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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 9 (September 1930)
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Nicklass, Elsa: Die Begabtenprüfung an der Berliner Akademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0243

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leidijil sie wo er luinn in den Konserenze». Cr mus;
immer wieder diiraus l)imveisen, dasz neden dem Ber-
snile» nuf Mvisse» ^inkellekluellen Gebieke» auf der
niidere» Seike eiiie niiszervrdenkllche Neife ausgezelgt
wird. Line 'Zieife, die auch auf geistigem Gebiete
liegk, auf dem der Lituition.

LS ist manchmal uichk sganz leicht, diese Werte aus
einem irrnkionnlen Äeiche vor den Vertrelern der
slrengen Logili zu verleidigen. Ob sie sich wohl dessen
doch manchmnl bewuszi sind, dasl wohl Logik bis zu
einem geivissen Grnde auerziehbar ist — dasz aber
chikuilion elwas ist, dns über aller Logilr stehk — ein
Geschenli, ein Ilnfnszbnrrs-und fiir alle nicht damik
begablen Ilnerreichbaresf ^kach Spinoza die höchste
Ark, der Erliennknis? f

Nun der Weg dieser jZinder! Soll man ihnen zur
AuSbildung auf liünsklerischem Gebiet rnken? cln un-
serer heuklgen rakio talisiischen Zeit? Gibt es über-
yaupk Aussichlen ailf diesem Geblek? Wenn inan
ihre dlnsprüche niedrig chcilt und sie immer an die
pralikisch-kiinsllerischpn Berufe weist, so kann maii
es wohl verankworkeii. Aber wenn man dies iiber-
haupk tut, so iibernimmt man als Kunskerzieher zu-
gleich eine andere grosze Verantworkung, denn iiua
gilk eS zuniichsl, dieiBorarbeik zu leislen fiir nlleS,
wnS dem begablen Schiilpr den Weg erösfnen soll zu
einem Beruf. Die Ausgaben, die dieser erhiili, miis-
en so vielseikig sein als nur irgend möglich. Die Biel-
eiligkeik der Ausgnben ist die Wiinschelruke zu den
Quellen der einen einzigen Aufgabe — der LebenS-
aufgabe. Lin Sondergebiek soll sich bei genauer
Ilnlersuchung spiiler herquskriskallisieren.

Deshnlb musz der Kqnstlehrer so vielseitig als
möglich gebildet sei„, erimusi die Sondergebiete der
kiinsklerischen Beruse sesbst kennen. Er mujz, ivenu
er nichk prakkisch selbst ln den verschiedensten Fach-
klassen gearbeilet hal, wenigstens theorekisch iiber
weitgehende Einblicke vsrfügen. Er mulz Aufgnben
slellen, die an alle Geblete des Kunstschciffens an-
klingen: an das der FläÄ) en k u n st — der A a u m-
k u n st — der Pl a st i k. AuS den groszen Haupt-
gebieken mus; er die Einzelgebieke hecauSholen »nd
musz innerhalb der Aufgäbe: Flä ch en k unsl ekwa
die der Graphik, der Asklame, deS Aluslerzeichnens
nahebringen. linnerhiilb her Aufgabe A a u m k u n s k
die Einzelgebiele des Lqndschasls- »nd Archileklur-
zeichnens - innerhalb der Ausgabe Plastik, die
des Modelllerens in Ton und Plastelin, des Sägens,
des Bastelns, des Monlierens.

Lr darf nie die Betbindung aller Kunstgebiele
»»kerelnaiider aus dem Auge verlieren und musz die
Schüler sorkivährend die chesondecs nahe Berbindung
zwische» Kunst und Musik aufweisen. Wichtig ist vor
nllen Dingen, dajz die darstellende Kunst nicht un-
gepflegk bleiben darf, dcnn in ihr trefsen sich alle
Künsle, die der Flächenkunsl (Dekoration), die der
Miumkunst lDynamik), hie der Plastik (Bildagfbau)
und die der Aiusik (Sprache und Ahythmus).

Die vorbereilende LiPehung zu einer späkeren
AtiSbildung siir einep kiiiisllerilchen Berus ist deshalb
nicht ganz elnfach, weil iiicht jedes begable Kind früh-
zeilig nls solcheS genau zu erkeiinen isl. 3n manchen
schlummer» die schöpserischen Kräsle lange Zeil —
lrelen andeulungSweise hin und wieder nns TngeS-
lichl und brechen eines Tages wie Bliilen hervor. 3n
nnüeren wieder ist eine stetige Lnkwickluiig der geslnl-
leilden Krafk zu spiiren, j hie gbep dann spontan für

längere Zeil auslelzen kann, wns den Lehrer zu
Zweifeln führen könnte, ob es sich hier wirklich um
eine Begabung handelt, die einer AuSbildung werk
isk. Auch gibt es solche Fälle, wo Auf- und Aieder-
gang dauernd durch das ganze Schulleben zu spiiren
sind und schlieszllch die wenigen, in dene» der Begnble
sich vom Kleinkindalter nn, langsamer oder schneller,
aber stekig eiikwickelk.

Alle dlese Möglichkeilen musz der Kunsterzieher
der prakkischen Erfahrung solgend, bei seiner Arbeil
am begabken Schüler ins Auge fassen, um seinem Be-
rufe völlig gerecht zu werden. Ieder sieht ein, wie
schwer die Erziehung gerade a»ch der Begabken ist,
man soll nichk elwa nnnehmen, dnsz sie „ihren Weg
von selber gehen". Zum mindeslen knnn mnn ihnen
diesen kiirzen und beguemer machen. Welchen Weg
»un schlagen sie ein, wenn sie unserer Fiihruiig enk-
wnchsen? ES gibt, wie fiir alle anderen Berufe, auch
fiir die künstlerischen eine wohl organisierle Beruss-
berakungsstelle. lin neuerer Zeik bekommen die Di-
rekkoren oer Berliner Schulen im Laufe des Winler-
halbjahres ein Schreiben fellens dieser Organlsnkion,
das dazu aufforüerk, die Arbeiken besonderS begabker
Schiilec in der Akademie der Kiinste eiiizureichen.
Aach Hinkerlegung einer Priisungsgebiihr von 3 Mk.,
von welcher n»f Befürworliing des Schuileilers lln-
bemilkelte befreit werden können, ersolgt nuii eine
Durchsichk der eingereichten Mnppen von einer Fach-
kommission und Hiernach eventuell eine Zulassung der
Einreichendeii zur sogenannlen Begabienpriisuiig.

Bor Weihnachken reichle ich die Mappen von
sechs, mir besonders befähigk erscheinenden Aiädchsn
öei der Akademie ein. Bier dieser Schiilerinnen ge-
hörten der Ilnkersekunda an und die Berufsfrage
wird schon jeht zu Oslern akul. Zwei derselben be-
suchennoch öie Oberkertia. Wie ich späler hörle,
reichten 127 Schüler Arbeiten ein. Bon diesen er-
hlelken 57 Schüler im lianuar die Aufforderung, sich
an zwei Wochenkagen der Begavtenprüfuiig z» unler-
ziehen. Man lies; also nichk einmal 50^ der „soge-
nannken" Begabteu zur Prüfung zu, was den Leh-
rern Beranlnssung geben sollke, auS ihrem Berank-
ivortungSgefühl diesen Kindern gegenüber, wirklich
nur die allerbegnbkeslen zur Eiureichung von Arbei-
ten zu ralen, um manchen von ihnen 'lrnurige Enl-
küuschungen zn erspnren.

Bon meinen sechü, zur Prttsung zugelassenen
Schülerinnen erschien eine am erslen PrüfungSlage
sehr verlegen In der Schule. Auf unsere erstauiiten
Fragen ankworket sie, „ich siirchkete, es doch nicht zu
schaffen und bin lieber nicht hingegangen". Ma»
wird dieses Kind iiakürlich im niichsisn 3ahr noch-
einmal einreichen lassen, nnchdem sie durch die bs-
stnndene Prüfung der sünf übrigen Schülerinnen
Mut gefajzt hak, sie ist Obsrkerkianerin.

Die fünf nndsren verbrachls» ihre beiden Prüfungs-
kage unbesorgl in einem Gesühl slekig wachsender
Freude. Am l. Tage wurde ihnen ein Topf mik
einer Blallpslanze vorgeseljl, den sie in zwei Slunden
zeichnen und malen iiiusjle». Dnnach skellke inan
ihnen ausgeslopfle Bögel hin (tzabichl, Sahn usw ),
die sie ll) Minulen betrnchlen konnleu und dann aus
dem Gedächlnis wiederzugeben hnllen. Auch sür diese
Arbeit gnb man ihnen zwei Slunden Zeil.

Ai» 2. Tage erhiellen sie sreie Theme». DaS ersle
war: M o d e r e k l a m e. Man überlies; ihnen üa-
bei ein Plakak, eine Anzeige, einen Briefkopf oder
 
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