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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 9./​10.1927/​28

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1./2. Märzheft
DOI Artikel:
Schapire, Rosa: Aus spanischen Museen, [2]: Madrid
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https://doi.org/10.11588/diglit.26239#0301

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durch einen Ruhm usurpiert hat, der ihm nicht gebührt
und zu den ganz Großen gezählt wurde. Kuns.t als letz-
ter Prüfstein eines Menschen, einer Epoche ist mehr
und anderes als ein interessantes Kultur- und Trachten-
dokument.

Goya ist sehr ungleich. Neben außerordentlich
schönen Bildnissen, wie dem seines Schwagers, des
Malers Bayeu (Nr. 721), dem Reiterbild der Königin
Marie Luise von Parma (Nr. 720, viel bedeutungsvoller
als das Gegenstück Karl IV. zu Pferde), Marie Louise

weiten Weg mußte Goya zurücklegen, um von den
rokokohaften Cartons für die Teppiche zu diesen mit
Grauen und Angst beladenen schicksalhaftenVisionen zu
kommen. Sie stehen seinen graphischen Zyklen am
nächsten. Wie muß es. im Innern dieses einsamen tau-
ben Mannes ausgesehen haben, der sich Saturn, der
s.eine Kinder frißt, die sogenannten Parzen, den Hexen-
sabbat, die Vision der Romeria als Gefährten seines All-
tags gewählt hat; düstere Fratzen des Lebens haben
ihn von den Wänden angegrinst.

Griechisch-

phönizische

Skulpturen

Phot. N. Portugal,
Madrid

in schwarzer Spitzenmantille und dem großen Bild der
Familie Karls IV. — die königliche Familie in ihren
virtuos gemalten Kleidern steht da wie eine Schlächter-
familie, die das große Loos gewonnen hat, sie trägt ihre
Gemeinheit hüllenlos zur Schau, nur die Kinder haben
Gesichter, die noch nicht vom Le'ben verwüstet sind —
und vielen anderen gibt es Bilder, die die Grenze des
Kitsches nicht nur streifen. Dazu gehören bei all ihrer
virtuosen Malerei auch die bekannte bekleidete und
nackte Maja (Nr. 741 und 742). In den kleinen figuren-
reichen Kompositionen zeigt sich Goya als, Vorläufer
des Impressionismus. Die Kampfszene vom 3. Mai 1808
(Nr. 749) ist die Urzelle von Manets Erschießung Kai-
ser Maximilians.. Die vierzehn dunklen gespenstischen
Bilder aus Goyas Landhaus, die durch eitie Stiftung des
Barons von Erlanger 1881 in den Prado gekommen sind,
kamen im dunklen Untergeschoß, in dem sie proviso-
risch untergebracht Sind, nicht zu ihrem Recht. Einen

Die Italiener des 14. Jahrhunderts fehlen im Prado
ganz, die dcs 15. sind zahlenmäßig schwach vertreten,
aber Fra Angelicos Verkündigung wirkt trotz durch-
gehendem Sprung in iltrem kühlen hellen Blau und ihrer
Lyrik wie ein Klang aus einer anderen Welt. Manteg-
nas Marientod, klein im Format, ist ganz groß in der
Auffassung; von unbeschreiblicher Schönheit ist der
Ausblick in die Flußlandschaft in silbrigem Grau. Ueber
das Gebundene des Quattrocento hinaus weist Gior-
giones Madonna mit Rochus und Antonius im lockeren
Aufbau und im Zusammenklang von weißem Brokat
init warmem satten Grün. Aber alles verblaßt vor
Tizian. Nur im Prado lernt man ihn wirklich kennen.
Seine malerische Pracht, seine selbstsichere Gelassen-
heit, die Größe seiner Auffassung sind unvergleichlich;
das Wachs.en des Alten von Cadore von Jahrzehnt zu
Jahrzehnt zu erleben, ist beglückend und erhebend zu-
gleich. Niemand hat das Leben heißer geliebt als er,

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