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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 1 (1. Oktoberheft 1905)
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Unsere Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0068

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Half ihni dabei, daß er die Nacht zur Umgebung wählte, mit der alles Ur-
weltliche sich lieber verschwistert als mit dem Tag? Die Sterne, die sich im
Hochalpsee spiegeln, den der bläuliche Gletscher geuährt hat, der leise Glanz,
der magisch auf den Firnen des Gipfels schimmert, die gewaltige Einfachheit
und einheitliche Gewalt dieses ungeheuren Aufbäumens, das erstarrt ist, —
es schließt sich alles zusammeu zu ruhevoller Majestät. — Unser Mezzotint-
blatt ist unmittelbar nach dem Originale hergestdllt, zu eincm schönen farbigen
Steindruck, der bei Teubner in Leipzig erschieuen ist, hat Wieland dasselbe
Motiv verarbeitet.

Das Bild von Max Liebermann, das wir weiter bringcn, ist
unsrcs Erachtens cines der bestcn, die er gemalt hat. Eiue Allee, die eiu-
seitige Entwicklung der Bäunie läßt an die Nähe des Meeres denken. Dcn
Künstler hat nichts als das Malerische interessiert, das aber hat er als
Meistcr crfaßt. Man darf dem Bilde nicht zu nahe kommen, man darf es
uicht „bcriechen", wenn mau's genießen will, man muß auch der Neproduktiou
gegenüber noch so vicl Abstand halten, daß die Flecken sich in Farbe und
Licht und Schatteu verwandeln, und muß es gelassen lange betrachten, wenn
die Jllusion des Raumes entstehen soll. Wie dann die Allee sich vertieft
bis zu dcn gauz ungewisseu Gestalten vor der hellen Hauswand im Hinter-
grunde! Wie drobeu die Zweige sich lüften, daß plötzlich Licht zwischen ihnen
wird, Licht, das mit grünen und gelben, bläulichen und rötlichen Tönen
spielt! Der Techniker freut sich daran, mit wie einfachen Mittcln das alles
iu Sicherheit errcicht ist, cr erkennt schon an der Pinselführung Licbermann
und daran, wie sich die Farben zu einer eigenen Art Harmonie gesellen und
wie die Masscn sich auf eigcne Art zum geschlossenen Bilde abwägen. Wenu ein
Gemälde selber so deutlich seincn Maler nennt, hat es dann nicht schon deshalb
allein auch Persöulichkeits- und damit Seelenwert? Daß der hier erreichte
nicht der eiuzige ist, der gelten könne, davon handelt heute unscr Leitaufsatz.

Uuser viertes Bilderblatt, „zur ästhetischen Kultur", wird in dem
kleinen Rundschaubeitrage „Zur Drahtkultur" besprochen. A

Der Kunstwart hat seine neueren Jahrgänge stets entwcdcr mit
Tonstückcn unserer bedeutendsten schöpfcrischen Talente eröffnet, oder mit
dcn Gabcn „neuer", noch unbekannter eigenartiger Künstler, die er in die
Musikwelt einführen wollte. So steht cs mit dem jungen RudolfSchüller
aus Leipa, von dcm unsere heutige Notenbeilage drei Lieder bringt. Schüller
ist ein Werdender, kein Fcrtiger, kein Meister. Was ihu aber vor oder uebcn
vielen Neiferen und größcrcn Könnern auszeichnet, ist das Jntuitive seiner
Begabuug, welche mit sicherem Gefühle der dichterischen Absicht nachgeht,
um sie durch die Kraft der Töne der Phantasie näher zu bringen. Also
wieder einer, der auf dem von Hugo Wolf beschrittenen Wege, unter be-
wußtcm Verzicht auf die absolut musikalische Wirkung, als Musiker von

j. Oktoberhcft jstVS 5,
 
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