimer Manetbildes "Die Erschießung Kaiser Maximilians"
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Die Kritiker Manets
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0120

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in dreißig Jahren verhältnismäßig noch gelten, gemessen etwa an den Werken eines
Menzel oder Leibi". Und von der „Erschießung Maximilians" heißt es: „Alle haben
doch Augen im Kopfe, um zu bemerken, daß an dem Bilde Luft- und Linearperspektive
im Verhältnis der Füsilierten zu der Soldatengruppe sich nicht decken; daß kein Schatten
sein kann, wo die Sonne hinscheint; daß Schatten nicht Überzwerg und kreuzweise laufen,
sondern parallel; daß man auf fünf Meter Entfernung die Finger ineinander gelegter
Hände sieht und nicht einen wirren Fleischklumpen; daß Körper rund sind und nicht
plattgedrückt wie auf Pfefferkuchen; daß endlich die ganze Situation im Räume un-
möglich ist, von der Brutalität und Unwürdigkeit des dargestellten Vorgangs zu schweigen."
Diesem Werturteil erlagen damals viele. Um die Meisterschaft Manets zu leugnen, zwei-
felte man sogar das Sehvermögen des Künstlers an und führte Manets Skizzenhaftig-
keit auf Astigmatismus seiner Augen zurück.

Die Wogen des Meinungsstreites über das Manetbild waren im Mannheimer Stadtparla-
ment im November 1912 noch nicht verebbt. Noch einmal wurde im Bürgerausschuß
heftig über Wert und Unwert französischer Kunst gestritten, wurden gegen Wicherts
weitblickende Kunstpolitik leidenschaftliche Angriffe unternommen. Auch den Kriegs-
jahren, in denen sich zuweilen das Urteil über Kunstdinge verwirrte, verdanken wir
noch einen Nachhall der Mannheimer Manetaffäre in der Broschüre von Oskar Grass
„Kunst und Geschäft", Rolandverlag, Bremen. Darin lesen wir: „Wer das Gemälde ge-
sehen hat und Manets Werke kennt, weiß, daß es sich um sein vielleicht schlechtestes
Bild handelt. Manet war nicht fähig, etwas zu verfertigen, das auch nur ein bißchen
Phantasie forderte".

Was damals an abfälligen Urteilen über Manets Werk gefällt wurde, ist heute wie Spreu
verweht. Dicker Aktenstaub lagert über den Berichten des Meinungskampfes, der mit
soviel Geräusch einst die Öffentlichkeit in Deutschland aufgewühlt hat. Die Zeit, die
Richterin über alles Wertbeständige, hat denen recht gegeben, die die Schätzung Ma-
nets in Deutschland am Eindruck des Mannheimer Werkes weiter erstarken sahen.
Wiehert ist gerechtfertigt; seine Prophezeihung hat sich erfüllt, die er am 30. Januar 1930
aussprach: „Es wird sich erweisen, daß dieses Bild der Mannheimer Galerie zum dauern-
den Ruhm gereicht."

Anmerkung der Redaktion: Hei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß die Mannheimer Kunsthalle im
Mai ihr fünfundzwanzigjähriges Bestehen duich die Eröflnung einer Ausstellung feiert, die an alle wesent-
lichen Veranstaltungen des Instituts erinnern soll.

Die Kritiker Manets

G. Charensol hat eine Reihe von Kritiken zusammengestellt, die gelegentlich der Aus-
stellung von Edouard Manets „Olympia" im Pariser Salon 1865 erschienen sind. Wir
geben eine Auswahl — von Rose Richter, Wien, übersetzt — in Ergänzungen der oben
mitgeteilten Mannheimer Erinnerungen.

Paul de Saint-Victor schreibt in der „Presse" (28. Mai 1865) "Die Menge drängt sich wie
in der Morgue angelockt von dem Verwesungsgeruch der „Olympia" Manets. Diese so
tief gesunkene Kunst verdient nicht einmal mehr einen Tadel. „Sprechen wir nicht von
ihnen, schau und geh weiter!" sagt Virgil zu Dante in den tiefsten Tiefen der Hölle.
Nur passen die Karikaturen Manets besser in die „Hölle" Scarrons als in die Dantes.«
Theophile Gautier im „Moniteur universel" (24. Juni): "Nun kommen wir mit einigem
Widerwillen zu den Bildern des Herrn Manet. Es ist eine heikle Sache, von ihnen zu
sprechen und doch kann man sie nicht mit Stillschweigen übergehen. Nach der Meinung

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