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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 7
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Scheffler, Karl: Berliner Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0272

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Beweise, daß solche Aufgaben der neueren Zeit nicht natürlich sind, liegen in Fülle
vor. Man denke an die Walhalla bei Regensburg, an das Hermannsdenkmal im Teuto-
burger Wald, an das Niedervvalddenkmal, an das Hamburger Bismarckdenkmal, an die
Kaiserdenkmale auf dem Kyffhäuser, an der Porta Westfalica und am Rheineck bei
Koblenz, an das Leipziger Völkerschlachtdenkmal und an die zahllosen Kriegerdenkmale
und Bismarcksäulen, bis zum Tannenbergdenkmal. Alle diese Gedenkstätten haben volks-
tümlich im tieferen Sinne nicht werden können. Es sind Schaustücke, Sehenswürdig-
keiten, nicht Wallfahrtsorte der Nation, nicht Weihestätten.

Die Ausstellung zeigt — neben dem bombastisch Lächerlichen, das in einer solchen
Konkurrenz stets zu finden ist — eine Reihe wohldurchdachter und würdiger Vorschläge.
Von ihnen sind zwanzig ausgewählt, um einen Ausgangspunkt für die Weiterarbeit zu
gewinnen. Es ist jedoch keiner darunter, der Hoffnung auf eine zureichende Endlösung
gibt. Unlösbar bleibt allein schon die Aufgabe, zugleich einen Ort stiller Versenkung
und zugleich Aufzügen von Tausenden Raum und Bewegungsmöglichkeit zu schaffen.
Es ist viel gearbeitet worden mit monumentalen Kreuzen, mit „Mahnsteinen", mit
Varianten des Theoderichgrabes, mit Treppen, Zyklopenmauern, Terrassen, Türmen usw.
Wobei Christliches und Altgermanisches, Katholisches und Heidnisches oft wunderlich
durcheinandergeht. Das meiste ist mehr gedacht als gestaltet. Und immer herrscht jenes
gestaltlose Pathos vor, das leider immer noch ein Kennzeichen deutscher Mentalität ist.
Den Namen unserer besten Architekten begegnet man weder unter den ausgewählten
Entwürfen noch innerhalb des merkwürdig bureaukratisch zusammengesetzten Preis-
gerichts. Unsere Dichter sind offiziell überhaupt nicht befragt worden.
Es wäre zu wünschen — und dazu ist immer noch Zeit —, daß nach diesem halben
Mißerfolg mit der Verwirklichung des nicht durchreiften Planes noch einige Jahrzehnte
gewartet wird. Warten können: auch das hat seine eigene Größe. Über solche Unter-
nehmungen müssen mehrere Generationen denken. Wird das Reichsehrenmal nach
einem der vorliegenden Pläne ausgeführt, so wird sicher mancher Besucher eine Art
von Weihe fühlen, wenn er sie lebendig in sich trägt. Er wird empfinden, was er emp-
finden will. Ein Denkmal aber, das zu Jahrhunderten durch Formen spricht, kann un-
möglich entstehen. Nach wie vor wird das Ewige, das zugleich ein dauernd Aktuelles
ist, an anderer Stelle — zum Beispiel einige Meilen weiter nördlich im Naumburger
Dom — empfunden werden.

Präsidentenwechsel in der Akademie

Max Liebermann hat als Präsident der Preußischen Akademie der Künste nicht wieder
kandidieren wollen. Darum wurde der Musiker Max v. Schillings als Präsident und der
Architekt Hans Poelzig als Vizepräsident gewählt. Ohne Vermutungen über die Zukunft
der Ausstellungen auszusprechen, und ohne zu untersuchen, ob die Wahl eines Musikers
sich praktisch bewähren wird, bleibt die Bilanz des letzten Jahrzehntes zu ziehen. Sie
ist für Liebermann höchst ehrenvoll. Als Präsident der Akademie ist er viel angegriffen
worden. Nichtsdestoweniger hat er, unterstützt von einigen treuen Helfern — der Name
Ulrich Hübners ist besonders zu erwähnen —, die Jahresausstellungen wieder zu den
wichtigsten Kunstveranstaltungen Berlins gemacht. Mit allem Erfolg, den die Zeitver-
hältnisse erlaubten, hat Liebermann die unvergeßlichen Ausstellungen der alten Berliner
Secession in der Akademie gewissermaßen fortgesetzt. Obgleich er vieles von dem, was
er — selbst als Maler nach Möglichkeit immer zurücktretend — der Öffentlichkeit vor-
führte, nicht eigentlich lieben konnte. Liebermann ist einer der gerechtesten Künstler,
 
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