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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 5 (1. Dezemberheft 1905)
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Erdmann, Karl Otto: Regeln
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Vogel, Alfred: Gedichte in der Volksschule, [3]: zu Straßburg auf der Schanz
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0307

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Ueberzeugung auderer uicht mehr genügt, wenn sie ihre Urteile „be-
grüuden" wolleu. Ob gewollt oder nicht gewollt, ob bewußt oder
uubewußt, taucheu daun diese geschmähten oder geleugueten allge-
meiuen Sätze aus der Versenkung auf.

Jch meine nach alledem, daß ein radikaler Zweifel an dem
Dasein und dem Werte ästhetischcr Normen überhaupt übel am Platze
ist. Um so angebrachter aber scheint mir die Vorsicht gegenüber
den einzelnen Sätzen, die sich für solche Normen ausgeben. Was
nützen die schönsten Regeln, wenn sie falsch sind? Für jeden, der
wirklich nach Einsicht strebt, ist bei dem Zustande der heutigen Aesthetik
das schärfste Mißtrauen geboten gegen alles, was nach Prinzipien
oder Regeln aussieht. Es ist um so mehr geboten, als die meisten
Menschen — Künstler und Kenner immer eingeschlossen — ein unaus-
rottbares naives Zutrauen zu diesen allgemeinen Sätzen haben. Wo
immer es gilt, Urteile zu stützen oder umzustoßen, werden sie ge-
schwind zitiert, oder, wenn sie nicht da sind, aus den Fingern gesogen.
Hörer oder Leser lassen sich ja gern und leicht überzeugen. Wenn
aber einer einmal widerspricht und Fälle anführt, die sich der Regel
durchaus nicht fügen, dann spielen sich wohl Debatten ab, die dem
eingangs erzählten grammatischen Gespräche völlig gleichen: die
Regel wird so lange eingeschränkt und verklausuliert, bis Ermüdung
eintritt oder dem Opponierenden keine Gegenbeispiele mehr cinfallen.
Jnzwischen blüht aber vielleicht die ganz anders ausschauende einzig
richtige Regel unausgesprochen im Verborgenen.

Und so empfehle ich immcr wieder den Lesern des Kunstwarts
ein freundliches Mißtrauen. Gibt ein geistreicher Kenner vder Künst-
ler ästhetische Betrachtungen zum besten, so lausche man willig seinem
Urteil und suche die Werte nachzufühlen, auf die er aufmerksam macht.
Aber man fasse nicht jeden angeführten Grund als wirklichen Grund,
nicht jeden Schluß als verbindlich auf. Nein, die Worte „Prinzip",
„Norm", „Regel" betrachte man vielmehr als Alarmschüsse, die zur
Vorsicht mahneu. Und man bedenke, daß selbst tausend Beispiele,
die ein Gesetz bestätigen, seine allgemeine Richtigkeit immer noch
nicht beweisen, während ein einziges Gegenbeispiel sie umzustoßen
vermag. R V Lrdmann

Geäickle in cisr Volkssckule

z. Zu Straßburg auf der Sckanz

Die Herbart-Zillersche Schule hat das Verdienst, darauf hin-
gewiesen zu haben, wie notwendig es ist, die einzelnen Unterrichts-
fächer miteinander zu verknüpfen. Die Geschichte soll auf die Geo-
graphie Bezug uehmen und umgekehrt, die Naturwissenschaft auf dic
Geographie, und der Lese-, Aufsatz- und Gedichtunterricht auf die
gesamteu Realien. Die Vorzüge dieser Mcthode leuchten ein. Die
Teilnahme am Stoff wird lebhafter und vielseitiger, das Einprägen
ins Gedächtnis wird erleichtert, die Kinder lernen, gcwandter über
ihren Gedächtnisstoff zu verfügen.

Abcr die Methode bringt anderseits die Gefahr, das Gedächtnis-
mäßige eines Stoffes für sein Wesentliches zu halten. Sie kann auf

2H2 Kunstwart XIX, 2
 
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