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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 9 (September 1930)
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Busse, Wilhelm: Über die Erhaltung der Gestaltungskraft des jungen Menschen während der Pubertät, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0247

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Ebeiisoweiilji dnrs maii sich auf eiiie besiiiiiiiiie Slosf-
ceihe seslletien. iVielinehr »i»h nuiii deii Aiiregmi-
geii solgen, die aiu> dem SchlilerlireiS liomiiie». 3»
eiiier Oberseliimda z. B. miszlaiig es mir voliliommen,
die Iuiige» »nch der ßeike der sarbigen Plaliakgestal-
lmig zu beeiiisliisse». Zufällig brachle ein Schliler ein
Belhagen iind Klaslng-Hefk mit, in welchem moderne
Alihnenbilder abgelmdet waren. Mit neuer Begei-
skeriing wurde nun die Farbe im Blihnenbllde ver-
weiidek. Wenn die Berhälknlsse es in Zuluinft er-
lauben, werden svir svo» hier aus zur prakklschen
Biihiiengestaltung libergehen, zumal wir in unserem
jährlichen „Krippensplel" schon eine Art Terenzbühne
aufgebaut haben.I

^leben der praktischen Behandlung der Farbe geht
nallirllch eine Bekrachkung von solchen Kunstwerken
her, welche besonderS! vom farbigen Standpunkt aus
inkeressank sind. DürerS mehr kunstgewerbliche Art,
die Farbe zu verarbeiten, Grünewalds ausgespro-
chen malerische Technik, Nembrandks Helldunkel-
malerei, die ÄuffnssuNg zeikgenössischer Klinskler blei-
ben so den Schüiern nicht unbekannk. Mit ganz an-
deren Augen werden die Originale in unserem Moritz-
biirgmuseum bekrachkch, das ausgezeichneke Werke
von Aolde, Kirchner,j Aohlfs, Feininger, Kokoschka
und anderen beherbergt.

Aus dem Berhalsen des l7—18 Rhrigen der
Ilnkerprima kann man schlieszen, dasz im Aeifungs-
prozetz eine gewisse Skekigkeik eingekreten ist. Mei-
ltens habe ich ein igesetzkeres Wesen als bisher
beobachkek. Deswegen chlaube ich auch den Aeutzerun-
gen über irgendwelche Probleme hier schon mehr
Werk beilegen zu lchnnen. Der 18 jährige B. er-
wühnle einmal iin Gespräch, dasz die Ausgabe des
Zeicheiiuiikerrichks doch darin bestehe, das künstle-
rische Empfinden und; die Anlagen des einzelnen zu
erkeniien und fortzubilden. Eine solche Ansichk scheink
sich heuke fast zwnngstäufig zu entwickeln. lln welch
himmelweilem Gegeiisnh aber slehl diese Aussassung
zu derjenigen, welche Lrwachlene äuszern, dle vor
8U und 4V Znhren die Schule vesuchken. Ein 22-jäh-
riger, der in llls abgegangen war und nach prak-
kischer Arbeik wieder in Ul einkrak, um das Abikur
nachzuholen, erklärte hiir: „2ch staune immer wieder
über die Arbeiten meiner ÄNtschttler, die den Anter-
richt durch alle Klassxn regelmähig genossen haben.
ANr sehlt dns alles, Und doch habe ich den Wunsch,
ebenso z» schnsfen, auch weiin es »ur halb so gul
wlrd." Augenblicklich isind wir beide nn der Arbeil,
das Berschüllele wieder hernuszuholen, wie weit es
gelingen wird, musz die Zelt lehren. Dieser Fall
inkeressiert mich besogders, da der junge Mensch
sonsk normal begabt ist.

Alir liegen auch Aepszerungen vor, welche d!e jun-
gen Leute ihren Erziehern gegenüber auf dem llnter-
nat gemacht haben. So wurde mir von einem 18-
jährigen berichtet, er schätze den Z.ll. besonders
wegen der Pflege de<> persönlichen Ausdrucks. Er
habe zu Hause alke Zeichnlingen von Familienange-
hörigen gefunden, die seien zwar sehr glakt iind schön
aber es habe ihneii jede persönliche Aoke gefehlk. Ein
anderer bekonke, wie angenehm er es empfinde, dajz
der Z.ll. so frei vom Schemn und Mechanismus sei.
Das persönliche Moment konime mehr zum Ausdruck
alü in anderen Fächern. Leider sei nichl allen d!e

Gabe verliehe», leicht und slüssig zu schaffen. Auch
ihm falle eü ziemlich schwer. Es hnbe ihn schon häu-
fig bedrückt, dnsz andere Mikschüler mit einer ge-
wissen Leichkigkelk arbeilelen, um so gröjzer sei dann
aber seine Freude, wenn ihm eine Arbeik krotz seiner
Schwerfälligkeik gellnge. Taksächlich zeigt dieser
junge Mensch auch in seinen Bewegungen eine ge-
wisse Langsamkeik, elwas Aengskliches kann man
ihm vom Gesichk ablesen. Line Annäherung nieiner-
seiks wies er zwnr nicht direkt ab, aber es war
aujzerordenklich schwierig, ekwas aus ihm herauszu-
holen. Ein gewisser Pessimismus klang aus seinen
Worlen durch, sein neueiildeckles llch schien vor Hin-
dernissen zn slehen, die seinem Skreben und Wollen
unllberskeigbar vorkamen. Demenksprechend fallen
auch seine freien Gestalkungsversuche aus. Die ge-
fühlsmäszige Ausfassung von Kunst- und Milurfor-
men dagegen liegt ihm mehr, besonders wenn er sie
als Träger rhykhmischer und dynamischer Werke ver-
arbeiten kann.

Xl.

So sucht der Iugendliche der „Ernsthandlung deS
Erwachsenen" wie S t e r n sagk, näher zu kommen.
Es scheink sich auch für die Kunst ein kieferes Ber- '
ständnis zu enkwickel». Aus den Gesprächen vor dem
Lichkbild, vor den Originalen in Ausskellungei,, im
Museum gehk hervor, dasz sich das Bewuszksein des
aufnehmenden äugendlichen gegenüber dem Lrlebnis
des KünstlerS säzärfk. Hier knnn ich auch häufig eine»
Einblick ln die erokische Einskellung des Jugendlichen
kun. Wir besichtigten eine Ausskellung des Aeichs-
verbandes bildender Künstler, in der !ch unker ande-
rem mit einer weiblichen Halbfigur verkreken war.
Wir gingen von Bild zu Bild. Frage und Ankwork,
Erläuterungen meinerseits, Ilnkeryalkungen derSchü-
ler unker sich wechselken. Wir knmen zu der Koje,
in der mein figürlicheS Bild hlng. Es zeigke ein
junges Mädchen, leichk mlk einem blauen Gewnnd
bekleidet, das eine Brusk frei liejz. Weiter skand noch
eine Plnslik in der Milte deS Aauines, e!n weib-
licher Akt. AlleS Gespräch verstummle. Schliejzlich
fragte elner lelse und zaghafk, warum besonders Pla-
stiken meistens unbekleidek dargeskellk würden. Er
erlebke wohl die keusche Schönheik eines weiblichen
Körpers zum ersten Mal. Zch versuchte, soweik eS die
Zeit erlaubte, zunächst klarzusteile», waS plaslisch
schaffen heiszl und ging dabei von dem Gedanken
aus, datz jeder für sich ein kastbareS Gebilde, eine
natürliche Plaslii, sei, um die aus hier »ebeiisäch-
lichen Griinden Kleidersiosse gehängl seien. Sv iiege
es nahe, dasz der Bildhnuer die menschliche Figur in
„künstlerischem" Sinne eriebe und seine GestallungS-
kräfte in plaskischer Form bekäkige. Die weilere
Anterhalkung über dieses Thema zeikigte die Frage,
ob ich nun meine Mädchensigur nach der Nalur ge-
malt habe. 2ch verneinte und wies darauf hin, dasz
diese Frage sür daü Enlstehen eines KunstwerkS
von unkergeordneker Nakur sei, und gab über die Ab-
sichten, die mich zur Gestnlkung des Bildes führken,
nähere Auskiinfk. llch liesz auch einslieszen, dasz gerade
in dem farbigen Nebeneinander von grünlich-gclb-
lichen Fleischtvnen der Brust und blauen Gewand-
tünen für mich der malerische Aeiz gelegen habe, der
nun milbeslimmend für die Gesamthaltung des Bil-
deS geworden sei. Die Zuiigen löslen sich allmählich
und ein anderer gab seiner Freude Ausdruck, „datz
jungen 18—Ibjährigen Menschen nichk mehr ängsl-
 
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