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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 1
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Gustav, Leopold: Die Intern. Kunstausstellung der Münchener "Sezession"
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Kunstchronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0018

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Die Aunst-Halle

Nr. l

lO

mit dreien seiner ernst pathetischen Landschaften am Platze;
die für mich hie und da doch etwas Rühles haben, Fritz
Overbecks Worpsweder Landschaften sprechen von einer
innigen, durchaus klaren und gesunden Naturanschauung;
auch Vinnens „Am Waldrand" ist von herber, unge-
künstelter Kraft. — Von den Landschaften der Ausländer
seien vor Allem die Bilder schon historisch gewordener
Meister genannt. Zwei Gemälde von Claude Monet:
„die Maas", eine Windmühle am Flußufer mit famos ge-
gebener dunstiger Luft; mehr rein technisch interessant ist
der von der untergehenden Sonne beglänzte peuschober.
Von Corot sehe:: wir einen weichgestimmten, verträumten
Ausblick auf die Isola Bella.
London und Glasgow sind sehr zahlreich vertreten.
Cameron hat die sanft liebliche Linie eines Flußufers
reizvoll zu geben gewußt und mit etwas gezierten „Schönen"
belebt. Kennedys Fischmarkt ist technisch geradezu her-
vorragend durch die Wiedergabe der glitzernden Schuppen-
haut der Fische und die Behandlung der Luft; ich brauche
Andere nur zu nennen, wie Stevenson, Manning, pa-
inilton und den in der Zeichnurig etwas verwickelten
Muhrmann. Neven duMont bringt in seinen delikaten
Farben das Bild einer älteren Dame; Dean, ein kleines
Mädchen in „Träumen bei Tag" in weichen bläulichen
Farben. Sauter und L. Oppler schildern musikalische
Szenen mit dein sublimen Kolorismus, welchen sich diese
deutschen Maler jenseits des Kanals erworben haben.
Auch W. L. Bruckman (London) bringt ein Bild in
entzückenden weichen Farbentönen. Weniger wie dieses
„Liebesidyll" will mir die symbolisch gehaltene „Königin
der Eitelkeit" — halb Pfau, halb Weib — gefallen.
Pissarros „liegendes Mädchen im Pen" ist mit viel Verve
hingestrichen. A. Th. Ribots „Sänger", prächtig in der
zwanglosen Gruppierung und seinen Charakteristik, will
uns heute kaum mehr als eine tiefere Nachempfindung der
Manier Riberas erscheinen. Cdouard Saglios „Besuch"
charakterisirt recht gut die konventionelle Langeweile eines
Salons. Das penetrante Sophagrün hätte eine Milderung
erfahren können; auch erscheinen die Gestalten zu bour-
geoismäßig, mn die umherstehenden olgM8 ä'art wahr-
scheinlich zu machen. Bruals den Vögeln predigender
heiliger Franziskus ist ein mit tiefer Naturliebe gemaltes
Bild; der Baumschlag und die verschiedenartigen Vögel
sind dem Sinne des Themas gemäß sehr charakteristisch
gefaßt; ich möchte sagen beseelt. Leempoels von dein
Tagewerk zurückkehrende Arbeiter sind etwas glatt und
nüchtern gemalt; auch mit Sascha Schneiders stecken-
steifen Kämpfern mit „ungleichen Waffen" — Pfeil und
Bogen der eine, der andere das hoch erhobene Kreuz -
kann ich mich bei allein (trotz des konventionellen Inhalts)
persönlichen Style nur wenig besreunden.
Nun aber die Kollektion Segantini! Die herben
pirtenbilder ans den pöhen des Cngadin sind von köstlicher
Frische und Unmittelbarkeit, hier war Segantini in der
That ein Solitär in der zeitgenössischen Kunst; anders ist
es, wenn er denkt und grübelt. Die Allegorie „I'Lvoorrmons
oi tzAtrios äolla. Ll usion'- entbehrt in ihren stumpfen Farben
sicherlich nicht eine gewisse Stimmung, ist aber in der Er-
findung nicht mehr wie respektabel. Die einfach schlichte
Art des Vortrages, wie beredt; welch eine Charakteristik
liegt in dem ganz simplen Motiv des an dem Wasserrohre
trinkenden Bauernmädchens; letzteres hat nebenbei einen
bei der herben Technik seltenen weichen Ton.
Nordische Künstler sind blos zwei zu nennen Achen,
der ein aufsteigendes Gewitter mit (Verzicht auf jeden
„Effekt" mit schlichtem Naturgefühl schildert und der
Schwede Zorn, der freilich so ziemlich pariser geworden
ist und einem flotten noch nicht immer ganz und gar
überzeugenden Kolorismus zugethan ist.
Die Marinemalerei vertritt Pans von Bartels
nut einem Aquarell „Dampfer in: Morgengrauen", in dein
er die wogenden Pochseewellen wieder mit verblüffender
Lebendigkeit giebt.
Mck Zeichnungen sind der feinsinnige L. von Pof-
mann, Julius Diez und der flotte Draufgänger Angelo
Jank angemessen vertreten. Der für derlei Sachen reser-
virte Gang läßt nicht alles zur gewünschten Geltung kommen.
Die Ausstellung plastischer Werke ist nicht sehr

zahlreich. Adolf pildebrand bringt eine köstliche Kinder-
büste und eine scharf charakterisirende eines alten Derrn.
Ain tiefsten ist wohl sein Relief des Prinzregeilten Luitpold
erfaßt, das sich einem mehr malerischen Stil nähert. Per-
mann pahn bringt porträtreliess, die einem die Ueber-
zeugung aufdrängen, daß sie sehr ähnlich sein müssen; die
große Gipsstatue „Christus" halte ich für nicht geglückt;
das Gesicht entbehrt der Größe; es war Schlichtheit und
Einfachheit gewiß mit Recht erstrebt, doch ist die paltung
nüchtern ausgefallen. Theodor von Gosen bringt einen
in der Pallung recht ungezwungenen Perseus (Brunnen-
figur in Bronze); Streicher eine technisch glänzend aus-
geführte Statue eines jungen Mädchens. Van der Stappens
Büste eines Bischofs ist geradezu sprechend; seine Bronze-
gruxxen (Wäscherinnen re.) zeigen große Beobachtungsgabe.
Adolf wildt nennt seine Statue in kararischem Marmor
getönt „der schweigende Mann". Rücksichtslos in der
Wiedergabe der recht unschönen Schädelbildung, wie in
der Stellung überhaupt, hat sie doch nicht das Zwingende,
Ueberzeugende, das auch das päßliche anziehend machen
kann. Georg Mattes' Ballspieler zeigt große Beobachtung
in der Muskulatur; der Künstler hat es verstanden, dem
Athletenhaften etwas Grazie beizugeben, eine in unserer
Plastik ziemlich seltene Fähigkeit. Oppler s tüchtige
Porträtbüsten, ebenso solche von Ber mann, Dittler
und Römers antikisirende Büste Gtto Gildemeisters ver-
dienen anerkennende Erwähnung, und können wir hiermit
unseren Rnndgang für beendet erklären.
Aunstchronik.
* Berlin. Schluß der Ausstellungen. Am
zo. September wurde sowohl die Große Kunstausstellung
in Moabit wie auch die It. Sezessions-Ausstellung in Lhar-
lottenburg geschlossen. Der Verkauf von Kunstwerken wird
hier wie dort als sehr zufriedenstellend bezeichnet.
* Berlin. Bei Eduard Schulte wurde am 22. Sept,
eine neue Ausstellung eröffnet. Zunächst führt sich ein
neuer Klub ein, der „Klub moderner Landschafter", aus
den Berliner Künstlern p. Klohß, p. Licht, A. Liedtke,
A. Oesterritz, I. Wecker, C. Wendel bestehend. Dann
bringen peinr. Lefler und Josef Urban (Beide aus Wien)
einen größeren Zyklns von Griginalzeichnungen zu Musaeus
Märchen: „Die Bücher der Lhronika der drei Schwestern",
Professor Paul Mathieu (Brüssel', Richard Müller, der
hervorragende Dresdener Maler und Radirer, und Clara
Walther (Münchenl Kollektionen, R. Anning Bell (London)
ein Oelbild und Zeichnungen, Andreas und Oswald Achen-
bach (Düsseldorf) und John Reid Murray (Glasgow) Land-
schaften und Professor Pans Petersen (München) prächtige
Marinen, weiter werden noch Elisabeth Ankermann
(Berlin), Ferd. Leeke (München), G. Meyer-Ball (Berlin)
und die Münchener PH. Röth, p. Bapt. Scherer, A. Thiele
und K. wuttke, letzterer mit größeren Landschaften, Motiven
aus Peking, vertreten sein. Dann aber stellt Ignacio
Zuloaga aus. Zuloaga ist Spanier. Er stammt aus
einer durch und durch künstlerisch veranlagten Familie, die
in Libar (Baskenland) ihren Wohnsitz hatte. Sein Groß-
vater war Direktor des Arsenals in Madrid und anerkannte
Autorität irr Allem, was die künstlerische Ausschmückung
aller Arten von Stahl und Waffen betraf, sein Vater der
in der ganzen Welt berühmte Damaszirer Placidin Zuloaga,
sein Onkel Daniel Zuloaga ein hervorragender Künstler
und Keramiker allerersten Ranges. — Ignacio Zuloaga
sendet 9 Bilder, die noch nirgends gezeigt wurden. Es
sind Merke voll stärkster Wirkung, von der Bedeutung jenes
berühmten Gruppenbildes zweier junger Mädchen nnd des
bärtigen Mannes, welches jetzt im Luxembourg hängt.
Zuloaga steht an der Spitze der spanischen Künstler. Lr
stellt in Deutschland zum ersten Male aus. wir kommen
in: nächsten peste auf diese Ausstellung zurück.
* Berlin. Im Salon Keller 6c Reiner sind kürz-
lich verschiedene Kollektionen vor: ausländischen Arbeiten
angewandter Kunst zur Schau gestellt worden. Zunächst
eine Sammlung moderner französischer Schmuck)achen und
Goldschmiedewerke, dann keramische Arbeiten aus Manu-
 
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