Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bund Deutscher Kunsterzieher [Hrsg.]
Kunst und Jugend — N.F. 10.1930

DOI Heft:
Heft 12 (Dezember 1930)
DOI Artikel:
Lange, Walter: Kunsterziehung und Naturstudium im Zeichenunterricht
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.28000#0320

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
dei» Drncheu" gehoinmeiu do» diesem Thema
ware» wir alsdang z» dem Schilde eiiies Rlkkers
iiherjzeüaiijze» »iid i hakse» i»it desse» Wappenbild
eiiie »e»e Aafgabe! pefuiide». Als Gegenstaiid für
el» Wappeiibild wähltesi wir iiu» dns Beil. Nichk
»iir weil uiis die Benühuiig des Beiles als Wappeu-
bild nus der Geschichke veiiauiik wnr uiid einleiichkete.
sviider» auch deshalb, ipeil ivir eS iin Auterricht vor-
her scho» eiugeheiid studiert hatte», also über seiue
Fornie» frei verfüge» hvmite». Besouders aber woll-
te» wir dem, vo» pns gezeichiieke» Schild elne »eue
eigeutlich sriedliche/Bedeukuug gebeu: Wir ivollten
geivisserniasze» ei» Wappe» der Arbeit daraus
mache». — Die Form i des Beiles hnkke somit hier
eiiie» »eue» Ziveck, nümlich als Schmuck eines
Schildes zu dieneiuiDiesec »eue, liünstlerische Zweck
verlangte ei»e Geslalkuiig für Eiikferiiung, also mujzte
gleich eiiimal jene lileine Ecke, die unser Naturbeil
geivöhiilich aufiveist, ivegfalle». Weiker sollte vor
allem dns Bild dos Bseiles „sprechen", d. h. die
Schiveifuiige» des sLiseilS gehorte» bekout und der
Stiel geboge». KurZ, dqs neue Beil muszte ei» Beil
„mehr zum Schauen^ ald zum Haueii" iverde».

„Drei Beile sführs ich in meiiiem Schild

Ärei Beile mit scharfer Schneide.

3ch rate jedchn im welte» Gefild,

Dnjz er ihre Schärfe meide.""'

So elwa sollte es dijrch sei» Aussehe» spreche».
Wie das immer erreicht ävurde, das ivar eigeue Sache
jedes eiuzelue» Schülers. Er muszke einheiklich ge-
stalten, daii» kam »ebe» de» Forderungen der
„Sachlichkelk" auch seine Persöiilichkeit genügend
zum Work. Gerads in her Erfüllung der lrüiisklerisch
sachliche» Forderunge» ilag hier der besondere liunst-
erzieherische Wert ^der Alebiiiig.

3ch sagke deshalb zu de» Knaben: „Wie ihr jeszt
vor eurem Zeichenblatt? sitzt, so stand ähulich auch
der Nikler hinter seinein Schild. Das Wappenbild
sollke zeige», wer er ipar: a» eurem gezeichneke»
Schild wird mau ebenso dei jedem von euch erlienne»,
wns er tür eiuer ist. iZeigt jeht als „Nikler des
Bleistifts was ihr köniit, zeichnet euer eigenes
Wappenschild! — Das verstanden sie. Später wur-
de» »och uiidere Schilder gezeichnel und gemall »nd
alle diese Arbeileip ivurde» de» besprochene» For-
derunge» mehr oder iveniger gerecht. A» Beispiel
»nd Gegenbeispiel wurÜe gezeigt, ivorauf es anlram,
so dasz nuch jene Schüler, öie anfangs uiigeiiügend
gearbeilet hakke», sich verbesser» lroniike». So wurde
bei dieser llebung vermiede», dasz das freie Eeskal-
le» — ivie sonst »ur allzuleicht — in Gestaltlosigkeit
zerflakter» koimte.! Der Wert des künstlerische»
ZeichenuiikerrichtS liegt ja seit seiner Einführuiig
gerade i» solche» erziehliche» Momenteii. Die
vergangene »eueste'Eiitivickluiig im Zeichenunterricht
ist dagcgen mehr guf Kunst e n t w i ck l u n g erpicht
geivesen. Die Äichtuiig dieser Einstellung war ver-
fehlt, den» die KunskerZiehung hat ihre eigene Auf-
gabe, die wir nicht aus jden Augen verlieren diirfen.

Abb. l, 2» und 2b: Einzelne Beile als mehr oder
weniger gelungene! sachliche Nakurstudien (aus der
Borslelluna): alsdann vprschiedene Schilder mil Bei-
len nls einsache Proben sachlicher Kunsterziehung. Be-

* Mns „Drei Beile'? voiiiB. Schmmiiiii iii „Ilnsre Heiiiuit,
Wiirtt. Momitsblätter för Hsimot u. Bolkskimde", Nr. 5,8. Jahrg.

merke die Berändernng der Nntursorm des Beiles,
die Streifen in der Ecke und die Gesninlnnordnung!
Die beiden lehten Schilder sind zum Bergleich her-
geseht. Das Schild mit den drei gleichgeilchleken Bei-
len stellt die bessere Lösung vor. Es wirkt einheltlicher
infolge der parnllelen Anordnung. Die llbersiüssige
Sll)lange deü anderen SchildeS ist hier weggelassen.

Abbildung 3 und 4: Zwei Beispiele dnsür, dnh das
sreieste Gestalten bei sachlicher Kunsterziehung nichi
notzuleiden braucht. Seite ötl', und !Zli7.

Anmerkung der Schriskleilung. Alir scheinen die
vorauSgegangenen Ausführungen von svmptoma-
tischer Bedeukung zu sein füc die Aufsassung vieler
unserer Amtsgenossen ttber die rechten Ziele und
Wege des Zeichen- und Kunslunierrichts. Darum
will ich ihnen einige Worle hinzusügeii. Bieileichi
tragen sie zur Klärung einer Frage bei, die gerade
inanche der Ernstesten unker nnS zur Zeit bewegl
und iinmer wieder bewegen wird. Die Frage lähl
sich kurz so fassen: Waruin soll im Kiliislunierrichl
unserer Schulen der Weg zum Geslnllen »lchl über
das nnmittelbare Nalurstudium siihren können? 3sl
die Scheidung der llebungen nach „Geslalien" und
„Darstellen", die von vielen Knnsllehrern heule ge-
fordert wird, nicht eine künstliche, die weder durch
das Wesen der Gestnltung »och durch das Wesen
der Darstellung begründet ist?

Ls wird immer wieder daraus hingewiesen, dah
fast alles Kunskschaffen zumal seil der Aenaissance bis
heute nachweisbar nns unmilielbareni ^!alurstudi»m
beruhe und das; dieses Wnhrnehmungssludium auch
die Kunstschulen beherrsche. Akan solgerl: wnruin
soll der Weg, den uns unsere gröszlen Künsller ge-
wiesen, und den wir während unserer Borbereilungs-
zeit zum Kunsllehrer gesühri wnrden, nicht auch der
rechte Weg im Kunstunkerrichi der BolkSschulen und
höheren Schulen sein?

I,i dieser Schluszfolgerung liegk aber vorweg ein
Zrrtum, der für jeden psychologisch eingeslellten Er-
zieher sofort erkennbar ist. Mun beruft sich auf eine
Tatsache, die vielleichl für den Lrwachsenen, sür den
eigeniliche» Künsiler gill, und überlrägl sie ohne
Bedenken ans den sich enlwickeinden Arenschen, aus
daS Kind und auf den Iugendlichen. Ilnd man sol-
gert, paradox gesagk: Was dem Kttnstler, zuinal dem
Genie, das dieser Ausgabe ein ganzeS Leben widinen
kann, möglich ist, dnzu musj doch .uich der Durch-
schnittsschüler, wie er unsere Schulen bevölkert, ob-
wohl er in der Woche höchslens seine l K- Slunden
Kunstunlerrichk genieszl, sähig sein.

Wer solche Schlüsse ziehl -- und es sind nach mei-
nerKenntnis noch elliche unler unS —der hal wahr-
scheinlich noch nie darüber nachgedacht oder an sich
selbst erfahren oder an der sog. Kunstproduktion
unserer Zeit wahrgenommen. wie weit und schwer
der Weg ist von der durch unmittelbare Anschauiliig
aufgefajzten Natursorm zu jener Phanlasievorstel-
lung, in der wir die künsllerische Borstellung erken-
nen. And er ist sich noch nichl darüber klnr gewor-
den, welche Schnukrast und geistige Konzenlration
zu diesem seelisch-geisligen BerarbeitungSprozesz, so-
sern er auch noch bewuszt vollzogen werden soll, ge-
hört, damik ein Gebilde entstehe, bei dessen Anblick
ivir uns an dieMühen des Schöpfers nicht erinnern.
 
Annotationen