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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 9 (1. Februarheft 1906)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0619

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Hus äern „Iuclen von Ronstanr" von Mlkslni von Sckolr

Vorbemerkung. Die literarische Gesellschaft zu Dresden hat kürz-
lich Scholzens „Juden von Konstanz" aufgeführt, und war die Aufführung
auch zum Teil nur schlecht, ein Verdienst hat sie sich doch damit erworben.
Jch will freilich nicht sagen, daß eine bessere Aufführung dem Stücke einen
großen Erfolg verschafft hätte, denn eigentliches Thcaterblut fließt durch diese
Szenen nicht so reichlich, daß ihr Gehalt davon leicht zu aller Blicken empor-
gehoben würde. Aber Gehalt ist da, und mehr vielleicht, als in irgend einem
andern modernen Drama, das sich mit dem Judentum beschäftigt. So groß
allerdings hat sich Scholz die Aufgabe nicht gestellt, daß er die Tragik
in dem Verhältnis zwischen Judcn- und Christentum und Arier- und Semiten-
tum als solche zu gestalten versucht hätte. Das Nebcncinander uud Gegen-
einander von Jud und Christ im Mittelalter gibt ihm den Nährboden für
die Entwicklung einer andern Tragik: für die des Menschen, der allen zum
Segen wirken will und wirken könnte, aber durch seine Umwelt zerricben wird.

Die Dresdner Kritik hat die Mängel des Werkes reichlich betont (deren
wichtigste das Vorwort der Buchausgabe selbst andeutet), die Vorzüge traten
bei der Aufführung wenig hervor. Scholzens Stück trägt ganz und gar nicht
das Gepräge des Artistentums. Hier ist nichts allein um der Reize der
Gestaltung willen gestaltet. Noch ist das Drama theatralisch in der übeln
Art, mit der beispielsweise Sudermann ein feineres Empfinden so oft
abstößt. Es erweist ein arbeitwilliges Ringen, das Leben selber zu
erfassen, das Lcben, bei dem immer auch auf der andern Seite irgend wer
Hörcnswertes spricht, wenn man gerade zu der eineu hinhört. Scholz hat
noch nicht dic Kraft gehabt, diese Fülle von Stimmen zn klarer Symphonie
zu ordnen. Jch weiß überhaupt nicht, ob seine dichterische Begabung stark
ist, aber ich glaube, daß wenn überhaupt eincr seine Begabung bildcn und
kräftigen kann, er's nur auf dem Wege kann, den Scholz geht. Uebrigens
sind manche unverkennbar dichterische Züge im „Juden von Konstanz". Jch
erinnere nur an die freilich fast übertrieben herausgearbeitete Gcstalt des
alten Hägeli, mit dem die Macht des Heimatgefühls dem heimatsuchenden
Juden in eigenartiger Verkörperung höchst eindrucksvoll gegenübertritt. Auch
bie Darstellung von Zeit- und Rassengeist zeigt oft überraschend klare und zeigt
rundende, nicht blendlaternenmäßig einseitige Beleuchtung. Es ist eine echte
künstlerische Vornehmheit, es ist tiefer Ernst und tiefe Ehrlichkeit in dieser
Bühnendichtung.

Wir geben als Probe das Meiste vom ersten Akt. Der ist durchaus
nicht der beste, er „schleppt" noch vielfach, wo die späteren lebendig vorwärts-
drängen, und auch die Sprache hat noch nicht die vollc charakteristische
Kraft. Aber er ist als Expositiou und Milieuschilderung in der Loslösung
am besten verständlich. Das Buch ist bei Georg Müller in München erschienen.

G

p r o l o g

Liegt eine alte Stadt an Berg und See,
mit Brücke, Turm und Giebeln, Tor und Dom,
und spiegelt sich iu eincm stillen Strom,
im Glanz von Blaugebirg und Gipfelschnee.

l- Zebruarheft (906 ^95
 
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