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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 10
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Mann, Klaus: Richard Hallgarten: 5. Mai 1932
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0390

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sich die stumpfe Sinnlichkeit auf manchem dieser süß vertierten Gesichter?
Uberall ist der Schmerz; überall dieser Fluch, der nur manchmal zu
einer schwermütigen Anmut sich löst.

Da seine Kunst in keine der bestehenden Richtungen einzuordnen war —
auch nicht in eine der organisierten Outsider-Gruppen, wie etwa der
Surrealisten — war er wohl das, was man einen „Einzelgänger" nennt;
und da er früh selbständig arbeitete, war er wohl auch ein „Autodidakt".
Trotzdem hatte er natürliche Vorbilder. Ich erinnere mich, mit welcher
Ehrfurcht er den Namen Brueghel nannte. In seinen ersten Anfängen
beeinflußten ihn Kubin, dann Barlach. Später bewunderte er unter den
Lebenden am meisten Beckmann. Eine kurze Zeit lang schien der Einfluß Klees
wirksam werden zu wollen, aber er entfernte sich bald wieder von ihm;
es gibt von ihm kein „abstraktes" Bild. Das Werk Picassos etwa hat ihn
verhältnismäßig wenig aufnahmewillig gefunden. Der nachgerade schon
etwas modische Neo-Klassizismus lag seiner Natur fern, die das Skurile
höchstens in der reinen Landschaft entbehren konnte.
Wir setzen dieses Werk, das wir so lieben, nicht herab, wenn wir seine
Begrenztheiten aufweisen und unseren Kummer aussagen über all das,
was nun nicht aus ihm geworden ist. So wie es da ist, möchten wir,
daß es geliebt würde, nicht nur von uns und den Freunden, die es mit
haben entstehen sehen. Soll nun noch gefragt werden, was „bleiben"
wird von dieser Arbeit eines kurzen und so heftig gelebten Lebens?
Diese Frage ist doch immer die falsch gestellte. Das Gesetz der Vergäng-
lichkeit, die ungeheuere Relativität alles irdischen Bestandes macht sie absurd.
Wenn wir aber so tun, als könnten wir sie beantworten, die absurde
Frage, so müssen wir wohl sagen, daß, was bleibt, nur das Reine ist.
Lassen wir keine andere Rangordnung gelten. Dann kann auch das
schmälste Werk bestehen neben dem mächtig in die Breite gewachsenen.
Sein Leben war rein — rein noch in allen seinen Krämpfen und Ver-
wicklungen. Er hat die Wahrheit seines Lebens nicht in einem Augen-
blick seines Lebens verraten. Das ist viel, entscheidend viel, in einer Zeit,
wo fast alle von einem Verrat an sich selbst zum nächsten leben.
Um eben dieser Reinheit willen verdiente sein Werk, für dessen Ruhm er,
als er lebte, nie einen Gedanken gehabt und nie einen Finger gerührt
hat, daß man es jetzt nicht vergesse, sondern daß wenigstens der kleine
Kreis von Menschen in diesem Lande, die das Echte vom Falschen noch
unterscheiden können, sein Gedächtnis bewahrt.

Den armen Kranz, den wir also jetzt noch hinlegen vor diesem zugleich
so fragmentarischen und so in sich abgeschlossenen Werke — er selber
hat ihn ja schon bezahlt mit so vielen Schmerzen.

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