wohl erlaubt, die Fragestellung auf den Sinn des Lebens selbst auszudehnen,
dem der heute so beliebte kraß hedonistische Standpunkt nachzuforschen
geflissentlich unterläßt. Es gibt einige Dinge, in denen der Mensch sich
vom Tier unterscheidet. Sein Drang, in Kunstwerken sein Dasein zu
verewigen, gehört zu den spezifisch menschlichen Eigenschaften, und für
die Sinngebung eben dieses Daseins, das selbst — scheinbar sinnlos — mit
dem Tode endigt, ist die Fähigkeit der Selbstverewigung nicht ganz be-
deutungslos. Was ist von den Völkern der Erde geblieben, wenn nicht
die künstlerischen Werte, die sie hinterlassen haben? Die Kriegszüge der
Pharaonen sind uns Hekuba. Dem Ruhm Ägyptens haben seine Künstler
besser gedient als seine Könige. Was wäre uns Griechenland heute ohne
die Dichter und die Denker und die Bildner seiner großen Vergangenheit:
Sie haben bis in die Gegenwart hinein gewirkt und haben das Europa
der Romantik zu dem Befreiungskampf für das unterdrückte Land be-
geistert. Was macht den Ruhm Italiens? Und was ist noch viel
zu wenig ausgewertet für den Ruhm Deutschlands? Immer wieder die
Kunst. An den Denkmälern seiner Kultur wird die Bedeutung einer Nation
ermessen, und solange die Uberlieferung dieser Kultur lebendig erhalten
bleibt, solange behält sie ihr Gewicht. Diesen Schatz gilt es zu pflegen,
damit er nicht zu einer musealen Erinnerung erstarrt, wie es mit so vielen
versunkenen Kulturen geschehen ist.
Gut, heißt es, mag der einzelne, den es freut, Kunstwerke erwerben und
damit der Kunst dienen. So ist es gewesen, und so soll es wieder sein.
Nochmals ein Trugschluß! So ist es keineswegs immer gewesen. Die Ge-
meinschaft vielmehr hat die Künste getragen, gleichgültig ob sie Kirche
hieß oder fürstliche Macht oder städtische Herrschaft. Erst die Zeit des
Individualismus hat auch die Kunst, wenigstens zu einem Teile, der Pflege
des einzelnen überantwortet, und wenn die Geltung des Individualismus
selbst heute in Frage gestellt ist, so ist es Pflicht der Gemeinschaft, das
Amt der Kunstpflege von neuem zu übernehmen. Man mag darüber streiten,
in welcher Form diese Pflege am besten zu erfolgen habe. Die Pflicht
als solche aber sollte man nicht verleugnen.
Es ist falsch, zu resignieren, und es ist nicht richtig, sich mit der Hoff-
nung auf eine bessere Zukunft zu trösten, die wieder aufbauen möge, was
jetzt dem Abbau verfällt. Ich weiß mich im Widerspruch zu Meinungen,
die an dieser Stelle geäußert wurden, wenn iqh grundsätzlich für die Er-
haltung der Akademien eintrete. Man braucht das nicht so zu verstehen,
als solle in Zeiten wie der unsrigen gegen jede Sparmaßnahme protestiert
werden. Aber auch Sparmaßnahmen können produktiv wirken, wenn mit
der Verringerung des Umfanges eine Verstärkung der Wirkung verbunden
102
dem der heute so beliebte kraß hedonistische Standpunkt nachzuforschen
geflissentlich unterläßt. Es gibt einige Dinge, in denen der Mensch sich
vom Tier unterscheidet. Sein Drang, in Kunstwerken sein Dasein zu
verewigen, gehört zu den spezifisch menschlichen Eigenschaften, und für
die Sinngebung eben dieses Daseins, das selbst — scheinbar sinnlos — mit
dem Tode endigt, ist die Fähigkeit der Selbstverewigung nicht ganz be-
deutungslos. Was ist von den Völkern der Erde geblieben, wenn nicht
die künstlerischen Werte, die sie hinterlassen haben? Die Kriegszüge der
Pharaonen sind uns Hekuba. Dem Ruhm Ägyptens haben seine Künstler
besser gedient als seine Könige. Was wäre uns Griechenland heute ohne
die Dichter und die Denker und die Bildner seiner großen Vergangenheit:
Sie haben bis in die Gegenwart hinein gewirkt und haben das Europa
der Romantik zu dem Befreiungskampf für das unterdrückte Land be-
geistert. Was macht den Ruhm Italiens? Und was ist noch viel
zu wenig ausgewertet für den Ruhm Deutschlands? Immer wieder die
Kunst. An den Denkmälern seiner Kultur wird die Bedeutung einer Nation
ermessen, und solange die Uberlieferung dieser Kultur lebendig erhalten
bleibt, solange behält sie ihr Gewicht. Diesen Schatz gilt es zu pflegen,
damit er nicht zu einer musealen Erinnerung erstarrt, wie es mit so vielen
versunkenen Kulturen geschehen ist.
Gut, heißt es, mag der einzelne, den es freut, Kunstwerke erwerben und
damit der Kunst dienen. So ist es gewesen, und so soll es wieder sein.
Nochmals ein Trugschluß! So ist es keineswegs immer gewesen. Die Ge-
meinschaft vielmehr hat die Künste getragen, gleichgültig ob sie Kirche
hieß oder fürstliche Macht oder städtische Herrschaft. Erst die Zeit des
Individualismus hat auch die Kunst, wenigstens zu einem Teile, der Pflege
des einzelnen überantwortet, und wenn die Geltung des Individualismus
selbst heute in Frage gestellt ist, so ist es Pflicht der Gemeinschaft, das
Amt der Kunstpflege von neuem zu übernehmen. Man mag darüber streiten,
in welcher Form diese Pflege am besten zu erfolgen habe. Die Pflicht
als solche aber sollte man nicht verleugnen.
Es ist falsch, zu resignieren, und es ist nicht richtig, sich mit der Hoff-
nung auf eine bessere Zukunft zu trösten, die wieder aufbauen möge, was
jetzt dem Abbau verfällt. Ich weiß mich im Widerspruch zu Meinungen,
die an dieser Stelle geäußert wurden, wenn iqh grundsätzlich für die Er-
haltung der Akademien eintrete. Man braucht das nicht so zu verstehen,
als solle in Zeiten wie der unsrigen gegen jede Sparmaßnahme protestiert
werden. Aber auch Sparmaßnahmen können produktiv wirken, wenn mit
der Verringerung des Umfanges eine Verstärkung der Wirkung verbunden
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