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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 7
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Bataille, Marie-Louise: "Manet-manebit"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0258

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Von diesem Zentrum impulsiven und feinfühligsten Verständnisses aus-
gehend, hat die Bewunderung für Manet alle germanisch sprechenden Län-
der erobert, mit Ausnahme allerdings von Holland, das eifersüchtiger
seine nationalen Traditionen wahrt. Die skandinavischen Länder gehörten
zu den unmittelbarsten und eifrigsten Anhängern des französischen Im-
pressionismus und erkannten Manet als dessen Führer rückhaltlos an. Das
Museum in Stockholm besitzt den jungen Mann, der eine Birne schält,
Frau Manet im Treibhaus und die Pariserin; das Museum von Oslo die
Ausstellung vom Jahre 1867, Kopenhagen besitzt die Hinrichtung Maxi-
milians, den Absinthtrinker, das junge Mädchen mit weißer Krawatte.
Dazu sind noch als große skandinavische Sammlungen die Sammlung
Hansen und die Sammlung Stang zu nennen. Der Reichtum dieser Samm-
lungen ist nicht etwa zufällig entstanden: er ist das Ergebnis feinsten
Qualitätsgefühls und einer unbeschränkten Anpassung des Geistes an eine
neue Formel.

Ist es notwendig zu betonen, daß es nicht überall so war? Wenn das
Museum moderner westeuropäischer Kunst in Moskau das „Le Bouchon"
benannte Bild besitzt, so verdankt es diesen Glücksumstand dem Scharf-
blick Herrn Tschoukines, der, ein feinfühliger Kunstkenner, es zu einer
Zeit erworben hatte, wo Rußland der Bewegung der modernen franzö-
sischen Kunst noch ganz gleichgültig gegenüberstand. Heute, wo die
russischen Kunstkreise endlich dem Impressionismus die Tore öffnen wür-
den, ist es bei den bestehenden Verhältnissen wenig wahrscheinlich, daß
die Museen importante Werke Manets zu erwerben noch jetzt die
Möglichkeit haben.

Ein Zufall war es auch, dem Amerika seine ersten Sammlungen Manet-
scher Kunst verdankt. Mary Cassatt, eine junge amerikanische Künstlerin,
lebte im Aktionsradius Manets. Sie gehörte" mit einigen Malern zu den
begeisterten Anhängern dieser neuen Kunst, die das Aroma „einer grünen
Frucht" hatte. Sie selbst besaß eine Landschaft aus Holland und die Ita-
lienerin. Sie war es auch, die den amerikanischen Sammler, H. O. Have-
meyer, zu dem Ankauf einiger Werke von hervorragender Importanz riet.
Keine andere Sammlung war so vollständig wie die Sammlung Have-
meyer: sie ist tatsächlich ein hinreißender Ausschnitt aus dem ganzen
Lebenswerk des Meisters, von dem Christus mit den Engeln über die
Bilder der spanischen Periode bis zu den Blumen, die die Hände des Ster-
benden auf die Leinwand warfen. Jede dieser Etappen ist darin durch ein
Werk vertreten, das die höchste Blüte einer ganzen Periode des Strebens
und Schaffens darstellt. Diese unschätzbare, vor fremden Augen ängstlich
gehütete Sammlung blieb lange ohne Wiederhall in der amerikanischen

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