Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Editor]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

DOI issue:
Heft 10 (Oktober 1930)
DOI article:
Parnitzke, Erich: W. Pfleiderer: "Die Geburt des Bildes"
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0274

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
llchkeileii hat P. nlcht gemihk, hingegen beschreibt
er z. A. die Lnlwickluitg der Formerkeimknis des
Klndes folgenderiiiaheii: -

„Zuerst »iikerscheidet duS Kiiid die Gruiidformeii
der Einzeldinge, untsizwar zerfällt ihm die Welt der
Dluge ln solche vomirundlicher uud solche vou läng-
llcher Gruiidform." s— „Die zweite Formerkenutiüs
bezieht fich nuf die Gröhenverhältnifse. Hier ift das
Kind sel)iv lange uiisichei, was sich auS der Äelati-
viläk nller Gröheni! erltlärk. Diese Willktirlichkeik
beeiulrächtigl indesseii isichk weseiiklich die Lesbar-
keik der Kinderzeichiiung, wohl deshalb, weil die
Äelaliviläk und diei kaksächliche Berschiedenheik der
Proporkivnen uns einesrasche Amstelluna> und An-
passung geskalket." j-r- s,Das dritte Gebiet ist daS-
jenige der Lage ugd Aichkungsverhültnisse. Jn
der zeichiierischen Enlivicklung kommt diese Erkennt-
uis osfeubar zuleht."! s

Der Aerliuer Bofkrag P.s llm Pädagogischen Zen-
trnlblakt Heft 7/8 jd. ch, das der Oskerkagung im
Zentrnliiiskilut gilt und auch dleBeilräge vonPallnt,
tzasler, Kornmniin, W. Audolph, C. Englert-Faye
eulhälll). vermerkt im Einzelnen zur ersten „Form-
erkeniiliiis" (d. h. ErkenntniS der Aakurform?) noch:
„die rundlichen — Grundformen —, z. B. Kopf,
Körper, werden durch kxeis-, ei-, birnenförmige, ge-
schlossene, oft sehr junregelmäszige Linien, die iäng-
llchen, z. B. Aase, Mund, Arme, Beine ufw. durch
einsache Skriche ausgedrtickk". — Schön, yier wird
beschrieben: runde und fängliche Grundformen. Gibt
es nichk doch schon Beziehungen zwischen ihnen?
Sollle Pfleiderer noch >dem alken Elemenkenbegrlff
verfallen sein? — Briksch meinke Grundformen des
B o r s t e l l e n s, des bildnerischen Denkvermögens,
iveim er festslelike, !dasz idie ersken „Arteile" in dem
Aahmeu bleibeu: begrenzt, gerichket, auSgedehnt. —

Was bezeichnet P. als „zweike FormerkennkniS"?
tzier stulzt uiun erheblich. 3st das Besa-reibung, Er-
klärung oder? Also das Kind lernt allmählich die
Gröszenverhälknisse „sicherer" darstellen. So lange
eü aber „unficher" idarisi ist, hat es indessen auch
recht: die Dinge sigd nun mal verschieden grosz. ES
gibt kleine und grosze ijHunde, Menschen, Ääume
usw. Es gibt kleine und grosze Köpfe auf den Aren-
schen, kleine und grosze Augen in den Gesichtern,
lilelne und grosze Haiidschuhnummern und Leuke mit
slöckrigen Armen und Beinen gegenüber solchen
mit dicken Giiedmajzen; Das macht aber nicht nur
dem Kind wenlg aus, söndern auch uns, da wir eben
dann wissen: aha,j da ift eiuer mit einein groszen
Kopf gemeint, da ein Schoszhündchen usw. — die
Proporlionen sind halt Im einzelnen sehr verschieden!

jzier wird überdxutlich, dasz P. nicht nur in der
elemenknren Grundformenlehre befangen ist, sondern
auch in üer akademischen Proportionslehre: denn
sein Masz der „richkigen" Proportionen öezieht er
daher, wie sich auch sonist zeigt. s!hm ist das Problem
»och gar nicht nufgegangeii, dasz In der Kinoerzeich-
uu»g eine eigenwerkige Ordnung der „Gröszen"
herrjchk, eine, diei nicht „unsicher" auf die Anter-
schiede in der Aatur bezogen ist. Hier ist ein Ein-
jpruch dringend nölig: daS heiht nichk Studien trei-
ben, sondern auf das Piveau landläufiger Meinun-
gen sinken. Ein geringeS Begreifen Äritschs hükte
dies unmöglich gegiacht- Die drille Slufe nun er-
lüukert wieder derj Äerliner Äorlrag: P. meint die

Lage- und Mchluiigsverdälntisse im „Tiefenraum",
fagt allerdings auch, dasz es vorkomme, dns; ein Kind
oie „Lagebeziehung zwischen Auge, Nase, Mund
richtig auffafse, aber dnnn den Leib und die Beine
daneben zeichne". Er wirst hier also zusammen, wns
Britsch Halten eines Nichlungszusammenhanges
nannte, mit „Lage und Mchlung im sog. Aaum",
spielt obendrein dieses Gemenge gegen Brilsch aus:
„diese Erkeiinlnis kommt offenbar zulehk!"

Pfleiderer hnkke knum Grund, von Kerschenskeincr
nbzurücken: er kann sich von der akademischen Aus-
fasfung der Folge Flache — Körper — Aaum lat-
sächlich nicht trennen. And von der dazu gehörigen
Aesthekik. Davon dies Beispiel:

„Es kanii keine Kunst geben ohne ästhetische, d.
h. lustbelonke Erlebnisse: das wird niemand beslrei-
ten. Es musz also klargemachk werden, waü sür
äskhelische Erlebnisse daü zeichnende Kind hak. —
Zelchnen ist nach Ä. Vriksch „Beurkeilung von Ge-
sichksfinneserlebnissen". Häkte er gesagk: „. . . von
Gesichkseindrücken", so wäre das deutlicher geweseu,
hätle abec auch sogleich gezeigk, datz seine Definition
gar nichk darnuf ausgeht, das Wesen des Künst-
lerischen zu fassen, da sa „Beurkeilung" von siuii-
lichen Eiiidrückeii nur eine inkellekkuelle Äoraus-
setzung deS bild-künsklerischen SchaffenS ist. — Sollte
eS Ariksch eiikgangen sein, dasz GefichkSsinneserleb-
nisse nichks anderes sein können, als Erlebnisse der
Form- und Fnrbreize der Nalur? And sollle es ihm
entgangen sein, datz gerade diese Aeize dem Kind
nichk zum Erlebnis werden?" Das Vemühen von
Britsch war, einen Oberbegriff zu finden für den
spezifijchen Erlebnisbereich der bildenden Kunst,
einen Bereich, der nicht nur Bild, Plaskik, Vau, son-
dern auch innerhalb des Bildes z. B. Äaffael,
Aembrandt, Aenoir mik meink. And nlcht nur die
Kinderzeichnuiig. Was nicht unnökig isk zu bekonen,
da es genug Leser gibk, die osfeubar über die erslen
Seiten nichk hinausgekopimen sind und »un darllber
reden, als ob eS sich um eine gar psychologische Son-
derarbeit über die Kinderzeichnung handle, womög-
lich um die Vehandlung des Vegabungsproblems.
Konnte doch letzkhin noch Ä. Äothe-Wien sagen:
„Der Skandpunkt, es gäbe nur eine Begabungs-
richtung mik entsprechenden Qualikäksgraden, wie
ihn z. V. Vriksch-Kornmann vertritt, wird aufgege-
ben werden mllssen, Die Theorie (der Tept) skimmt
nur für die eine Aegabungsrichkung der Schauen-
den (Impressionisten) . . . die Mehrzahl der Bil -
der (zum Text) gehörk hingegen der BegabungS-
richtung der Bauenden an, die nichk nur Gesichks-
finneserlebnisse nach Ark der chnpressionisten verar-
heiten". Hier ist man sozusngen plall. Briksch eine
Theorie des Zmpressionismus! Nur aus Äersehen
oder Anvermögen leider snlsche Belege dazu! — 2ch
fllhre diese» Kurzschluh nur deshalb an, weil ofsen-
bar die Fassung: „GesichlSsinneSerlebnisje" als rotes
Tuch gewirkt hak.

Das Bemühen von Britsch war, die üblichen
ästhetischen Fragestellungen auszuklammern, weil sie
sämllich orienlierk blieben an bestimmten Auf-
sassungen von Bildwerken, von Qualitütsbegriffen,
die ais gegeben hingenommen wurden. Noch die
ganze Aesthetik vor der llahrhunderkwende wnr dem
Leitbild der klasfischen Kunst verpflichtet. Wenn P.
sagt: „das Kino hat kein Erlebnis der ästheli-
jchen Qualiläten der lebendigen Nalurform", so
 
Annotationen