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Die Kunst-Halle — 6.1900/​1901

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Nummer 11
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Wirth, Robert: Zur Thier-Aesthetik
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Thomas, Bertha: Die Londoner Ausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.65263#0191

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Nr. ff

4- Die Aun st-Halle -4

(63

Malerei veranlaßt hat auf Grund des zeitgemäßen
Zuges zur Charakteristik. Alte Thiere sind natürlich
niemals „schön", der alte Mensch dagegen kann
schön, nicht bloß „noch schön" sein: der Grund liegt
auf der Hand, da der Mensch mehr Ligenwesen,
Person ist, mit im Alter vorwiegend geistigem Aus-
druck, und dieser kann edle oder „schöne" innere
Eigenschaften offenbaren, während beim Thiere im
Alter und der Arbeitsmüdigkeit auch der gemüthliche
Ausdruck gelitten hat. Unsere Maler sprechen heute
vom „portrait" auch des Pferdes (man vergl. z. B.
das Gemälde von Anetsberger: portrait eines Pferdes),
wobei es dann auf die Wiedergabe vornehmlich des
Kopfes eines bestimmten Exemplars ankommt. Der
Kopf eines Pferdes ist allerdings nach Mantegazzach
schon allein ein Gedicht, ganz Nerv, ganz Leidenschaft.
Don Hundebildnissen zu reden, ist üblicher, da der
Hund bei größerem Nassereichthum auch einen größeren
Wechsel differenter Gesichtsbildung und selbst mehr
Eigenart im seelischen Ausdruck aufweisen kann. Was
die bekannte Ausmessung der Körpertheile auch des
Pferdes nach dem goldnen Schnitt betrifft, so bemerkt
Möbius: „Nicht verborgene, zusammengesetzte, nur
durch Ausmessungen und Rechnungen zu findende,
sondern einfache, auf den ersten Blick erkennbare
Größenverhältnisse haben ästhetischen Werth." Den:
möchte ich doch Folgendes hinzufügen: Alle organischen
Wesen, deren Bildung dem Menschen bei ihrer Be-
trachtung gefällt, haben als ästhetisches Skelett eine
symmetrische Gliederung. Ich nenne sie die leiblich-
organische Symmetrie gegenüber der sachlich- oder
körperlich-mathematischen. Letztere ist nichts weiter
als ein bloßes mathematisches Verhältniß; erstere,
die verleiblichte, die angewandte Symmetrie, ist aller-
dings „verborgen", wenn man so sagen will, unter
der Umkleidung und dem Wechselspiel des Muskels,
aber sie wird in gleich rascher Weise erkannt,
wie die rein geometrische, ihr sinnlicher Eindruck wird
sofort durch unbewußte Vorstellungen zu Gefühlen
des Wohlgefallens in uns ausgelöst. Auch die
Symmetrie des beseelten und somit selbstbeweglichen
Organismus ist mathematisch, die Leibesstruktur ist
auf einem geometrischen verhältniß errichtet, jedoch
mit Aufgabe der geraden Linie. (Schluß folgt.)
X
Vie Londoner Humellungen.
Von Bertha Thomas, London.

zur Jahreswende bot uns der Winter
uur wenige Ausstellungen, und meist nur
solche von rein lokalem Interesse. Er-
wähnenswerth war eine Elite - Ausstellung von
H In dem xhantasievollen, an feinen Bemerkungen
reichen Vi-nonurio clelle eose belle. Ebenda heißt es von
dem Kopfe der Ziege: Der Kopf ist ein wahres hnmoristisch-
satvrisches Gedicht, voll Laszivität und Ironie.

^0 Bildern in Kabinet-Größe, eigens gemalt von
ebenso vielen Mitgliedern der Royal Academy; ein
löbliches Unternehmen der Inhaber des Kunst-Salons
Agnew in der Bond-Street. Der eingestandener-
maßen halbgeschäftliche Zweck der Veranstaltung hielt
dieselbe natürlich auf dem Niveau des populären
Geschmacks, aber die vornehmen Aussteller zeigten
sich trotzdem zumeist auf der Höhe ihres Rufes. In
seinem „Endymion" hat der Präsident der Akademie
sich wieder einmal von seiner stärksten Seite gezeigt
— als Meister in der Behandlung klassischer Ent-
würfe.Alma Tademas „VergeblicheLiebeswerbung",
ein entzückendes römisches Genrebild, giebt an Sub-
tilität und Gediegenheit seinen früheren Werken dieser
Art nicht das Mindeste nach. Das Arrangement der
Gemälde innerhalb einer harmonisch wirkenden Um-
gebung giebt sich hier unendlich viel vortheilhafter,
als das Hängen von (000 Bildern in planlosem
Durcheinander nach Art der großen Ausstellungen. —
Der portraitisten - Verein (ZoListv ok kortruit
?uintsr8), der seine Winter-Ausstellung dieses Mal in
der New Gallery hielt, bereitete den Besuchern eine
reckte Enttäuschung, und das um so mehr, als der
beim Eintritt gewonnene Anblick geeignet war, hoch-
gespannte Erwartungen zu erwecken. An einer Wand-
fläche vereinigt sah man eine Reihe von Matadoren
— zwei Bildnisse von Rothenstein, in der bekannten
charakteristischen Art dieses Künstlers; eines von
Watts, ein Lavery und außerdem ein Werk von
Whistler, das in etwas phantastischer Art betitelt
ist: „In Orssn uncl Oolcl, Dds of tds klack
lcksart". Das Porträt ist nicht eben hervorragend,
doch von dem unnachahmlichen, echt Whistlerhchen
Gepräge. Vortrefflich ist die Farbenstimmung des in
Grün und Gold gehaltenen Hintergrundes gelungen.
Es ist das Bild einer blassen Brünette in einfacher
Tracht — weißem, enganschließendem, modernem Iacket
mit zwei Knopfreihen und Aufschlägen, zwischen denen
das schwarze Kleid sichtbar ist. Aus der völligen
Ungesuchtheit, der anscheinend mühelosen Pinselführung
bei großer Vollendung erhellte, daß dieser Meister
nichts von seinem Können eingebüßt hat. Ganz in
der Nähe hing ein vorzüglicher Porträtkopf des ver-
storbenen Lord Madox Brown, von ihm selbst
gemalt; dann ein sehr wirksamer Ri bot und ein
mit großer Bravour gemaltes charakteristisches Bild-
niß des Schriftstellers Arthur Symons von Blanche
Fürwahr, eine stattliche Korona, von der man auf
eine besonders glänzend beschickte Ausstellung schließen
durfte! Docb weit gefehlt. Die eine Wand bot
eben Alles, was von Interesse da war, der Nest sei
daher — Schweigen!
Viel Besseres läßt sich auch von der letzten Aus-
stellung des New Englisch Art - Club nicht sagen.
Steer, der gegenwärtig die Hauptstütze des ge-
nannten Vereins ist, erzielte mit den von ihm gesandtes
Landschaften nicht die auf Naturwahrheit beruhende,
überzeugende Wirkung, wie wir sie von seinen Porträts
gewohnt sind, aber freilich auch in der Landschaft
noch bei ihm erwarten können. Ein anderer
interessanter Künstler ist T. Sh annon, und ebenfalls
Einer von Denen, die nicht stille stehen. Indessen,
ob auch von ihnen gelten darf, daß ihre Fehler selbst
mehr Gutes hoffen lassen, als die Erfolge manch
Anderer, so sind doch diese beiden Künstler noch
keineswegs so beim Publikum zu Ehren gekommen,
wie es ihre Bewunderer für sie beanspruchen.
Sehr würdig eröffnete die Royal Academy
das neue Jahrhundert durch eine Leih-Ausstellung
 
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