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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 10
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Scheffler, Karl: Max Slevogt
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0367

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Max Slevogt t

von KARL SCHEFFLER

Deutschland hat einen seiner besten Künstler verloren, ja einen seiner
Besten schlechthin. In einer Zeit, wo der Verlust doppelt zählt.
Die Nation kann sich in diesem Künstler selbst wiedererkennen; denn
Slevogt war so sehr der Ihre, daß seine Eigenart, sein Talent eigentlich
nur in Deutschland denkbar ist. In jedem anderen Lande wäre eine Künstler-
erscheinung, deren Kräfte so gemischt sind, unvorstellbar. Deutsch war in
Slevogt die eigene Mischung von Augenlust und Freude am Gleichnis,
der geistvolle Dualismus von schauender und dichtender Phantasie, das
Nebeneinander von naiver Wildheit und schöner Zartheit; deutsch war die
Freude am Spiel mit dem Lebensabenteuer, das fast unbewußte, arabesken-
frohe Philosophieren des Griffels, der Ehrgeiz zum Genialen und die Ro-
mantik einer Seele, die sich Einmaligkeit wünschte.

Im Lebenswerk jedes bedeutenden Malers dominiert eine bestimmte Sub-
stanz, eine charakteristische Stoffwelt herrscht vor. Bei Liebermann heißt
diese Grundsubstanz Holland, bei Menzel ist es das alte Preußen und das
neue Berlin, bei Manet ist es Paris, bei Delacroix war es — im weitesten
Sinne — der Orient. In Slevogts Lebenswerk läßt sich diese Substanz nicht
konkret bezeichnen. Soll sie umschrieben werden, so ließe sich sagen:
es ist die Welt der Dichtung, der Musik, der Sage und Legende, die Welt
des Mythos. Es ist also nicht ein Stück Natur, sondern es ist Kultur, das
heißt Etwas, das schon einmal durch die Phantasie der Menschheit dahin-
gegangen und von ihr gestaltet worden ist. Slevogt hat als Künstler das
Künstlerische verherrlicht.

Um in dieser Weise gestalten zu können, hat er alles Leben und Ge-
schehen auf eine Bühne gehoben, es dort dramatisch gesteigert und kon-
zentriert beleuchtet. In seiner Ganzheit ist dieses Lebenswerk etwas wie
ein Lied des Lebens, es läßt an eine in Gleichnissen, gestaltenreich und
melodisch sich dahin bewegende Oper denken. Slevogt selbst blies eine
Zauberflöte. Nach ihrem Takt bewegte sich Altes und Neues, Fernes und
Nahes, nahm das Wesenlose Gestalt an und wuchs die Form in barocker
Fülle. Fragt man der Naturbestimmung dieses aufrauschenden Lebenswerkes
nach, so findet man nicht den Willen zur künstlerischen Entdeckung
darin; man kann nur sagen: es blüht. Es hinterläßt seine Spur in der Ge-
schichte, weil es von malerischen und dichterischen Einfällen wie in tausend
Facetten glänzt, weil in einem Zauberspiegel eine ganze Welt von Geist
aufgefangen ist.

Diese wenigen Worte müssen unter dem ersten Eindruck des Verlustes

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