Der Fall Wacker
von GRETE RING
. . . „Diese Zeit ist vorüber, sagte Eduard,
und Du magst Dich nur in acht nehmen, daß
sie Dich nicht ertappen; denn mit Laien mag
es Dir wohl gelingen, aber nicht mit Ken-
nern, wie der alte Walther einer ist." „Laß
gut sein, mein Kindchen, sagte der alte Maler,
die Kenner sind gerade am besten zu be-
trügen, und mit einem Unerfahrenen möcht'
ich gar nicht einmal anfangen ..."
Ludwig Tieck: Die Gemälde, i8ai
Die Vorgeschichte
Ein jugendlicher Tänzer, Olindo Lowael, alias Otto Wacker, Sohn eines
Düsseldorfer Malers, taucht eines Tages im Gesichtskreis des Berliner
Kunsthandels auf. Zunächst — man schreibt etwa 19 z 2 — offeriert
er dem kleineren Handel vergleichsweise bescheidene Objekte, Arbeiten
der holländischen und Düsseldorfer Schule, als Hauptstücke einmal einen
Israels, einen Achenbach, Schuch, Uhde, Trübner. Trotz günstiger Exper-
tisierung einer Reihe der Stücke durch Rosenhagen, durch Meier-Graefe,
ist man mißtrauisch, die Bilder werden großenteils als bedenklich abge-
lehnt. Ende 1925/26 erscheint W. plötzlich mit einer Anzahl von Bildern
Vincent van Goghs, die er, eines nach dem anderen, im Berliner Handel
absetzt. Im Anfang noch ein wenig „ä cote" bleibend, dringen die Bil-
der bald in die angesehensten Häuser des Handels mit französischen
Impressionisten. Der Verkauf wird erleichtert bzw. ermöglicht durch
die rückhaltlose Anerkennung der Bilder von Seiten des holländischen
Experten B. de la Faille, dessen Bestätigung zugleich Aufnahme in den
von ihm bearbeiteten Catalogue raisonne des van Gogh-Werkes gewähr-
leistet. Expertisen von Meier-Graefe und Rosenhagen geben den Stücken
weiteres Gewicht. Ende 1926 richtet W. eine stattliche „Beletage" in
einem der elegantesten Vorkriegshäuser der Viktoriastraße ein: es ist das
Haus Exzellenz von Ihnes, des kaiserlichen Hofarchitekten; die obligaten
Sammetwände, eine wohldurchdachte Beleuchtung geben das Bild ge-
schmackvoll gepflegter Opulenz, das für den Verkauf hochwertiger Bilder
in Berlin als notwendig angesehen wurde. Im Januar 1927 finden in der
Viktoriastraße zwei van Gogh-Ausstellungen statt, beide unter Mitwirkung
de la Failles vorbereitet, der eine Trennung des Materials anregt und mit-
durchführt: die eine Schau, auf Gemälde beschränkt, ist für den
15. Januar bei Paul Cassirer angesetzt; mit der anderen, auf Zeichnungen
spezialisierten, eröffnet W. etwas früher seinen Kunstsalon. Verdienter
Erfolg bei Publikum, Presse und Kollegen dankt ihm für die in der Tat
15?
von GRETE RING
. . . „Diese Zeit ist vorüber, sagte Eduard,
und Du magst Dich nur in acht nehmen, daß
sie Dich nicht ertappen; denn mit Laien mag
es Dir wohl gelingen, aber nicht mit Ken-
nern, wie der alte Walther einer ist." „Laß
gut sein, mein Kindchen, sagte der alte Maler,
die Kenner sind gerade am besten zu be-
trügen, und mit einem Unerfahrenen möcht'
ich gar nicht einmal anfangen ..."
Ludwig Tieck: Die Gemälde, i8ai
Die Vorgeschichte
Ein jugendlicher Tänzer, Olindo Lowael, alias Otto Wacker, Sohn eines
Düsseldorfer Malers, taucht eines Tages im Gesichtskreis des Berliner
Kunsthandels auf. Zunächst — man schreibt etwa 19 z 2 — offeriert
er dem kleineren Handel vergleichsweise bescheidene Objekte, Arbeiten
der holländischen und Düsseldorfer Schule, als Hauptstücke einmal einen
Israels, einen Achenbach, Schuch, Uhde, Trübner. Trotz günstiger Exper-
tisierung einer Reihe der Stücke durch Rosenhagen, durch Meier-Graefe,
ist man mißtrauisch, die Bilder werden großenteils als bedenklich abge-
lehnt. Ende 1925/26 erscheint W. plötzlich mit einer Anzahl von Bildern
Vincent van Goghs, die er, eines nach dem anderen, im Berliner Handel
absetzt. Im Anfang noch ein wenig „ä cote" bleibend, dringen die Bil-
der bald in die angesehensten Häuser des Handels mit französischen
Impressionisten. Der Verkauf wird erleichtert bzw. ermöglicht durch
die rückhaltlose Anerkennung der Bilder von Seiten des holländischen
Experten B. de la Faille, dessen Bestätigung zugleich Aufnahme in den
von ihm bearbeiteten Catalogue raisonne des van Gogh-Werkes gewähr-
leistet. Expertisen von Meier-Graefe und Rosenhagen geben den Stücken
weiteres Gewicht. Ende 1926 richtet W. eine stattliche „Beletage" in
einem der elegantesten Vorkriegshäuser der Viktoriastraße ein: es ist das
Haus Exzellenz von Ihnes, des kaiserlichen Hofarchitekten; die obligaten
Sammetwände, eine wohldurchdachte Beleuchtung geben das Bild ge-
schmackvoll gepflegter Opulenz, das für den Verkauf hochwertiger Bilder
in Berlin als notwendig angesehen wurde. Im Januar 1927 finden in der
Viktoriastraße zwei van Gogh-Ausstellungen statt, beide unter Mitwirkung
de la Failles vorbereitet, der eine Trennung des Materials anregt und mit-
durchführt: die eine Schau, auf Gemälde beschränkt, ist für den
15. Januar bei Paul Cassirer angesetzt; mit der anderen, auf Zeichnungen
spezialisierten, eröffnet W. etwas früher seinen Kunstsalon. Verdienter
Erfolg bei Publikum, Presse und Kollegen dankt ihm für die in der Tat
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