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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 6 (2. Dezemberheft 1905)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0392

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Wäre dem aber auch nicht so, Gefühle lassen sich nun einmal nicht
immer von Gedanken befehligen, und Gefühle sind es an letzter
Stelle, die dem Deutschen dieses und jenes als deutsch, dieses und
jenes als fremd bezeichnen. Und wenn er sich davor zu hüten hat,
das Fremde als sittlich geringer zu schätzen, so werden wir ihm
kaum wehren können, mit seiner Liebe zu bleiben, wo er sich heimisch
fühlt. Hinsichtlich der „Gedanken"-, „Gefühls"- und „Phantasie-
Malerei" (ich brauche wieder nur znr Abkürzung solche Schlagwörter)
habe ich selbst oft genug betont, daß heute wie srüher so oft der
Stoff für den Gehalt eines Werkes genommen wird: wir bekommen
vergrößerte marinierte Heringe als Vorweltsdrachen, Ziegenböcke
mit Kokosnußmasken als Fanne und nackte Preisringer als Kämpfer
um die.Wahrheit vorgesetzt — aber was beweist das gegen das Da-
seinsrecht der Gattung? Hier beginnt, mcinem Empfinden nach,
die Enge der Kunstanschauung, die auch Scheffler vertritt. Die uns
durch Böcklin und Klinger in ihren größten Schöpfungen mitge-
gebenen Visionen sind uns Träger gewaltiger und zum Teil (mau
denke z. B. an „Ein Leben") auch durchaus moderuer Gefühle, wie
sie keine Schöpfung irgend einer redenden oder bildenden Kunst ein-
drucksvoller gcstaltet hat. Wo wäre die Aesthetik, wo die Psychologie,
die verböte, auch mit Linie, Schatten, Licht und Farbe Gestal-
tungen zusammenzudichten, die solcher Gefühle Träger sind, uud wo
wäre der Maßstab, der sie kleiner zeigte, als Gemälde der Jm-
pressionisten? Auch Meier-Gräfes Bücher, die Scheffler so hoch schätzt,
geben auf diese Frage nirgends im mindesten eine Antwort.

Daß sich Scheffler in voller Breite bei uns ausgesprochen hat,
ist auch deshalb von Wert, weil wir für künftige Auseinandersetzungen
nun ein Dokument im Kunstwart selber haben, das jeder im Zu-
sammenhange nachlesen kann. An solchen Auseinandersetzungen wird's
ja nicht fehlen. A

1.08s Mätter

tZus frsn88en8 „tzUligenlei"

Vorbemcrkung. Als wir vor vier Jahren auf „Jörn Uhl" hin-
wiesen, mußten wir nnsre gute Meinnng mit breiten Zitaten bewcisen,
denn damals tannte die große Leserwelt Frenssen noch nicht. Bei „HÜ-
ligenlei" brancht's großer Raumaufwendung au dieser Stelle uicht mehr.
Was wir bieten, soll unsre Besprechuug belegen und erläutern da, wo
sie lobt, und soll das Bnch gerade den Kritischen empfehlen, die eine Mode
vom nähercn Hinsehen eher abhält, als daß sie sie dazu anreizte. Wir
wählen eine kleine eingeschobene Geschichte, uni deu Fabulierer Frenssen
zu zeigen, eine Naturschilderung und eine Liebesszene und streuen noch ein
paar Kleinigkeiten dazwischen. „Hilligenlei" ist wie „Jöru Uhl" bei Grote
in Berlin erschienen.

G

Der Bischof und der Strandmann

„Das ist schon lange her . . . wohl siebenhundert Jahr . . . da kam
eines Tages der Bischof von Hamburg hier unterm Fenster cntlang, urn

ZI6

Uunstwart XIX, 6
 
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