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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 19,1.1905-1906

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Heft 4 (2. Novemberheft 1905)
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Batka, Richard: Wolf-Ferrari
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7963#0245

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Luräum geführt zu. sehen. Denn nichts deckt in Wahrheit das Parlando
der Singstimmen mehr als die Streicher, diese scheinbar so harmlosen
Lämmer, hinter denen ein gefräßiger Wolf lauert, der alle raschen,
kurzen, hüpfenden Noten, wie sie die Konversation braucht, grausam
zu verschlingen Pflegt. Spinnwebhafter, entsagungsvoller als die
„Neugicrigen Frauen" kann doch keine Oper instrumentiert sein, und
doch die allgemeine Klage, in München, Wien, Dresden und Leipzig,
daß man an allen wichtigen Stellen kein Wort vom Texte versteht.
Also mache man das moderne Orchester nicht länger zum Sünden-
bock. Es ist dem Gesange nicht hinderlicher, als das künstlich ver-
magerte, und diesem an Mannigfaltigkeit der Farben, an Kraft und
Ausdruck doch weit überlegen. Ein schwerer Jrrtum vollends, den
deutschen Komponisten Wolf-Ferrari als Muster vorzuhalten. Wer
etwas sagen will, bedarf einer andern Sprache, als wer bloß
Plaudern möchte; eine poetische Schilderung ist etwas anderes als
ein Feuilleton. Jn Ausnahmefällen, und wo — wie hier — keine
tieferen Empfindungen berührt werden, mag man sich mit dieser
reduzierten Besetzung genügen lassen. Es gibt ja auch Gedichte mit
Vermeidung gewisser Vuchstaben. Warum nicht auch Orchester mit
Vermeidung gewisser Jnstrumente? Nur zur Regel soll man der-
gleichen Experimente niemals erheben wollen. Unserm deutschen Stil
und Musikgefühle« entspricht nun einmal die reich verzweigte Poly-
phonie, wir sind nun einmal in unserm ganzen Wesen schwerblütiger
als der Welsche und spielen einfach Maskerade, wenn wir unsere
Phantasie in das lüftige instrumentale Gewand eines Nossini stecken.
Tie deutsche Musik geht uicht in Musselin, sie muß sich eben nach dem
Klima unseres Landes tragen. R Batka

I.08S Vlätter

1ÜU8 Otlo Srlens „Taren Veler"

V o r b e m e r ku n g. Kürzlich ist von der Dresdner Hofbühne ein
Stück eines „neuen Mannes" aufgeführt worden, das beim Publikum einen
rauschenden Erfolg, bei der Kritik aber eine sehr geteilte Aufnahme fand:
während es die einen als eine große dichterische Tat verherrlichten,
lehnten es die audern als ein „Oberlehrerstück" ab. OttoErlers „Zar
Peter", mit dem Männer wie Adolf Bartels und Adolf Stern die Erfüllung
langjähriger Wünsche auf die Erneuerung des historischen Dramas verwirk-
licht sehen, kann man, schcint uns, schon deshalb kcin „Oberlehrerstück"
im alten übeln Sinne des Wortes nennen, weil es nichts weniger als
bühnenfremd ist. Jm Gegenteil, gerade der Vorwurf einer zu großeu Thea-
tralik ließe sich eher begründen, aber wir würden auch ihm gegenüber zur
Vorsicht raten, denn wir finden in diesem Stück kaum Stellen, wo Theater-
wirkungeu nur des Effekts wegen gemacht oder gesucht erschienen, es
scheint uns gerade das Wertvolle an diesem Stück, daß das Theatralische
darin zumeist der Ausdruck eben des Dramatischen ist. Andere Einwände
dagegen erscheinen uns besser begründet. Der Verfasser läßt die Großrussen
des Nordens zu Peters Zeit in „elenden Lehmhütten" hausen, während sie
doch immer mit Holz bauten, und diese Kleinigkeit wirkt wie ein Symbol

2. Novemberheft sstOö

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