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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 10 (Oktober 1930)
DOI Artikel:
Parnitzke, Erich: W. Pfleiderer: "Die Geburt des Bildes"
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0273

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I

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Wu'kung auf die Fro»t!der „Gebildelen", die troh-
dein voii Bild und Bildweröen wenig wahrnehmen,
keineswegs unkerfchntzt sein. Man soll nichk denken,
dah es siir eben diese Gebildeten viele Wege zu
diesein Gebiet gibt. Der Weg, den Pfleiderer vor-
angehk, indein er die llb'lichen psychologischen und
nsthetlschen Borskellungeii a iz w e n d e t auf die Kin-
derzeichnung, ist schon „hrauchbar".

tzlngegen berechkigk der Anspruch Pfleiderers, im
Bortrupp zählen zu chollen, zu näherer Prllfung
dessen, wns er vorzusiihren shnt. Wer sich an die
Kenner der Sache wendek, i niusz auch gewappnet
sein. Kerschensteiner init einem Seitenhieb zu skrei-
sen, ist längst kein Auhm mehr. Auf Briksch zuzu-
stoszen, verlangt schon einige Tapferkeik. Nun gibt
es iniiner zweierlei Tapferkelken: eine, die mik
ofsenen Augen und im Bewusztseln der Kräfke mit
denen es z» >»n gibk, fichk, ehie, die inehr ein blindes
Drauflosgehen ilt. üinwiefern? Pfleiderers Tapterkeit
iin Falle Ärllsch von dieser: Ark ist, zeigte vereits
H. Zerrmann-Schondorfi (Heft 7). Nun kann man
noch nnders fragen, nachdeui es leicht Kraftver-
schwendung werden kanii, chenn man von der Fe-
siung der Äritschsche» Theorie aus das Gelände be-
sireichk. Gewisz, Herrinann:hatke mik jedem Wort
recht, vor allein niii den! Borwttrfen deS fahrläsfigen
Angriffs. Hier inusz den! Philologen Pfleioerer wirk-
lich jedeS ivissenschaftliche Gewissen verlalsen haben
uud jede Selbstkontrollej als er die Bokabeln der
„Theorie" »uhle, ohne chren SInn erhalken zu kön-
nen. Wenn uian indes diese jFassade streichk und dic
groke Gesle, init der P. die! „kllnstlerische Qualitäk"
in der Kinderzeichnung bearbeitek, so bleiben einige
posikive Fragen, näuilich dazu: welche Aufgaben
Skudien zur Kindeczeichnung! heuke verfolgen, welche
Quellenwerke sie dnrbieten k!önnken für eben den
Kreis inkerefsierker Leser, chie sie sich P. vorstelit
(s. oben)? Welche Nachfrage wirklich heute bestehk,
bliebe dazu zu sragen. !Zsder Znkeressierke kennk
z. B. Harklaubs „GenjuS iin Kinde". Wozu also
Barinnken bringen zu-Thmnen, die dort bereits
erheblich besser — d. h. gewissenhafker — behandelt
sind. (Nebenbei: knnnke P!. Harklnub nicht, oder
wollke er ihn nicht keniisn?) Nichl Wenige ken-
uen die Arbeit Prinzhorns („Bildnerei der Geistes-
krnnlien". Wiederuui: kaniste P. dessen sorgliche
Darstellung der Koinponenten des Bildwerdens nicht?
Wollte er sie nichk kennesr?) Man schlage Prinz-
horns einleilende Abschnikke! nach, — sie verdienten
viel inehr bekannt zu sein und vergleiche Pslei-
derers „Lehrsah": „drei Mundkräfke wirken daS
Bild: Bildwille, Nhythinus, Foruifinn" mlt den ent-
lprechenden Allsftthrungen bei Prinzhorn, die P.
leider eben nichk „weikerbeürteilt", sondern zurück-
beurleilk, wie er hinfichtlich Britsch — und dort um
eine Generalion — bayinkeisblieb.

Wenn inan die abgebildeten Kinderarbeiten durch-
sieht und dann die Texkbefchreibuiigen, bleibt der
dringende Wunsch nnch gewissenhafteren Angaben!
Wir alle können jederzeik mus 10 00Ü Kinderzeich-
uuiigen 70 Belege hernusziehen, die ein Gesicht ha-
ben. Wenn aber nicht offensichtlich eine bilonerische
Qualiläl darauS spricht! (unh das ist längsk nicht bei
allen Belegen der Fall, hei dene» P. dns an-
iiiiuinl ...), so bleibcn Bemerkungen nötlg, sachliche
Dalen über daS Kinü, tihcr die Art der Einflüsse. DaS
Lliier alleiu geniigt ebey nicht.

Einen Quellenwert könnken z. B. haben:

1. Neprodukkionen von Kinderzeichnungen, deren
Qunlität ftir sich spricht, Beröffentlichungen wirk-
licher Dokumenle einer öiugendkunst.

Es gibt überall solche eininaligen Dinge, die
nicht altklug, sondern elemenkarisch geformt sind,
die uns nach zehn siahren »och genau so in Bann
halten, wie im Augenblick des Entstehens. Atan
sollke allerdings nlchk denken, dajz es gar viel sol-
cher „inuseumsreisen" spontnnen Arbeilen gibi.
WnS nach „Schularbeiten" schmeckt, gehörl selten
dazu.

2. Monographische Berichke tiber lnngere Ieit hin-
weg, mit Sicherungen der Vegleilumstände — Hil-
fen, Einflüsse usw. Es gibk viel zu wenig solcher
Entwicklungsreihen nicht nur „hochbegnbler", son-
dern auch „mittlerer" Naluren, obwohl es unge-
uiein fruchtbar ftir die erzieherische Ärbeit wäre,
die Selbstbildestrebungen (die den grötzten Schwan-
kungen ausgesehk sind) eingehender zu verfolgen.
Die strenge Ätelhode solcher Beobachtungen Ist
noch wenig geübk worden: es ist iminer leichler,
sozusagen die Snhne abzuschövfen. Die besteu
Veifpiele gab bisher die psychologische Einzel-
geschichlsschreibung. Die Kindheiksmonographien
von Kröhsch, W. Skern, H. Lng behalten Ihren
Quellenwerk! Es fehlen indes Monographien Hnlb-
wüchsiger im bildnerischen Tun. Darin gab nllein
bisher Q. Wulfs e>» Beispiel, das allerdings be-
lastet bleibt mlt ungesicherken Werkungsfragen.

3. Anfchliejzen liesze sich noch das chileresse sllr be-
fonoerS „schwierige" Fälle, ailSgesprochen „ainu-
fische" Naturen usw. Wobei nicht vergessen sei,
oasz sich gerade aus Ausfallüerscheinungeii und
Fehlleistungen mnnches leriien >äht. (Prinzhorn
benuhke diese Mekhode mit gröszkem Ersolg: die
Psychologie hat fllr den Kunstlehrer iminer Be-
deukung, einfach deswegen, weil er als Lrzieher
auch Arzkfuukkionen zu versehen hat, Heilpäda-
gogik kreiben inusz. Ällerdings kann die Plycho-
logie keineswegs von sich aus zu Qualikäksurteilen
kommen: die Werkmaszstäbe mus; fie imiiier aus-
leihen: sie kan» nie Ziele des Päongogischen be-
griinden, sondern nur Zuslände in Beziehung sehen.)

Pfleiderer Irrk, wenn er ineint, dasz nur quali-
käkvolle Kinderzeichnungen für pädagogisch-psycho-
logische Ankersuchungen Werk häkken. Er meint
kaksächlich etwns ganz anderes. Ls miiszle so heiszen:
die S e l b s k bildung der Kinder zeigen nur spon-
kane Arbeiken, die eben selbstgebildef sind. Daftir
einen Blick zu haben, ist allerdings nökig, da sonsk
Folgerungen gezogen werden aus Zeichnungen, in
oenen alle möglichen NachahmungSbestände — ille-
gitim — ihr Anwesen kreiben und den Schnffens-
grund verschleiern. P. bringt aber selber mehrfach
solche illegitinien Produkte, ohne sie zu durchschauen
und begeyt Fehler, dnran Kunskurteile zu knlipfeu,
begehk die kaum verzeihliche Ankerlassung, gar nicht
nach der Entstehung der Blätler gefragt zu haben —
unter welchen Einflüssen usw. —, d. h. niniint als
spontane Arbeiten hin, was gar nichl unker seinen
Augen enkstanden ist. Es rächk sich eben doch, wenn
ein Nichk-Sachkenner Sköjze von Schtilerarbeiten
(ivomit auch Schlller der eignen Lltern gemeint
sind) auf originnle Kunslwerle hin betrachtet. Denn
was soll Qualität sonst heiszen? Die genannken Mög-
 
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