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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 2 (2. Oktoberheft 1905)
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Bartels, Adolf: Adalberbert Stifter
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Batka, Richard: "Musikalisch"
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0086

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Treue heraus. Wo Stifter eiumal gezwungen ist, deu Boden der
Heimat zu verlassen, da zeigt sich, daß er auch seiner Phantasie
allein vertrauen darf, daß sie Größe, Glut und Farbe hat, und
wiederum vermag er auch, wo es sein muß, menschliche Charaktere
genauer zu bilden, Psychologie zu entwickeln oder besser in dichte-
risches Leben umzusetzen, wenn es sein muß, kurz, er ist ein wirk-
licher Dichter, kein bloßer Prosaiker. Aber er ist auf der Flucht
vor dem Leben im Sinne etwa Hebbels, der denn auch geradezu
seiu Antipode ist und den guten Stifter einmal durch ein scharfes
Epigramm sehr betrübt hat, er gehört zu der Familie Jean Pauls,
von dem er auch ausging, nur daß er nicht dessen Humor hat, er
ist reiner Jdylliker, einer der vornehmsten und liebenswürdigsten,
die wir je gehabt habeu. Uns ist der Dichter-Kämpfer, der Dichter-
Lebenskämpfer der große Dichter, „ihm gab ein Gott zu sageu,
was er leidet" und die Menschheit mit ihm, zu sagen auch, wie die
Meuschheit das Leid überwindet, „Werther" und „Faust" sind mehr
als alle Jdyllen der Welt. Aber auch die Jdylle hat ihr Lebens-
recht und jene Phantasiekunst hat es, die wir heute statt ihrer haben,
sie, welche die Wirklichkeit wie auch die ernste Wahrheit dieses Lebcns
völlig ignoriert, — wir Menschen wollen alle hin und wieder und
dürfen auch „flüchten". Stifter ist darum so schätzenswert, wcil er
weder ins Süßliche noch ins Leere abirrt, weil er, an die Natur
gebunden, frisch uud gesund, wenn auch gelegentlich etwas breit und
salbuugsvoll ist. Er hört, wie eins der besten Worte Julian Schmidts
lautet, buchstäblich das Gras wachseu, und uach ihm ist noch keiner
wieder gekommen, der diese Gabe Gottes in dem Maße wie er
besessen hätte. Deshalb lebt er, mit seinen „Studien" vor allem,
von deuen das „Heidedorf", „Der Hochwald", „Die Narrcnburg",
„Aus dcr Mappe meines Urgroßvaters", „Abdias", „Brigitte", „Der
Hagestolz", „Der Waldsteig" und wohl auch noch „Der beschriebene
Tännliug" in ihrcr Art Meisterstücke sind. Einiges der „Bunten
Steine" und der nachgelasscnen Erzählungen ist ihnen auzuschließen.
Daß Friedrich Nietzsche Stifters „Nachsommer", ein späteres um-
fangreiches Werk, unter die Mcisterwerke deutscher Prosa gestellt hat,
soll uur so nebenbei erwähnt werden, obschou es auch etwas sagen
will. Der wirklich lebende Stifter ist aber eben doch der Stifter
der „Studicn", diese sind, möchte ich sagen, die beste Sommerfrischen-
Poesie, die wir haben. Eduard Mörike und Theodor Storm, die
freilich größere Künstler waren, reichen dem Sohne des Böhmer-
waldes die Hand, uud weun er seinen Urwaldzauber heraufbcschwört,
dann haben sie sogar einzugestehen, daß ihre Heimat ihnen das nicht
geben konnte. Adolf Bartels

„j^usikalisck"

„Jch bin nicht musikalisch."

Wie oft hört man diese Aeußerung aus dem Muude von Leuten,
die sehr gerne Musik hören. Geht man dann ihren Gründen nach,
so erfährt man, daß sie sich darum für unzuständig in Sachen der
Tonkunst halten, weil sie außerstande sind, Töne und Akkorde nach

2. Gktoberheft fftOä
 
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