portion, aber auch Gleichgewicht heißen könnte, haben wir es noch nicht
überall gebracht.
Es werden bei Siloanlagen, also bei Nutzbauten, hohe Türme gebaut,
schmal und zylinderförmig. Und das sieht dann so aus, von weitem, wie
dorische Säulen. Und die Ingenieure sagen: „Na also". Das soll heißen,
das zwanzigste Jahrhundert könne dasselbe wie die Meister des Parthenon,
weil die Einzelform ja genau so aussieht. Aber die dorische Säule ist so
geworden, wie sie aussieht als der Ausdruck des Gleichgewichts zwischen
Last und Kraft, zwischen dem tragenden Element, dem senkrechten und
dem getragenen, der wagerechten Balkenmasse, die darauf liegt. Auf den
Silotürmen aber liegt gar nichts in der Quere. Sie sehen also nur halb so
aus wie dorische Säulen, und als auf der Architektur-Ausstellung in Rom
im Sommer 19 31 ein italienischer Baumeister hohe Silotürme errichtete,
klebte er ihnen kurz vor der Mündung ein Ornament aus Akanthus-
Blättern an. Dieser gottverlassene Konstrukteur empfand also in seinem
dunklen Drang immerhin, daß da etwas fehlte. Wenn es allerdings auch
etwas anderes war, was da fehlte.
Die moderne Technik, die Maschine selber sogar, kann eine gewisse wohl-
gefällige Eleganz haben. Seit dem Eiffelturm mit seiner eleganten In-
genieurlinie haben die Menschen nicht aufgehört, die ästhetische Schön-
heit des Technischen zu preisen. Manche Maschinen wirken so faszinie-
rend, daß ihre Formen sogar die Motive zu Photomontage hergeben, was
man zeitweise ja auch einmal für Kunst gehalten hat. Aber immer nur
im einzelnen. Wenn ein Bildhauer dann einmal daran geht, die Maschinen
und die Arbeit an ihnen als Gesamterscheinung im Relief darzustellen,
wird es auch gleich fürchterlich. Jenes metallene, höchst banale Gasometer-
relief, das man in der Berliner Bauausstellung sehen konnte, stammt von
einem Bildhauer, der sonst nur „abstrakt" kann. Vor der Wirklichkeit
versagte er. Naturgemäß. Man ist noch nicht so weit, daß man den In-
genieur künstlerisch bezwungen hätte. Schließlich ist es ja doch das Zeichen
einer Krise, daß noch keine Schiffsreederei Henry van de Velde einmal
einen ganzen Luxusdampfer zum Durchkonstruieren in Auftrag gegeben
hat und zur Durchdekorierung aus der Konstruktion heraus, von oben bis
unten, von hinten bis vorn. Das wäre der Punkt, an dem sich zeigen
müßte, ob der moderne Konstruktionsstil heute schon imstande ist, neue,
eigene Schönheit aus seinem eigenen inneren Gesetz heraus zu schaffen.
Der italienische Dampfer „Rex" aber sieht in seinen feinsten Räumen aus
wie ein teures Hotel. Die Amerikaner, Söhne der Technik, wollen es nun
einmal nicht anders. Man steht vor der erstaunlichen Situation, daß ein
Schiff, das Werk der Ingenieurbaukunst, mindestens von innen gern so aus-
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überall gebracht.
Es werden bei Siloanlagen, also bei Nutzbauten, hohe Türme gebaut,
schmal und zylinderförmig. Und das sieht dann so aus, von weitem, wie
dorische Säulen. Und die Ingenieure sagen: „Na also". Das soll heißen,
das zwanzigste Jahrhundert könne dasselbe wie die Meister des Parthenon,
weil die Einzelform ja genau so aussieht. Aber die dorische Säule ist so
geworden, wie sie aussieht als der Ausdruck des Gleichgewichts zwischen
Last und Kraft, zwischen dem tragenden Element, dem senkrechten und
dem getragenen, der wagerechten Balkenmasse, die darauf liegt. Auf den
Silotürmen aber liegt gar nichts in der Quere. Sie sehen also nur halb so
aus wie dorische Säulen, und als auf der Architektur-Ausstellung in Rom
im Sommer 19 31 ein italienischer Baumeister hohe Silotürme errichtete,
klebte er ihnen kurz vor der Mündung ein Ornament aus Akanthus-
Blättern an. Dieser gottverlassene Konstrukteur empfand also in seinem
dunklen Drang immerhin, daß da etwas fehlte. Wenn es allerdings auch
etwas anderes war, was da fehlte.
Die moderne Technik, die Maschine selber sogar, kann eine gewisse wohl-
gefällige Eleganz haben. Seit dem Eiffelturm mit seiner eleganten In-
genieurlinie haben die Menschen nicht aufgehört, die ästhetische Schön-
heit des Technischen zu preisen. Manche Maschinen wirken so faszinie-
rend, daß ihre Formen sogar die Motive zu Photomontage hergeben, was
man zeitweise ja auch einmal für Kunst gehalten hat. Aber immer nur
im einzelnen. Wenn ein Bildhauer dann einmal daran geht, die Maschinen
und die Arbeit an ihnen als Gesamterscheinung im Relief darzustellen,
wird es auch gleich fürchterlich. Jenes metallene, höchst banale Gasometer-
relief, das man in der Berliner Bauausstellung sehen konnte, stammt von
einem Bildhauer, der sonst nur „abstrakt" kann. Vor der Wirklichkeit
versagte er. Naturgemäß. Man ist noch nicht so weit, daß man den In-
genieur künstlerisch bezwungen hätte. Schließlich ist es ja doch das Zeichen
einer Krise, daß noch keine Schiffsreederei Henry van de Velde einmal
einen ganzen Luxusdampfer zum Durchkonstruieren in Auftrag gegeben
hat und zur Durchdekorierung aus der Konstruktion heraus, von oben bis
unten, von hinten bis vorn. Das wäre der Punkt, an dem sich zeigen
müßte, ob der moderne Konstruktionsstil heute schon imstande ist, neue,
eigene Schönheit aus seinem eigenen inneren Gesetz heraus zu schaffen.
Der italienische Dampfer „Rex" aber sieht in seinen feinsten Räumen aus
wie ein teures Hotel. Die Amerikaner, Söhne der Technik, wollen es nun
einmal nicht anders. Man steht vor der erstaunlichen Situation, daß ein
Schiff, das Werk der Ingenieurbaukunst, mindestens von innen gern so aus-
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