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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 7 (Juli 1930)
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Herrmann, Hans: Die Geburt des Bildes
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0187

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j70 '.

lerischen Well nech n>eil entfecnlc Sv lsl es bei
Pfleiderer. Lr siehi «anz richtig, öatz da-j Knnslwerk
anf einer hreiien AasiS steht, das, Crlebnisse der man-
nigfnltigsten sinnlich.geistigen Art, geistig-seelische Zu-
stcinde ohne Beschrsinkung mik in das Bildwerk ein-
gehe»! dnsz, kurz gesagt, der gnnze Mensch mit
seinen vollen Kräfken öer Schöpfer des Werkes ist,
öas aus dem unzerleilten seellsch-geistigen Grund auf-
skelgt. Troh ailedein gründek das Wesen der bild-
ntinshlerischen Fnhigkeir auf der sinnlich-geistigen
Sphnre des AugeSs das ahnte und behauptete Kon-
rad Fiedler und dgs hak Britsch ln seiner Theorie
nachgewiesen. Der eine wurde übersehen vo» einer
Generation, die mehr Blicher iiber Kunst geschrieben
hnt, nls se eine andere sund eben lst inan iin Begriff
den andern grundscjhlich iiiisl.;uverstehen.

Diesein Mikverständnis inuhte Pfleiderer .liiin
Opfer snllen weli er nichl so kief in den Geist der
„Theorie" eingedrusrgeihisk, dasl ihm ihre Worte wirk-
lich zn Sriinbolen csnerchesonderen Art des Denkens
geworden wären. ,>Forsn" und „Erkenntnls" haben
bei ihin einen durchauSsallkäglich unklaren Sinn, der
In keiner Weise »>it dem übereinstiinmt, in dem sie
von Brilsch »nd ösornniann gebrauchk wurden; und
alle Folgerungen, hie Pfleiderer in Hinblick aus diese
vernielntliche Bedeutung zieht, slnd falsch.

Der Begrisf der! E r^k e n n k » i s wird heute von
den Leulen, die die Theörie wirkuch verskanden haben,
nur mit Borsicht gebragcht und niemals ist er i» dein
Slnn verwendet wordesi, den ihm Pfleiderer unter-
legl, als ob es sich uin Erkennknis von irgendwelchen
Zuslände» handle, gm das Wissen voin Grün- oder
Aok-, vom Aund- üder Länglichjein eines Dinges der
sichkbaren Welt. Darin 'und in der Aiöglichkeit enk-
sprechender Darstellung kann freilich nicht das Wesen
des künsklerischen Werlchs gefunden werden. Mit dem
Wort .NLrkennknisleistuisg" soll nichts anderes geineint
sein, als dns, eine !g e üst i g e Leiskung vorliege, inik
eigener logischer Geseklichkeit, die ihrem Wess »
nach nichk aus irgendwetchen Taksachen der sichlbare»
Gegebenheit erklärt werden kann.

Auch der Begriff dep „F o r m" ist bei Psleiderer
iniszverstanden in der Weise, die Kornmann in einem
seiner erslen Borkrgge warnend voraussah. Bei Pflei.
derer steht die „Forin^ in gewissem Gegensah zur
„Geskait". „Gestaits' ists ihm die Form, „die bezogen
ist aus ein ihr iinmanenjles Leben , sie „isk nie direkt
slchlbar als Form ,.. ,swird »ichl durch jcharse Be-
obachlung erwvrben ..s> und isl nur .,» realisieren
durch künsllerische Geslällung".

Ls bedarf kaum des LinweiseS, das, üer Ausdruck
„Form" im Sinne üer ;,Theorie" nicht in der alltäg-
lich-plakten Weije gemeint wac, wie hier, wo von
„direkk sichtbarer Formt' die Aede ist. Diese „Form"
bedarf sreilich »och des. LebenS um zur „Gestalt" zu
kommen, sie kann nber »iemals der ernsthaste Ge-
gensknnd einer kunstlvissenschastiichen Betrachtung
sein. Was Psleiderer „Gesinlt" »ennt, entspricht der
iingefähren Bedeukiing sinch dem Begriff der „Form"
wie er im Sinne üer Thevrie von Guslaf Briksch ge-
brnucht werden könnkes mil dem eine» Unkerjchied
allerdingS, üasz dort im Zusnmmenhang eines um-
saslenden geistigen! Svstems einer „Theorie" eben,
sieht, waS hier bei Psleiderer einzelner Gedanke ge-
blieben ist. Es gibt kesne Form, die losgelöst vom
Grund des allgemeinen Menschentums, ein Sonder-

dnsein hätle und einer nachlräglichen (Lrsüllung be-
dürfte; die wnhre Form wird »ie der „Gebärde" er-
mangeln, niemnls ohne den Drang des „Crlebnisses"
sein, sonst ist sie nicht Form, nur Ersah dasür und
wenn sie tausendmal von der Gukgläubigkeit der Iln-
bildung als solche genommen wird. Die Qualitäk der
Form skeht nichk in iiebensächlichem Zusammenhnng
mik dem „Iinmnnenten Leben", mnn kann aber ihrem
Wesen nicht beikvmmen von der Seite des Erlebens
her, nur in der unmitkelbnren Betrachkung der besvn-
deren Leistung bildhafker Gestaltung; in ihr aber, da
sie ja Ausslujz unzerspnltener Gelsliglieit isl, liegen alle
anderen Dinge sinnbildhasl gebunden und wirlmngs-
fähig. 2n u n s e r e m Sinn nber dn wir doch von
bildender Kunst reden — sind dns nichk Werte unnill-
telbaren wesensbeslimmten Znteresses als svlche, nur
insofern, als sie in die blldhafte Fvrm eingegangen sind.
Aier nber Ist für alleS Aaum, die persönliche, vollihasle
und zeikbedingte Weise des Bildners, die besondere
Art des Erlebnisses, die ja durch sene und lhr Zu-
sammentreffeii mjk den Dingen der Auhenwelk ihre
Farbe erhält, alles knn» in der liünstlerischen Gesinlt
liegen, ja es mu si in ihr liegen, ivenn sie diesen
Namen verdienen joll. Das ineint Fiedler, wenn er
davon sprichl, das; nuch der bildende Kllnstler mik
dem Gesaiiitbeslh seiner Aatur keilnimmt nn dem
Gesamlbesik des Geisies. Und dns isi die Lösung des
Icheinbaren WiderspruchS zwischen dem erslen iind
dem zweiten Sah, dnk ein besonderes Geblet des
geistigen Ausdruciis <das der sichtbnren Geskaltung
in unserem Fall) alle möglichen lZmpulse anderer Ark
in sich aufzunehmen vermng, die dnnn wohl in dem
Sinn der ErlebniSsrnge bsi Psleiderer deutbar sind,
ihren Wert bildnerischer Art aber nur durch dnü
„F o r i» s e i n" erhallen, durch die innewohnende
Logik der Geslaltung.

Machen wir uns nur an einem Ausdrucli der Theo-
rie von Briksch klar, welche Fülle der „Erlebnisse" ln
dem abstrakten Work gemeint jein kann: das Wort
„Mchlungsdifferenzierung" lst ein farbloses sprnch-
liches Zeiche» für die uiiterschiedlichsten Fälle einer
besonderen ^lrk geskalkender Formgebung. Die Zeich-
nung elnes. flehend nusgeskreckken Arms oder eines
drohenden, eines krotzig oder znghaft stehenden FutzeS,
eines hilflos hängenden Atooses, oder eines lrnorrigen
Astes, kann so benannt werden, nber »ur, insvsern sie
geformt isk, d. h. den Gesehen der gesichtssinnesmäjzigen
Logik genügk. And unmittelbar in der Form nichl
ersl miilelbar denk- oder deulbar wird bei aller
wirklichen Zelchnung auch üas „ErlebniS" siecken.

2» dem Kapitei „Bildwille und Vegensinnd" wird
es besonders deukiich, wie wenig Psleiderer das
eigentliche Objekk kunslwissenschasllichel Bekrachinng
im geistigen Blickfeld zn balien vermng. Er erörterl
dort die Bedeulung des Gegenstands sür das Bild
und niinint Slellung gegen die Theorien, „die den
Gegenskand aus dem Bild nuSscheiden wolien": sie
seien widerlegl durch die Talsache, datz alie Zeiken
und Bölker von unbändiger Lust am Bild, dem Gleich-
nls des LebenS, ersülll seien.

hn der Theorie von Guslaf Brilsch, gegen die sich
dlese Spitze rlchlel, isl nun von diesem „Bildznuber"
gewisz nicht die Aede': wer nber daraus den Schluh
ziehk, dah damit überhaupt Dasein und Wichtigkeil
dcü gegenständlichen ZnkeresseS geleugnet werde, der
hat damit nur bewiesen, dass er unsähig ist, einer
theorelischen Betrachtung zu solgen. Es wird — da-
 
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