Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932
Cite this page
Please cite this page by using the following URL/DOI:
https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0146
DOI issue:
Heft 4
DOI article:Briefe von Degas
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0146
meiner Sorgen und Schmerzen, trotz der überall hemmenden Schwäche mei-
ner Augen.
Meine Pläne hatte ich in einem Schrein aufgehäuft, dessen Schlüssel
ich immer bei mir trug, dieser Schlüssel ist verloren. Ich fühle nun, daß
ich den schlafsüchtigen Zustand, in dem ich mich jetzt befinde, nicht
mehr werde ändern können. „Ich habe eine Beschäftigung", wie Leute
sagen, die nichts zu tun haben, das ist alles.
Ich schreibe Ihnen das alles, ohne eigentlich zu wissen warum, es genügte
auch, Sie einfach um Verzeihung für meine Unhöflichkeit zu bitten . . .
An Bartholome.
Freitag.
(19. Dezember 1884.)
Ich wartete auf Nachricht, anstatt Ihnen zuvor zu kommen. Ich weiß,
im Grunde bin ich ein wenig herzlos. Und was ich an Herz noch besaß,
ist nicht mehr geworden durch Familien- und andere Sorgen. Übrig ist
nur geblieben, was man mir nicht mehr rauben konnte, nur zu wenig.
Mir genügt es, aber meine Freunde müssen darunter leiden.
Immer sind Sie beide, und ohne erst zu überlegen, voller Güte und
Freundlichkeit zu mir gewesen. Sie haben alle beide zu tragen, die eine
an der Krankheit, der andere an der quälenden Ungewißheit, und ich
wählte diesen Moment, um Ihnen nichts von dem, was Sie mir gewesen
sind, zurückzugeben. So handelt nur ein Mensch, der Schluß machen und
sterben will, einsam, ohne alles Glück.
An Bernhardi de Valernes.
Paris, den z6. Oktober.
(1890)
.......Ich möchte Sie hiermit noch wegen einer Sache um Verzeihung
bitten, die so oft in Ihrer Unterhaltung und vielleicht noch öfter in Ihren
Gedanken fühlbar war: Daß ich im Laufe unserer langen Gespräche über
Kunst Ihnen gegenüber zu schroff gewesen bin, oder wenigstens, daß
ich es zu sein schien.
Ich war es nur gegen mich selbst. Erinnern Sie sich? Sie warfen es mir
selbst manchmal vor und waren erstaunt, daß ich so wenig Vertrauen zu
mir selbst habe.
Ich war oder schien hart gegen jedermann, zu einer Schroffheit hinge-
rissen, die aus meinem Zweifel und meiner bitteren Stimmung entsprang.
Ich fühlte mich so klein, so unzulänglich ausgerüstet, so schwach, dagegen
glaubte ich, daß meine künstlerische Rechnung stimmte.
132
ner Augen.
Meine Pläne hatte ich in einem Schrein aufgehäuft, dessen Schlüssel
ich immer bei mir trug, dieser Schlüssel ist verloren. Ich fühle nun, daß
ich den schlafsüchtigen Zustand, in dem ich mich jetzt befinde, nicht
mehr werde ändern können. „Ich habe eine Beschäftigung", wie Leute
sagen, die nichts zu tun haben, das ist alles.
Ich schreibe Ihnen das alles, ohne eigentlich zu wissen warum, es genügte
auch, Sie einfach um Verzeihung für meine Unhöflichkeit zu bitten . . .
An Bartholome.
Freitag.
(19. Dezember 1884.)
Ich wartete auf Nachricht, anstatt Ihnen zuvor zu kommen. Ich weiß,
im Grunde bin ich ein wenig herzlos. Und was ich an Herz noch besaß,
ist nicht mehr geworden durch Familien- und andere Sorgen. Übrig ist
nur geblieben, was man mir nicht mehr rauben konnte, nur zu wenig.
Mir genügt es, aber meine Freunde müssen darunter leiden.
Immer sind Sie beide, und ohne erst zu überlegen, voller Güte und
Freundlichkeit zu mir gewesen. Sie haben alle beide zu tragen, die eine
an der Krankheit, der andere an der quälenden Ungewißheit, und ich
wählte diesen Moment, um Ihnen nichts von dem, was Sie mir gewesen
sind, zurückzugeben. So handelt nur ein Mensch, der Schluß machen und
sterben will, einsam, ohne alles Glück.
An Bernhardi de Valernes.
Paris, den z6. Oktober.
(1890)
.......Ich möchte Sie hiermit noch wegen einer Sache um Verzeihung
bitten, die so oft in Ihrer Unterhaltung und vielleicht noch öfter in Ihren
Gedanken fühlbar war: Daß ich im Laufe unserer langen Gespräche über
Kunst Ihnen gegenüber zu schroff gewesen bin, oder wenigstens, daß
ich es zu sein schien.
Ich war es nur gegen mich selbst. Erinnern Sie sich? Sie warfen es mir
selbst manchmal vor und waren erstaunt, daß ich so wenig Vertrauen zu
mir selbst habe.
Ich war oder schien hart gegen jedermann, zu einer Schroffheit hinge-
rissen, die aus meinem Zweifel und meiner bitteren Stimmung entsprang.
Ich fühlte mich so klein, so unzulänglich ausgerüstet, so schwach, dagegen
glaubte ich, daß meine künstlerische Rechnung stimmte.
132