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Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

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Heft 10 (Oktober 1930)
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Koch, E.: Tiergestalten aus Ast- und Wurzelwerk
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https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0280

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200

Liergestalten aus Ast- und Wurzelwerk

Von Studienrat E. Koch, Schwnb. Gmüud.
j! j (dgl. dazu dle Adbildungen Seile 207.)

Ein Lerngan g! fiihrke uns hinaus in den Herbst-
waid. Es galt dabek insbesondere, Materlal slir den
Werliunterrlcht .,» srlcheh und zu sainmel». Mie Ale-
sen und Aecken standen die Aauinsläinme iin Tan-
nenwald; mik langeti Armen grisfen die Aeste der
Eichen unü Auchen weit und tief hineln ins Waldes-
dunkel. Glelch braunen Schlangen ragten dle Wur-
.>eln der Tnnnenbäuine qus dem griinen Aioosgriinde
hervor; ein bemooskes Murzelstllck glich täuschend
einer ,,welfiis;lgen Eidechse init breitem Kops und
leuchtenden Augen. Piirres Geäst a»> Waldboden lrain
»ns vor wie ein Ueberrest von phantastischein Wnld-
getier. Ein abgek>,icktes Astslück halke viel Aehn-
lichkeit init einein langgeschnabelle» Aogelkopf; die
Gabelung eines Zweiges erinnerle an ein Hirschge-
weih, ein Tnnnenzapfew an den skachligen Leib des
Igels oder auch an den huschigen Schwanz des Eich-
horns. Am Wäldrasiüe fielen an Heclie und Skrauch
allerlel neue Tierforinei, auf. Lin slark geschwunge-
nes Askskück mit vier gekrttininten Zweigen lies; ein
sich aufbäuinendeS Grachenkier niik langein Schwanze
nnd weikein Aacheis erkennen. Lin nnderes Aststück
niit zwei Auckeln war ,vle geschaffen fttr den Leib
elnes Kninels: Zweige j des FeldnhornS init ihrer
liesgefurchten Ainde und den stark gebrochenen For-
inen der Zweige lies,eniallerlei andere phantastische
Tierforme» erkennen. Als wlr dann auf dem Helin-
wege an einer Weiszdorjihecke vorbeikamen, enkdeck-
ken die Schüler »eues Makerlal fllr unser Vorhaben:
Geweihe und Kronen, Hprner und Zacke» für alleriei
gehörnkeü Gelier i» geradezu idenler Form und ver-
^vwenderischer Fülle. Wenn üas Schlllerauge eininal
auf solche Dlnge hingelenkk rvird, wlrd die Phankasie
vv» selbst rege und drängk nach schaffendem Aus-
üruck.

So gab dieser Ggng iti den Wald eine eindrucks-
volle A n r e g u n gzu »i Gestalten v o n Tie-
re» aus Wurzel- und'Askwerk und legke zugleich
den Grund zu eiichr reichhältigen Skoffsamm-
l u n g. WeilereS Makeeial »luszten die Schüler für
die nächske Werkskuiide selbsl sammeln und milbrin-
gen. 3»i nahen Schulgarlen gaven die abgebrochenen
Aesle eines Apselbaumcs sowie Ileberresle eines Dor-
nenstrauchs werkvolle Stoffbereicherung. Ein Försters-
sohn brachke noch andere brauchbare Binge aus dem
Walde mik: Zweige mit spisjen Forchen- und Lärchen-
»ndeln, alleriei Moose und graue Barkflechten. Letz-
lere sollken bnld Schwanz und Alähne eines Einhorns
zieren. Ein ganzer Berg pon Aeslen und Strauchwerk,
von Wurzeln unü Aeisia ward nun aufgeschichkek. Nun
galt es, aus dem Bieleii das Brauchbare herauszu-
sinden, zu sichten, zi, ordne» und auszuscheiden.

Nachdei» sv die Borb^reilungen zur Arbeit getros-
sen und die Phantasie der Schüler für das Gestalke»
wach und empfünglich güvorden war, ging eS an ein
eifriges Schaffei,. Jeder Schüler sollte und wollte
etwaä andereä gestalten.s Ost fehlle nur eine Kleinig-
keit zum sertigen Tiere. Hier gall es, noch einen ge-
eigneken Elesantenkopf »lit langem Aüssel herauszu-
sinden, dort fehlte noch Kin Futzpaar für einen Dra-

chen oder üas krönende Geweih für einen slinken
Hirsch. Zwei stnrk gegabelte Zweige eigneten sich kress-
lich alS Fühe sür eine Wackelenle, und die Phanlajie
eineä Schülers !ah i», schuppige» Tannenzapsen den
Federleib einer Gans. Ein anderer benühte die Schup-
pen eines solchen Zapfens alä Ohren eines Dam-
hirsches. Auch sttr die Augen war bald das richtige
Makerial gefunden. Glasperlen i» verschiedene» Grö-
jzen und Karben und bunte Stecknadelköpse paszle»
ausgezeichnet.

Bon seiten des Lehrers bedurfke es da nur einiger
Hinweise und geeigneker Winke. Wenn etwa die
Füsze eines Tieres zu schwach ausfielen oder nicht
solide genug eingesetzt waren, muszke eine Aenderung im
Aiaterial oder in der Arbeitsweise gekrossen werde».

Die Beschaffung der zur Arbeik nölige» W e r k -
zeuge begegnete Keinen besonderen Schwierigkeilen.
Linige Baumsägen dienken zum Absägen der einzel-
nen Teile, elnige Aagelbohrer in verschledener Grösze
zum Einbohren der Üeffnungen fiir Füjze, Kops,
Ohren, Hörner und Schwänze, die Taschenmesser zum
Zuspihen dieser Teile. Ein guter Tischlerleim gab de»
Dingen die nölige Feskigkelk. Hin und wieder kani
auch die Hvlzseile in Anwendiing.

Zuleht kam dleFarbe. Alanche der Tiergeskalten
wirkken >n ihrem nakürlicheii Aindenkleid so fein, dasz
eine Farbe hier nur störend gewirkt hätte. Bei an-
deren Tieren konnke durch Anwendung von Farbe
eine gesteigerte Wirkuna erzielk werden. Eine Schlange
in hellvraunem Aalurholz bekani einen weijzen Zick-
zackskreifen mit rolen Begieitpunkken; das Geweih
einer Hirschkuh erhielt blaue und weijze Streifen »nd
je einen roten Aing an den Fützen, der weitaufge-
streckte Aachen eineä Ungetüms wurde leuchtend gelb
und die Zunge flammend rot bemalk. Die vierflltzige
Spinne bekam ein blaues Kreuz auf den Aücken und
gelbe Flecken auf Kopf und Küsze; ein fliegenähn-
liches 2nsekt fiel auf durch sein bunkgestreiftes Flügel-
paar. 2nr allgenieinen galk der Ärundsatz: Aicht zuviel
Farbe, die Karbköne äber ani richtigen Platz und in
guter Harmonie.

Aach einer Arbeit von ekwa b Doppelslunden hatle
jeder dieser 12—lüjährige» Schüler 2 oder 3 solcher
Tiere gestaltet, und »un sland auf den Arbeitskischen
eine Tierschau beieinander, wie sie reichhalliger
und vielgestalkiger kaum gedncht werde» kann.Aus nllen
Ländern und Zone» slaininken ihre Bertreler; einige
kamen aus gänzlich unbelinnnlen und bis heuke »och
unenkdeckten Aegionen: Aeben dem plumpe» AgS-
horn und dem schiverfülligen Eiefanken reckke sich die
schlanke Gazelle empor. Eln grojzäugiges Hasentier
mit weikauSgespreizken Beinen schie» sich in der Aach-
barsckast eines ürimmigen Drachenu»geheuers recht
unbehaglich zu fühlen. Ein viecbeiniges Schnabeltier
erstarrte vor Schreck beim Anblick eines drohend sich
naheiiden Skorpions. Lin andereS giskiges chisekk
näherle sich heimtückisch einem harmlosen Dackelhund.
3n wildem Schmerz bäumte sich ein verwundeter
Hirsch auf. Daneben sah nian „Schlangen und Aat-
tern die giftgeschwollenen Bäuche blähn". Ein fürch-
 
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