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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1905)
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Scheffler-Friedenau, Karl: Der Deutsche und seine Kunst, [2]
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0333

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lektuellen, bewußt den Jntentionen des Künstlers folgt, sodaß das
Lebensgefühl genau die Kurven macht, die in der Musik vorgezeichnet
sind. Kunstgenuß entsteht nur, wenn die Gefühle und Empfindungen
gedacht werden können. Das weiß der Musikfreund. Vor dem Bilde
aber glaubt er träumen zu dürsen. Wenn er vor einer Landschaft
im Geiste eine Badereise erlebt, denkt er künstlerisch zu fühlen;
spiunt er, angeregt durch eine malerische Schilderung, die Situation
dramatisch, also zeitlich aus, so ist er überzeugt, das Wesen der
Naumkunst zu erfassen. Uebrigens ist das ein alter Jrrtum, mit
dem sich Lessing schon auseinanderzusetzen versuchte und der doch
immer wieder zur Diskussion gestellt wird; womit schon der Beweis
erbracht ist, daß der Deutsche eine natürliche Anlage zum Genuß
der Raumkunst nicht besitzt. Wäre solche Anlage vorhanden, so würde
sich die viele Theorie erübrigen. Und doch ist die Trennung des
ewig Unvereinbaren die Vorbedingung. Das Malerische kann nie
anders als räumlich, als bildmäßig wirken; es setzt die Unveränder-
lichkeit in der Zeit voraus. Jn dem Sinne nämlich, als das Vorher
oder Nachher des dargestellten Augenblicks nie interessieren darf.
Sobald ein Gedanke über den Rahmen hinausschweift, ist das Bild
schlecht oder der Betrachter minderwertig. Die schlechten Gemälde
werden in der Erinnerung besser — das ist ein bedeutsamcs Cha-
rakteristikum —, weil die mit dem zeitlich zu erfassenden Gegenstand
beschäftigte Phantasie besser, deutlicher, vollständiger malt, als der
Künstler es gekonnt hat. Das gute Bild enthüllt seine beste Macht
nur dem Auge. Seine Schönheit, wie alle Schönheit kann nur un-
vollkommen gedacht werden, sondern braucht zur eigentlichen Wir-
kung die Gegenwart, das heißt in diesem Falle: das Auge.

Rarl Scheffler-Friedenau

(Schluß und Antwort im nächsten Hefte)

Oer Pkakl

von Timm Kröger

Vorbemerkung. Mit dem Folgendcn reichen wir den Lesern eine
kleiue Gabe neuer Dichtung ins Haus, die wir ein „Kabinettstück" zu nennen
tvagen. Wie lebt aus diesen wcnigen Blättern der alte sonderbare Mann
vor uns auf, mit dem es dann allmählich zum Sterben geht, der alte
Fabulierer, dem, ohne daß er's weiß, sein Erzählen sein Zusammenleben
mit anderen Seelen ist, von denen ihn doch nur eine recht verstand,
die freilich s o recht, daß er nach ihrem Abscheiden gar nicht mehr ohne
sie auskommen kann und sie mit seiner Phantasie schließlich gar in eiuen
„Pfahl" hineinsieht. Schon als psychologische Studie wäre unser Stück eine
kleine Meisterleistung, aber seine höchste Ehre macht das nicht aus. Es ist
zugleich eine fast ganz und gar in Darstellung aufgelöste Erzählung. Mit
andern Worten: das Gefühl des Dichters hat alles so innig mitgelebt,
daß er durch diese Stärke des Anreizes seine Phantasie zu fast körperlichen
Bildern befähigt hat.

l- Dezemberheft (905 267
 
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