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Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 9 (September 1930)
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Busse, Wilhelm: Über die Erhaltung der Gestaltungskraft des jungen Menschen während der Pubertät, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0249

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ich i»ir iiiimer wieder ein Aufhorchen. Die Themen
ais Klnssenbenrbeiiiing iverden spnier seliener, die
Schlller werden nngeregi, sich selbst Äufgnben zu
siellen. Die Freiheii in hezug nuf Borwurf und Aus-
druclisinitlel wlrd Äröszer. Ausliegende Kunslzeit-
schriften, Gemnldereprodulilionen, Grnphlken und
Klinsllerhandzelchnungen: geben iveikere Anregung.
Auf ölese Welse hnhe ich lrnuin eininal einen Still-
slnnd zu verzeichnen nnd liann festskellen, dnjz ich in
v I ei» ^kachlassen Üer Geskallungslust so guk ivle gnr
nlcht beobnchte. Dev Trieb zuin Schnffen scheint mlr
sognr iin Durchschiiilt nöch reger zu sein wie der in
O II, weil die grösz?re Aeife allen oiesen angedeu-
kelen Anfgnben gesesiigkör gegenüber trikt. Durchweg
wird nuch von den jungen Leuken nusgesprochen, dah
die zwei zur Verfiigung stehenden Wochenskunden
reichlich linnpp flir die weitere Verkiefung sind. So
sngt der Ili-jührige D.: „Zwei Stunden genligen nicht,
uin zu einer slärlreren Konzenkrnklon zu nommen."
L. lZ.: „cin uiiserer oberflächlichen und liunstlosen Zeit
soiike der Kiinskunkerrichk vielmehr gepflegk werden.
Fiir mich sonsk wenig kälenkierken Zeichner bedeutet
die Teilnnhme ein Empsangen von Werken, die ich
nicht missen möchke.l! Z.!18 llnhre: „2n lieinein Un-
kerrichksfach wird hns 'Individuelie des Schülers
durch eigene Wahl hes Unkerrichtsgebiekes so in den
Aordergrund geskellk! wie: im Z.U. Das lrönnke noch
ausglebiger gescheheii, luenii die doppelke Stunden-
zahl zur Berfügung Wnde." S. 17 Iahre: „Die An-
regungen, die nns der Z.U. gibt, sind so umfangrelch,
dnh innii gar nicht nlles in dem selbstgewllnschken
Mnsze verarbeiken lrgn». s

! XUl.

Mit solcher Einschllung kreken die Unterprimaner
in die 01 über. An noch stärlrerem Mnsze er-
hebk sich hier die Forderung, die Unkerrichtsweise
von der Seike der einsichsig-verstehenden Psychologie
aus zu bekreiben, wenn die Gestaltungslrrnfk bis zum
Abitur hin wnchgehglken werden soll. Die Anfor-
derungen, dle jehk In Lisisichk auf die Abschluszprli-
fung an die jiingen Leute gestellk werden, sind nur zu
leichk dnzu nngekan, die gefühlsmäszlge Seite zu er-
drüclren. Um dem eiikgegenzuwirlren, suche ich von
den Alokiven nuszugehen, welche die ungen Leuke
selbskändig wählen. Sie: geben mlr häufig einen
Fingerzeig, nach welcher-Aichtung hin sich das Le-
bensgesühl des eiiizelnen enkwicirelk. Durch eigene
Aeobnchkungen, die durch Aussprachen mit den übri-
gen Lehrern der Klnsse örgänzt werden, lrann man
unker Umskändeii den Unserschied in den Lebensfor-
men der einzelnen jungen Leuke erlrennen. Ich er-
wähne einige Typen: derj Aenlist, der Noinankikrer,
der Problematilrer, der ästhetische Schwärmer u. a.
Ieder Perkreker dieser Grüppen mllszte seiner inneren
Eiiiskellnng gemäsz vehnndelt werden, uin den Vooen
seiner Gestnllungslrrnft richkig veackern zu lrönnen.
Doch wird dns nur iy ganz lrleinen Klassen durchge-
führt werden liönne», deren Schüler dem Kunster-
zieher in dleser Mchtung jhlii wirltlich belrannt sind.
Leider lrnnn inan bei der groszen Anzahl der Schüler
den sich hier eröffnenden Möglichlrelken nicht so nach-
gehen wie mnn möchk?, s

So bleibk nichks weiter übrig, als nuf dem weiter
zu bnuen, wns jedeiii'Typ eigen ist, nuf der Fähig-
lreik des Erlebens überhaüpt, deS Erlebens in der
Form des Aneignens, Diese rezeptive Funlrkion Ist
die Wurzel aller Produlrkipikät, und es ist hier gleich-

gllltig, ob das in Focm des Erlebens Aufgenommeiie
als solches gestnltek wird, oder ob es gesichkek »nd
limgeformt so wiedergegeben wird, dasz eS nls Aeu-
schöpsung erscheink. Ob das zur Gesknllung führende
Erlebnls intellelrkueller oder äskhekischer oder noch
anderer Ark ist, spielt eine unkergeordneke Aolle. Der
nuf dieser Enkwicklungsstufe schon vorhandene Wille
zur Auswahl läszt von sich aus schon yur das Erleb-
nis gestalkend zum Ausdruclr liominen, das der inne-
ren Formelnheit des Betreffenden angemessen isk.

Aus diesen Gründen gewähre ich in 0 I zunächst
einmal die gröszte Freiheik in bezug auf die zeichne-
rischen und malerischen Ausdrucksweisen. Dle Schü-
ler haben im Laufe der Zeik allerlei iiennen gelernk
und das Bewusztsein, selbst die Ausdrucksweise wäh-
len zu liönnen, die ihnen am meisten liegk, bildek
schon einen Anrelz. Wenn zunächst auch dieses und
jenes versuchk wird, nach und nach liehren doch die
meisten zu der Form zurück, in der sie wirlilich ekwas
zu sagen haben.

Die Erinnerung an daS sachliche Zelchnen von
Archlkelrkurmoliven der früheren Klassen sO ll und
V I) läszt bei den jnngen Leuten den Wunsch lank
werden, den Sommer über wieder drauszen zu schaf-
fen. Das suche ich von vornherein einer Ausgabe
nuhbar zu mnchen, die in den ANtkelpunlik der Iah-
resarbeit rüclik. Gemeinschafksarbelken in den bisher
durchlaufenen Klassen lassen sich als Grnndlage her-
anziehen, von der aus sich die jungen Leuke in einer
Vesprechung auf das geineinsame Ziel einigen. Vei
einer Ausskelliiiig der von mir sttr das „geimak-
archiv" gesammellen Arbeilen im Zeichsnsaal war
manches Mokiv nls noch fehlend feskgeskellk worden.
So liainen sie zn dem Eiikschliis;, die Sammlung durch
elbstgewählke Motive zu ergänzen. üeder machke
eine Vorschläge und zwei zu zwei rückken dis Schü-
er an ihre Skandorke ab. Nakurgemäsz verteilke sich
die Klasse'so auf einen großen Teil der Skadt. Flir
den Lehrer bedeutek dieses Verfahren unkerrichks-
kechnisch eine auszerordenkllche Crschmerung, außer-
dem lädk er eine grosze Verantworkung auf sich. Doch
darauf weise ich zum Veglnn HIn, rufe das Ehrgefühl
der Schüler anf, spreche von dem Verkrauen, das
ihnen geschenlik wird, erwähne auch die Gefahren des
Groszskadkverliehrs und in welche Lage ich selbst ge-
brachk werden liann (Fafkpflichk), wenn sie nichk die
nökige Vorsicht üben. Vishec habe ich keine schlechle
Erfahrungen gemachl,- durch Slichproben wird fesk-
geskellt, ob die jungen Leuke an ihren Plähen sind.
Genau prttfe ich vor allem den Forkschrikt der Arbeik.
3e nach Einskellung und Können bearbelteke der ein-
zelne sein Mokiv alS einfache Amriszzeichnung oder
als Zeichnung mik Llchl- und Schnlkenangabe oder als
'Zlrbeik, in der dle im Ausdruck gehöhke und geskärkke
Form als Träger von rhykhmischen und dynamlschen
Werken hervorkrat. Die leßke Ark, also das freie
Gestalken vor der Nalur, sehke sich gegen Schlusz
immer inehr durch und zeigle mir, dasz abgesehen von
einigen Nurnalurfanakikern auch in dlesein Alker
(18—20 2ahre) der Drang, etwas Selbskändiges, Eige-
nes zu schafsen, wenn auch unker Venuhung der
Nakur, iminer noch vorhanden Ist. Mancher isk selbsk
überrascht, waS er aus einem „elnfachen und nüch-
lernen" Alokiv geformt hat. Dieses Vekonen und
Skeigern der gegenskändlichen Form nach der künst-
lerischen Seike dehnt sich in der im Winker folgenden
Arbeik noch mehr aus. Eine ganze Reihe findet hier
 
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