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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 3 (1. Novemberheft 1905)
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Rundschau
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Unsere Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0216

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sindlichen Auge wirbelig wird. Da
ist ein Schisfsmodell, durch ein Uhr-
werk in ein fortwährendes Schaukeln
versetzt, sodaß man vom Zuschauen
seekrank werden könnte. Da wird ein
Gasmotor im Schaufenster betrieben,
sodaß man in Befiirchtung einer
Schwungrad-Katastrophe rascher vor-
übergeht.

Dcm gebildeten Europäer sielen
früher gewisse Geschmacklosigkeiten bei
den Schaufenstern Ncw-Dorks sehr
auf; das Tollste waren wohl die
Uaint pains, das heißt Ateliers, wo
blaue Augen, griine und braune
Beulen: die Ergebnisse von Prü-
geleien, knnstvoll übermalt wurden:
die Raufercien waren als Lockmittel
in drastischcn Bildern am Fenster
ausgestellt. Streben wir jetzt dem-

selben Jdeale nach? Oder haben wir
die amerikanische Geschmacks-Höhe
etwa schon erreicht? G Gruner

Ueber den Hamburger Kunst-
erziehungstag, über Siegfried
Wagners neues Stück und über
andre interessante Erschcinungcn der
letzten Tage konnten in dieses Heft
leider keine Berichte mehr kommen
— an Schnellurteilen durch den
Draht, so mcintcn wir, würde den
Lesern nichts liegen, zu gereiften
Arbeiten aber reichte es nicht, da
der Kunstwart jetzt cine schrecklich
lange Zeit zur Herstellung braucht.
Wir bitten deshalb um etwas Ge-
duld, nach und nach wird Alles,
was uns wichtig erscheint, in unsern
Spalten berücksichtigt werden.

Anssrs LUäsr onä f^olen

Auf der „dcntschen Linie" unsrer Kunst schreitet, wenn irgend einer
unter dcn Lcbenden, Karl Haider. Wir haben unsern Lesern Land-
schaftcn von ihm schon vor Jahrcn (Kw. XIV, (9) in Nachbildungen gezeigt,
wir freuen nns schr, ihncn heute eines derjenigen seiner Bilder zeigen zu
könneu, die Figürliches zum Gegeustande haben, und zwar eines seiner
neuestcn sowohl wie seiner feinstcn. Ganz ruhig und schlicht steht das junge
Mädchen mit seinem Blumenstranß in der Voralpen-Landschast da, dic auch
ihrerseitS mit keinciu ihrer Teile die geringsteu künstlichen Anstrengnngen
macht, um vom Beschauer beachtet zu werden. Es ist ein Bild, das nicht
im mindesten gefallsüchtig ist, das nicht im gcringstcn kokettiert.
Das ist ein ncgativcs Gutes, das positive lernen wir erst kennen, wcnn wir
nns nnserseits diescr keuschen Kunst nähern. Es erfordert Liebe des Sich-
Bersenlens, um die Liebe zu finden, die hier doch alles betreut, die bis in
die klcinsten Einzclhciten diesem Stück Menschheit und diescm Stück Land-
schaft fcinstfühlig nachgcgangen ist, ohne doch jemals den Blick auf das
Ganze zu verlicreu. Lcider ist iu cinem kleinen Teil der Auflage der Ge-
^ sichtsausdrnck iu unsrcr Reproduktion nicht ganz, wie er sollte, „heraus-
gekommen", ein Fehler, den wir nicht ändern könncn, weil die mangelhaft
gcwordcnc Platte sich nicht ersetzen licß.

Leibls berühmtes Bild „Jn der Kirche" zeigt, wie nahe Haider
-dicscm großen Mcister verwandt ist, genauer gesagt: diescm großen Meister
in einer bestimmtcn Zeit seines Schaffens. Dcnn nur den Leibl ciner
Periode kcnnzeichnet unser Gemälde; den „andern" Leibl, den an Velasquez

j. Novemberhcft

,75
 
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